Krieg in der Ukraine

Krieg in der Ukraine: So sehr beeinflusst das Thema Kappelns Schüler

Krieg in der Ukraine: So sehr beeinflusst das Thema Kappelns Schüler

So sehr beeinflusst das Thema Kappelns Schüler

SHZ
Kappeln
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Links das Peace-Symbol, rechts der Schriftzug: Ein Zeichen für den Frieden setzten die Schüler auf dem Schulhof des BBZ in Kappeln. Foto: Bernt Wellhausen/shz.de

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Der Krieg in der Ukraine ist längst Teil des Unterrichts geworden. Hier berichten Schüler des Berufsbildungszentrums Kappeln, wie sie sich informieren und was das Thema Krieg und Vertreibung mit ihrer Gefühlswelt macht.

„Krieg ist grundsätzlich immer eine schlechte Idee“, sagt Jonas (22), Berufsschüler am Berufsbildungszentrum (BBZ), Außenstelle Kappeln. Die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine und in Russland verfolgt er im Internet, vorwiegend in den sozialen Medien, ansonsten verlässt er sich gern auf seinen Lehrer Claus Olsen. „Meine Informationen bekomme ich hier, montags in der ersten Stunde“, sagt der Schüler.

Erstmal kein weiterer Austausch mit Russland

Claus Olsen ist Lehrer für WiPo am BBZ in Kappeln und spricht jetzt mit seinen Schülerinnen und Schülern viel über den Krieg in der Ukraine. Und Olsen ist Russland-Kenner, denn er hat mehrmals Austausche mit Schülern aus Russland koordiniert. Zuletzt waren 2019 zwölf Schüler und mit einer Lehrerin der russischen Partnerschule aus Kaliningrad zu Gast in Schleswig. Der Gegenbesuch der deutschen Schüler hätte im Mai 2020 stattfinden sollen, das war aufgrund der Pandemie nicht möglich. Und nun? „Das ist jetzt natürlich alles vorbei“, sagt Olsen und klingt dabei traurig.

Jonas findet es erschreckend, dass es in Europa tatsächlich wieder zu einem Krieg gekommen ist. „Und es ist ein Krieg, der nicht gewonnen werden kann“, sagt er weiter. Waffenlieferungen seien kein guter Weg, nur einer, durch den noch mehr Menschen sterben würden. „Es muss eine zwischenpolitische Lösung gefunden werden“, sagt er.

Berichterstattung in russischen Medien

Tom (18) ist ebenfalls Schüler in der Klasse für angehende Kaufleute im Einzelhandel. Er berichtet von seiner Oma, die Bekannte in Russland hat. „Sie steht in Kontakt mit ihnen, und sie sind überzeugt davon, dass es gar keinen Krieg gibt. Sie haben alles geglaubt, was die russischen Medien berichtet haben. Sie haben ja auch nichts anderes und können sich gar keine Meinung bilden.“

Auch Aylin (16) ist sehr interessiert an dem Unterricht, der das Thema intensiv aufgreift. Sie ist Schülerin im elften Jahrgang am Beruflichen Gymnasium des BBZ. Außerhalb der Schule verfolge sie das Thema vorwiegend auf dem Videoportal TikTok. „Es gibt dort viele Livestreams aus der Ukraine, wir sehen Aufnahmen aus Bunkern. Was für einen Druck die Menschen dort verspüren müssen, das kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt sie.

Ihr Mitschüler Lars Oke sagt, er mache sich viele Gedanken über die Menschen in den Kriegsgebieten und ist vor allem betroffen darüber, dass so viele Zivilisten verletzt werden und sterben. „Aber ich denke auch darüber nach, was der Krieg am Ende für uns bedeuten wird, welche Folgen er hat und was auch auf uns noch alles zukommen kann“, erklärt der 17-Jährige. Merle (17) kennt persönlich eine junge Frau, die mit ihrer Familie in der Ukraine lebt und arbeitet. „Sie ist jetzt mit ihrem Kind auf der Flucht. Ihr Mann musste in der Ukraine bleiben, er durfte das Land nicht mehr verlassen.“

BBZ-Lehrerin Bettina Sender, gleichzeitig Pastorin in Oersberg, unterstützt die Schülerinnen und Schüler in ihren Gedanken. „Es hat selten ein Thema gegeben, dass alle so sehr beschäftigt. Wir wollen hier im Unterricht auch Raum für das Gespräch bieten“, sagt sie. Besonders schwer ist der Umgang mit den Nachrichten und Bildern für Menschen, die selbst bereits eine Flucht erlebt haben, wie Temuzgi, ebenfalls Schüler des Beruflichen Gymnasiums des BBZ.

Selbst erlebt, wie sich Flucht anfühlt

Temuzgi lebt seit sechs Jahren in Deutschland. „Ich musste damals aus Eritrea flüchten, und ich weiß genau, was es bedeutet, auf dem Weg zu sein. Die Bilder und die Nachrichten erinnern mich daran, was mir passiert ist und was ich erlebt habe“, sagt der 22-Jährige. Er verfolge die Entwicklung in der Ukraine fast stündlich, will wissen, was in Kiew und den anderen Städten passiert.

„Die Menschen dort sind sehr mutig, sich den Soldaten und Panzern entgegenzustellen, aber es ist auch schrecklich, es mit anzusehen“, so Temuzgi weiter. Ob er meint, dass die westlichen Staaten, die Nato, zurzeit mehr für die Menschen in der Ukraine tun könnten? „Nein, das denke ich nicht. Russland sollte komplett raus aus dem Swift-System. Aber sonst: Mit den Sanktionen und den Waffenlieferungen wurde schon viel gemacht. Ich denke, sie haben das Maximale getan.“

In dieser Woche stellten sich die Schüler des BBZ auf dem Schulhof auf. Auf dem Boden hatten sie „Peace“ (das englische Wort für Frieden) in großen bunten Buchstaben geschrieben und das Friedenszeichen gemalt. Bettina Sender übernahm die Ansprache und dankte allen, die an diesem Morgen ein Zeichen setzen wollten – aus Solidarität mit den Menschen, die weltweit von Gewalt bedroht sind. „Es mag vielleicht hilflos erscheinen, aber Frieden einzufordern ist das, was wir tun können. So kann jeder Einzelne von euch zu einem Symbol für den Frieden werden“, sagte sie und leitete damit eine Schweigeminute auf dem Schulhof ein: „Wir halten inne, aber wir verstummen nicht.“

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