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Künstlerin und Forscherin geben einen Einblick in die Wunderwelt der Bienen

Künstlerin und Forscherin geben einen Einblick in die Wunderwelt der Bienen

Künstlerin und Forscherin geben Einblick in Welt der Bienen

Karin Lubowski/shz.de
Bremen
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Bettina Thierig hat sich dem Leben der Bienen künstlerisch genähert. Foto: Karin Lubowski/SHZ

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Bienen sind allgegenwärtig im Atelier von Bettina Thierig. Gemeinsam mit Forscherin Dorothea Brückner hat sie das hochorganisierte Leben der Bienen eingefangen. Herausgekommen ist eine Symbiose aus Kunst und Kultur.

Genau hinsehen. Für Bettina Thierig gehört das zur Grundausstattung ihres Berufs. Bei der Arbeit an ihrem jüngsten Werk taten sich dabei neue Welten auf, sagt sie. Die Lübecker Bildhauerin und Autorin hat zusammen mit der Leiterin der Forschungsstelle für Bienenkunde an der Universität Bremen, Dorothea Brückner, ein Buch herausgegeben: „Bienengedanken“, Ergebnis der geglückten Partnerschaft von Kunst und Kultur, erzählt aus dem hochorganisierten Leben der Insekten, ohne die der Mensch nicht existieren könnte.

Bienen sind allgegenwärtig in diesem Atelier. Bettina Thierig hat sie als Einzelwesen und als wimmelnde Ansammlung gezeichnet, hat sich den hauchzarten Strukturen ihrer Flügel genähert, hat Erkundetes in Linoleum geschnitten, Drucke daraus hergestellt und aus einem dieser Drucke ein Lichtobjekt geschaffen, hat auch das Wachs, ein körpereigenes Produkt der Tiere, hergenommen und mit Kalkstein-Skulpturen kombiniert.

Mittendrin stapeln sich in diesen Tagen obendrein die gerade erschienen „Bienengedanken“, das Produkt einer künstlerischen Forschungsarbeit, für die sie sich jahrelang auf den Weg durch die Welt der Insekten gemacht hat. Sie arbeitete bereits am Thema „Bienen und Waben“, als sie der Bienenwissenschaftlerin Dorothea Brückner begegnete. „Was für ein Glück“, sagt die Künstlerin und erzählt, wie sie die Biologin mit Fragen geradezu löcherte und wie diese sie an ihrer Arbeit und dem Leben der Bienen teilhaben ließ.

Ohne erhobenen Zeigefinger

Wie aus der Begegnung ein Buch wurde? Bettina Thierig kommt ins Grübeln. Eigentlich habe sich das ergeben, sagt sie. Irgendwann war es ein Bedürfnis, die zusammengetragenen Fakten und Fotografien mit den entstandenen Kunstwerken zu bündeln, den Erkenntnissen und Ergebnissen einen Rahmen zu geben. Natürlich geht es darum, für Zustand und Erhalt von Umwelt und Ökosystem zu sensibilisieren, an dessen Reichhaltigkeit Bienen einen Anteil haben, den Albert Einstein einmal so zusammengefasst haben soll: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr. “

Erhobene Zeigefinger haben Bettina Thierig und Dorothea Brückner aber nicht gewollt. Tatsächlich finden sich diesem Buch keine Ermahnungen, vielmehr sind die Beiträge der Wissenschaftlerin Brückner gleichermaßen unterhaltsame wie gehaltvolle Ausflüge in die Bienenkunde. Und so ist allein der Blick auf die Strukturen der Flügel oder die Haken an den Beinchen, an denen sich die Pollen verfangen, und vor allem auf das Sozialverhalten wie der Ausflug in eine perfekt organisierte Parallelwelt.

