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„Klimaterroristen“ ist Unwort des Jahres: Das sagen Neumünsteraner zu dem Begriff

„Klimaterroristen“ ist Unwort des Jahres

„Klimaterroristen“ ist Unwort des Jahres

Tilman Wrede/shz.de
Neumünster
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Fichte Jessen aus Gardeland findet das Unwort ‚Klimaterroristen‘ ganz schrecklich. Foto: Tilman Wrede/shz.de

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Jedes Jahr gibt es ein Unwort des Jahres. Es ist ein Begriff, der von Sprechern „gedankenlos oder mit kritikwürdigen Intentionen verwendet“ und so zum sprachlichen Ausdruck wird. Das Unwort des Jahres 2022 ist „Klimaterroristen“. Das sagen die Neumünsteraner dazu.

„Ach, so nennt man die jetzt?“, fragt eine Neumünsteranerin und lacht als Reaktion auf das Unwort des Jahres 2022. Es ist der Begriff „Klimaterroristen“. In Neumünster stößt das Wort auf wenig Begeisterung.

Fichte Jessen aus Gadeland findet den Begriff ganz schrecklich: „Wir wollen doch alle noch lange etwas von dieser Welt haben und die Aktivisten tun etwas dafür. Das mit Terrorismus in Verbindung zu setzen, finde ich furchtbar.“ Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine. Viele Neumünsteraner finden ihn unpassend, so auch Günther Stoellger (72) aus Boostedt: „Ich finde das respektlos den Aktivisten gegenüber. Große Begriffe und Hau-Drauf-Mentalität ist heutzutage schon normal, das finde ich nicht gut. Da fehlt mir der Respekt.“

Kai Lorenz (56) aus Tungendorf sieht das ähnlich: „Die Aktivisten machen auf etwas aufmerksam, wo die ganze Welt drauf aufmerksam sein sollte. Die Art und Weise ist diskutabel, aber das macht sie noch lange nicht zu Terroristen.“ Und eine Neumünsteranerin die namentlich nicht genannt werden möchte fügt hinzu: „Sollen sie sich doch festkleben, aber sie legen ja keine Bomben.“

Klimaaktivisten nicht gleich Terroristen

Prof. Dr. Constanze Spieß, die Sprecherin der Jury, sagt dazu, dass der Ausdruck „Klimaterroristen“ im öffentlich-politischen Diskurs pauschalisiert für Klimaschützer verwendet werde, um deren Proteste schlecht zu reden. Sie kritisiere die Verwendung des Ausdrucks, da Klimaaktivisten mit Terroristen „gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden.“

„Der Begriff ‚Klimaterroristen‘ weckt Aufmerksamkeit, daher finde ich ihn ok. Das ist leider nötig, auch wenn ich die Bezeichnung ‚Terrorismus‘ in diesem Zusammenhang übertrieben finde“, sagt Sarah Schröder (31) aus Neumünster-Süd. Ingo Fynsk (66) aus Einfeld findet das Unwort ebenfalls angemessen, aber aus einem anderen Grund: „So wie sich die Aktivisten benehmen, finde ich die Bezeichnung ok. Wenn mit Steinen auf Polizisten geworfen wird, ist das kein friedlicher Aktivismus mehr.“

Sozialtourismus und defensive Architektur auf Platz 2 und 3

Für das Jahr 2022 erhielt die Jury insgesamt 1476 Einsendungen. Auf Platz 2 und 3 wurden die Begriffe „Sozialtourismus“ und „defensive Architektur“ gekürt. „Im Jahr 2022 wurde Sozialtourismus von Friedrich Merz zur Bezeichnung von Menschen aus der Ukraine, die Zuflucht vor dem Krieg suchen, verwendet“, teilt die Jury mit, „Wir sehen in diesem Wortgebrauch eine Diskriminierung derjenigen Menschen, die vor dem Krieg auf der Flucht sind und in Deutschland Schutz suchen.“

Der Begriff „defensive Architektur“ sei auch unter der Alternativbezeichnung „Anti-Obdachlosen-Architektur“ bekannt. Sie werde als Metapher verwendet, um eine „menschenverachtende Bauweise zu bezeichnen, die sich gegen bestimmte, wehrlose Personengruppen (zumeist Menschen ohne festen Wohnsitz) im öffentlichen Raum richtet und deren Verweilen an einem Ort als unerwünscht betrachtet“, teilt die Jury mit.

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