Krankenhäuser in SH

„Maßloses Gewinnstreben“ – immer weniger Ärzte in Schleswig-Holstein

„Maßloses Gewinnstreben“ – immer weniger Ärzte in Schleswig-Holstein

„Maßloses Gewinnstreben“ – immer weniger Ärzte in SH

Margret Kiosz/shz.de
Schleswig-Holstein/Kiel
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Medizinerverband kritisiert Abbau von Ärztestellen. Krankenhausgesellschaft argumentiert dagegen, dass es während der Pandemie weniger Operationen gab.

Trotz Pandemie werden in Schleswig-Holsteins Kliniken nach Angaben der Ärztegewerkschaft Marburger Bund Arztstellen gestrichen. „Klinikträger bauen bereits Stellen ab oder planen diesen Schritt“, erklärte am Dienstag Verbandschef Michael Wessendorf in Kiel und sprach von einem „Schlag ins Gesicht für die ärztlichen Kollegen“, weil Arbeitsstress und Hetze damit weiter zunähmen.

Ärzte wollen weniger Arbeitszeit

Laut Umfrage unter 600 Medizinern im Norden will jeder Zweite demnächst die Arbeitszeit reduzieren, 40 Prozent planen sogar, das Krankenhaus ganz zu verlassen. 72 Prozent halten eine verlässliche Dienstplanung in ihrer Abteilung für unmöglich, Dreiviertel meinen, die Personalausstattung reiche für eine gute Patientenversorgung nicht mehr aus. Als Grund geben Ärzte privater Klinikträger die hohe Arbeitsbelastung an (57 Prozent), in den Unikliniken nennen 70 Prozent dies als Grund für den Arbeitsplatzwechsel, in kommunalen Häusern sind es 48 Prozent.

 

„Wenn das Streben nach Profit die Gesundheit von Patienten und Ärzten gefährdet, muss der Gesetzgeber zum Schutz der Patienten und des ärztlichen Personals aktiv werden“, meint Wessendorf, der verlässliche Arbeitszeiten fordert.

Zum Thema: M ehr Covid-Fälle, Personal in Quarantäne: Kliniken arbeiten am Limit

Kritik „Gewinnstreben um jeden Preis“

In die Schlagzeilen geraten war zuletzt der Klinikkonzern Helios, der ankündigte, im Schnitt drei Arztstellen pro Haus – bundesweit 150 – zu streichen. Als Grund werden sinkende Patientenzahlen durch Corona und durch Verlagerung von OPs in den ambulanten Bereich genannt. Gleichzeitig kündigte der Konzern die Anhebung der Dividende für die Aktionäre an. Diesem „mittlerweile maßlosen Gewinnstreben um jeden Preis“ sei nur durch die Festlegung von gesetzlichen Untergrenzen auch für das ärztliche Personal beizukommen, erklärte der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands.

Arztstellen ausgeschrieben

Schleswig-Holsteins Krankenhausgesellschaft räumt zwar eine zunehmende Arbeitsverdichtung ein, diese liegt nach Aussage von Verbandschef Patrick Raimund jedoch nicht an Stellenstreichungen, sondern am Fachkräftemangel. „Bei der Helios-Klinik in Schleswig sind allein 13 vakante Arztstellen ausgeschrieben“, argumentiert Raimund.

„Die Zahl der Arztstellen in Schleswig-Holsteins Krankenhäusern ist stabil, eher sogar leicht steigend“, ist Patrick Raimund überzeugt. Der Chef der Krankenhausgesellschaft steht regelmäßig in Kontakt mit den 96 Mitgliedskliniken und studiert deren Stellenanzeigen. „Über alle Klinikträger hinweg sind Arztstellen ausgeschrieben“, berichtet er. Der beklagte wachsende Arbeitsdruck liege also eher daran, „dass freie Stellen nicht besetzt werden können und nicht daran, dass sie nicht besetzt werden sollen“.

Genau das hatte der Marburger Bund als Interessenvertretung angestellter Mediziner behauptet. „In unserer Umfrage gibt ein Drittel an, dass in ihrer Abteilung 2021 bereits Arztstellen abgebaut wurden. Einer von zehn Befragten sagt, dass ärztlicher Stellenabbau geplant sei“, berichtete gestern Verbandschef Michael Wessendorf. Stellenstreichungen erfolgten bei privaten Trägern überdurchschnittlich häufig. 53 Prozent der befragten Ärzte in Kliniken privater Trägerschaft geben an, dass 2021 Stellen reduziert wurden. In den kommunalen Kliniken bestätigten das 35 Prozent und in den Unikliniken 25 Prozent.

Weniger Operationen, weniger Ärzte

Klinikträger berufen sich dabei teils auf Rückgänge bei den Patientenzahlen. Laut Statistischem Bundesamt gab es allein im ersten Pandemiejahr bundesweit 2,5 Millionen weniger Krankenhausbehandlungen und gut 690000 weniger Operationen als im Vorjahr. In den Kliniken Schleswig-Holsteins wurden 2020 knapp 528000 Patienten vollstationär behandelt. Das sind zwölf Prozent weniger als 2019. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer lag unverändert bei 7,6 Tagen. Der Trend setzte sich auch 2021 fort, deshalb erhielten hiesige Kliniken Bundesgeld aus dem Corona-Rettungsfond.

Für den SPD-Gesundheitsexperten Bernd Heinemann ist das wichtigste Mittel gegen Ärztemangel „eine bestmögliche Qualifikation des Nachwuchses durch die Uni-Kliniken“.

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