Tanz und andere Laute

Staunenswertes ist da zu erfahren. Wie die Honigbiene kommuniziert zum Beispiel. Mit dem Rundtanz, mit dem sie bei anderen Bienen ihres Schwarms für von ihr entdeckte Futterquellen wirbt, die im Umkreis von 100 Metern zum Stock liegen; mit dem Schwänzeltanz, mit dem sie für eine ferner gelegene Futterquelle wirbt und die Entfernung mit der Tanzgeschwindigkeit – je schneller, desto näher – mitteilt; mit dem Zittertanz, mit dem die Biene im Stock zu weiterer Sammeltätigkeit im Gelände aufruft; mit dem Rütteltanz, mit dem sie eine Genossin auffordert, den Nektar abzunehmen. Ein Gedächtnis ist da bei der Arbeit, das Wahrgenommenes abzuspeichern, wieder abzurufen und in Körpersprache umzusetzen vermag.

Kommuniziert wird auch mit Lauten. Heranwachsende Königinnen drücken sich gegen die Wabenzellenwand und erzeugen mit der Brustmuskulatur Vibrationen. Wenn die alte Königin diese auch für Menschen wahrnehmbaren Laute registriert, antwortet sie entsprechend. Dies ist das Zeichen für die alte Königin, dass der Nachwuchs bereit ist zum Schlüpfen und sie selbst mit ihrem Gefolge den Stock verlassen muss.

Ägyptischer Imker hat den Ruf nachgeahmt

Und auch das ist Sammelgut, das Bettina Thierig und Dorothea Brückner für die „Bienengedanken“ zusammengetragen haben: Ein ägyptischer Imker hat genau hingehört und ahmt den Ruf der alten Bienenkönigin nach. „Aak ak ak ak ak aak. Und das Fantastische ist, dass die jungen Bienenköniginnen antworten.“ Der Imker nutzt dies, um ohne Bienenverluste neue Völker zu bilden.

Ist diese Manipulation den Tieren gegenüber fair? Bettina Thierig und Dorothea Brückner beschreiben die Dinge. Wie gesagt: kein erhobener Zeigefinger. Doch mit den Einblicken in diese Wunderwelt, die für sie selbst noch immer voller Rätsel und Mirakel ist, haben Künstlerin und Biologin die Leser längst am Wickel gepackt.

Kommunizieren – wimmeln – sammeln – nutzen - forschen – bauen – leben – fliegen: So sind die Kapitel überschrieben, in denen Kunst und Wissenschaft einander beflügeln, in denen sich Fachwissen mit Gedichten und Geschichten, Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen mit kunstvollen Fotografien von Linolschnitten und Skulpturen, Bienen und ihren Produkten vereint.

Bettina Thierig ist zur Honigsammlerin geworden

Bettina Thierig ist bei der intensiven Auseinandersetzung selbst zur Honigsammlerin geworden und beschreibt „hellen Rapshonig aus dem Norden mit spürbaren Zuckerkristallen darin, dunklen, fast schwarzen Honig aus Dorothea Brückners Forschungsprojekt in Kamerun und auch den milden Honig ihrer eigenen Bienen. Rotbräunlichen Honig aus einem Garten am Wald in Bremen, italienischen Kastanienhonig, intensiv riechenden, festen braunen Buchweizenhonig aus Russland, goldgelben weichen Sonnenblumenhonig.“

Aus Kolumbien habe ihr jemand eine Flasche dunklen, flüssigen und würzigen Honig mitgebracht. Ein heller Lindenblütenhönig stammt von einem Imker aus dem niedersächsischen Ganderkesee, ein anderer von einer Hausgemeinschaft, die mitten in der Altstadt drei Bienenvölker versorgt. Honig aus aller Welt und die Farbpalette demonstriert, wie seltsam ungenau es ist, von einer Haarfarbe zu sprechen, die als „Honigblond“ bezeichnet wird.

Was macht sie mit dem reichhaltigen Sammelgut? „Essen!“, sagt die Künstlerin lachend. „Ich liebe Honig, und er ist ja auch sehr lange haltbar.“ Tatsächlich (und das steht nicht in den „Bienengedanken“) ist Honig bei richtiger Lagerung, kühl und dunkel aufbewahrt in einem fest verschlossenen Glas, enorm lange haltbar. In ägyptischen Gräbern fand man mehr als 3000 Jahre alten Honig, der mikrobiologisch noch unbedenklich war. Allerdings gibt es keine Berichte darüber, ob er auch noch geschmeckt hat.

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Hannah Dobiaschowski
Hannah Dobiaschowski Projekte / Marketing
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