Coronavirus

Kinder impfen lassen oder nicht? Was Eltern jetzt wissen sollten

Kinder impfen lassen oder nicht? Was Eltern jetzt wissen sollten

Kinder impfen lassen oder nicht? Was Eltern wissen sollten

SHZ
Hamburg/Cuxhaven
Zuletzt aktualisiert um:
In der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen liegt die Impfquote bei knapp über 40 Prozent. Foto: imago images/Westend61/shz.de

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Ein Kind aus dem Kreis Cuxhaven ist mutmaßlich infolge einer Corona-Impfung gestorben. Wie wahrscheinlich ist so ein Fall? Und was müssen Eltern vor der Impfung ihrer Kinder beachten?

In diesem Artikel erfährst Du:

  • Auf welcher Grundlage die Impfung für 12- bis 17-Jährige empfohlen wird.
  • Welche Nebenwirkungen in dieser Altersgruppe auftreten können.
  • Wann auch Kinder unter 12 Jahren geimpft werden dürfen.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt seit dem Sommer eine Corona-Impfung für alle 12- bis 17-Jährigen. Mittlerweile ist schon fast jeder Zweite aus dieser Altersgruppe gegen das Virus geschützt. Experten rechnen sogar noch im November mit einer Zulassung eines Impfstoffes für Kinder bis elf Jahre. Doch der Tod eines 12-jährigen Kindes nach dessen Zweitimpfung im Kreis Cuxhaven könnte bei vielen Eltern noch einmal Zweifel aufkommen lassen. Was spricht für und was gegen eine Impfung von Kindern?

„Vorteile der Impfung überwiegen“

Sich gegen das Coronavirus impfen lassen, das konnten Kinder ab 12 Jahren schon seit Ende Mai. Doch eine allgemeine Empfehlung der Stiko gab es dafür lange nicht. Erst im August hatte sich die Kommission dann nach wochenlanger Prüfung für die Impfung aller Kinder und Jugendlichen im Alter ab 12 Jahren ausgesprochen.

Ein Grund dafür war, dass mittlerweile wesentlich mehr Zahlen und Erfahrungen dazu vorlagen, wie diese Altersgruppe mit der Corona-Impfung zurechtkommt und wie oft bestimmte schwere Nebenwirkungen auftreten. Auf dieser Basis kam die Stiko zu dem Schluss, „dass nach gegenwärtigem Wissensstand die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen“, teilte die Kommission mit.

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Grundlage für die Empfehlung der Kommission waren damals vor allem Studien aus den USA und Kanada nach über 12 Millionen Impfstoffdosen, die dort an Kinder zwischen 12 und 17 Jahren verabreicht wurden. Demnach verlaufe die einzige sehr selten auftretende Nebenwirkung einer Herzmuskelentzündung in der Altersgruppe meist mild. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Erkrankung liege laut bisherigen Daten bei ungefähr einem von 16.000 Jungen – und bei Mädchen noch seltener.

Zudem machen die immer weiter steigenden Inzidenzzahlen eine Infektion für ungeimpfte Kinder und Jugendliche immer wahrscheinlicher.

Die Entscheidung liegt bei den Eltern

Für Eltern gilt es daher jetzt vieles abzuwägen. Denn ob ein Kind geimpft wird, liegt in den meisten Fällen in den Händen der Erziehungsberechtigten. Und nicht nur Eltern von Kindern ab 12 Jahren stehen vor der Entscheidung – auch jüngere könnten bald in den Fokus rücken. In den USA hat die Impfkampagne für Kinder ab fünf Jahren bereits begonnen. Auch in Europa haben Biontech und Pfizer eine Zulassung ihres Corona-Impfstoffs für Kinder bereits beantragt. Demnach übermittelten sie der EU-Arzneimittelbehörde EMA die entsprechenden Daten. Eine Entscheidung der EMA ist vor Weihnachten anvisiert.

