ÖPNV

Ein Monat 9-Euro-Ticket: Aktiv-Bus zieht eine Zwischenbilanz

Ein Monat 9-Euro-Ticket: Aktiv-Bus zieht eine Zwischenbilanz

Ein Monat 9-Euro-Ticket: Aktiv-Bus zieht Zwischenbilanz

Michelle Ritterbusch
Flensburg
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Paul Hemkentokrax zieht eine positive Bilanz des ersten Monats des 9-Euro-Tickets bei Aktiv-Bus. Foto: Michelle Ritterbusch/shz.de

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Seit einem Monat können alle Menschen deutschlandweit mit dem 9-Euro-Ticket günstig den Nahverkehr nutzen. Die Folge: überfüllte Züge. Bei Aktiv-Bus in Flensburg ist die Situation etwas anders.

Wenn Paul Hemkentokrax, Geschäftsführer von Aktiv-Bus in Flensburg, an den Juni denkt, ist er zufrieden. Knapp 22.500 9-Euro-Tickets hat das Flensburger Verkehrsunternehmen bisher verkauft. Hinzu kommen Abonnenten, die ohnehin schon Fahrkarten haben, und Studenten mit Semestertickets. Die Busse von Aktiv-Bus sind gut ausgelastet.

„Die Fahrzeuge sind voll, aber wir mussten bisher niemanden stehen lassen“, sagt Hemkentokrax. In Zahlen bedeutet das: In den 46 Bussen, die täglich auf 14 Linien unterwegs sind, fahren im Juni jeden Tag 14.000 bis 15.000 Menschen mit. Zum Vergleich: Im Mai waren es 12.000 bis 13.000 Fahrgäste am Tag. Das 9-Euro-Ticket zeigt Wirkung. Aktuell ist ein Drittel aller Flensburger Inhaber eines Tickets für die Fahrzeuge von Aktiv-Bus.

Dass trotzdem alle Menschen zeitnah von A nach B kommen und niemand an der Haltestelle stehen bleiben muss, weil der Bus voll ist, führt der Aktiv-Bus-Chef auf die gute Vorbereitung zurück: „Wir haben die zwei Monate Vorlauf genutzt und es gut geregelt“, sagt er. Als Vorbereitung auf den großen Ansturm standen im Juni weitere Fahrzeuge und Fahrer bereit, die hätten losfahren können, wären die Busse überfüllt gewesen. Bisher sei das aber nicht der Fall gewesen, bilanziert Hemkentokrax. Sie hätten nicht gewusst, was auf sie zukomme. „Das 9-Euro-Ticket war ein großes Experiment.“

Mehr Menschen nutzen den ÖPNV

Ein Versuch, der auch Menschen, die sonst nicht mit dem Bus durch Flensburg fahren, dazu gebracht hat, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen. Der Aktiv-Bus-Chef berichtet von einigen Fahrgästen, die etwas unsicher ins Fahrzeug einsteigen und den Fahrer fragen, ob der Bus wirklich wie im Fahrplan angegeben an einer bestimmten Station hält.

Insgesamt halten sich erfahrene wie unerfahrene Kunden an die Gepflogenheiten und Regeln im Fahrzeug, sagt Hemkentokrax. Für Diskussionen sorgt allerdings manchmal die Maskenpflicht, die nach wie vor im ÖPNV gilt. „Die Leute kennen es nicht mehr aus anderen Lebensbereichen.“ Daher sei ihnen diese Regel teilweise nicht bewusst.

Beständigkeit ist wichtig

Im Juli und August erwartet das Flensburger Busunternehmen, dass es ähnlich reibungslos läuft, wie im ersten Monat des 9-Euro-Tickets. Und danach? Sollte dann ein neues günstiges Ticket wie das Klimaticket, das aktuell diskutiert wird, kommen, hofft Hemkentokrax, dass es rechtzeitig angekündigt wird. Dann haben die Verkehrsunternehmen genügend Zeit, sich darauf vorzubereiten. Das neue Ticket sollte dann auch direkt im September verkauft werden, denn „es überfordert alle, wenn man vom 9-Euro-Ticket zurück zum Normaltarif geht und dann wieder zurück zu einer günstigeren Fahrkarte“, betont der Aktiv-Bus-Chef. Denn gerade die Einfachheit des 9-Euro-Tickets werde von vielen Nutzern geschätzt. Es brauche eine gewisse Beständigkeit.

Gleichzeitig fehle das Geld, das in Tarife investiert wird, im ÖPNV-Ausbau. „Was bringt mir ein 9-Euro-Ticket, wenn kein Bus fährt?“, gibt Hemkentokrax zu bedenken. Für die Verkehrswende braucht es seiner Meinung nach mehr Geld im System. Dann gibt es auch mehr Fahrer, mehr Fahrzeuge und mehr Strecken auf der Straße und der Schiene, die bedient werden können. Aber: „Das nur auf die Nutzer umzuwälzen, wäre fatal.“

Gezielt bestimmte Gruppen unterstützen

Aktuell gebe es zahlreiche Studien dazu, warum die Menschen den ÖPNV nutzen und was sie bereit sind, dafür zu zahlen. So soll herausgefunden werden, ob den Fahrgästen Qualität oder ein niedrigerer Preis wichtiger sind, erzählt Hemkentokrax. „Wenn die Studien zeigen, dass die Leute bereit sind, für eine bessere Qualität mehr zu zahlen, sollte man dem nachgehen.“

Sein Wunsch ist es, dass mehr Augenmerk auf das Jobticket sowie Tickets für Schüler und Stammkunden gelegt und auch die Inflation berücksichtigt wird. Auf diese Weise könnten gezielt Gruppen unterstützt werden, die günstige Tickets brauchen.

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