Zwölfjähriges Kind litt an Vorerkrankungen

Wie mittlerweile bekannt ist, litt das nach einer Impfung verstorbene zwölf Jahre alte Kind aus dem Kreis Cuxhaven offenbar seit Längerem unter einer schweren Herz- und Gefäßkrankheit. Unter anderem das RKI empfiehlt die Impfung allerdings gerade für Menschen mit Vorerkrankungen dieser Art. „Für Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer Vorerkrankung ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung haben, überwiegt der Nutzen deutlich die Risiken“.

Gemeldete Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung bei Kindern und Jugendlichen sind laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) extrem selten. Das Impfstoff-Institut führt bis 30. September fünf solche Verdachtsfälle auf, die sich auf einen tödlichen Ausgang im Abstand von 2 bis 24 Tagen nach Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech beziehen. Bei mindestens drei der Jugendlichen bestanden laut PEI schwere Vorerkrankungen.

Der gesundheitliche Aspekt

Gesamt gesehen gibt es bei der Impfung für Minderjährige keine gravierenden Sicherheitsbedenken. Wie „Deutschlandfunk“ berichtet, ist es in den USA und in Israel bei Jungen wenige Tage nach der zweiten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff in seltenen Fällen zu einer Myokarditis, einer Entzündung des Herzmuskels, gekommen. Diese ließe sich bei frühzeitiger Erkennung allerdings gut behandeln.

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Eltern, sich vor einer Impfung ihres Kindes Gedanken zu dessen Krankheitsgeschichte (zum Beispiel Allergien, Ohnmachtsanfälle) zu machen, um diese mit dem Impfarzt besprechen und mögliche Risiken abwägen zu können.

Eine klinische Studie hat nach Angaben von Biontech/Pfizer gezeigt, dass der Impfstoff selbst für Kinder zwischen fünf und elf Jahren „gut verträglich“ sei und eine „starke Immunantwort“ einen Monat nach der zweiten Dosis hervorrufe. Verglichen mit Erwachsenen und Jugendlichen wurde den Fünf- bis Elfjährigen eine deutlich geringere Dosis des Vakzins verabreicht.

Kinder und die Folgen einer Corona-Erkrankung

Minderjährige stecken eine Corona-Erkrankung zwar deutlich besser weg als älter Altersgruppen und zeigen wenige bis gar keine Symptome. Allerdings gibt es Hinweise aus einigen Studien, dass auch Kinder lange mit den Spätfolgen einer Covid-Infektion zu kämpfen haben.

Eine Auswertung des Universitätsklinikums Dresden zeigt, dass jüngere Corona-Patienten ein größeres Risiko für typische Long-Covid-Symptome wie Unwohlsein, rasche Erschöpfung, Husten oder Angststörungen aufwiesen. Bei ihnen traten diese Symptome um 30 Prozent häufiger auf als bei der Vergleichsgruppe.

In seltenen Fällen trat bei Kindern nach einer Covid-Erkrankung zudem das sogenannte PIMS-Syndrom auf – eine Entzündung verschiedener Organe.

Die psychosozialen Folgen der Pandemie

Jacob Maske vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte argumentierte im „Deutschlandfunk“, dass Eltern auch die psychosozialen Folgen der Corona-Zeit in die Impf-Entscheidung mit einbeziehen sollen. Durch eine Impfung wird für Kinder und Jugendliche wieder mehr möglich, manches Treffen mit Freunden vielleicht unbeschwerter.

Doch gegen solche Argumente regt sich auch Kritik. Jugendmediziner Reinhard Berner vom Uniklinikum Dresden mahnte gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass in erster Linie der Nutzen für die Gesundheit dem Risiko einer schweren Impfnebenwirkung gegenübergestellt werden sollte. Faktisch mache die Impfung die Teilhabe an sozialen Aktivitäten und dem Schulbetrieb natürlich leichter, sagt er. Das sei positiv. Sorgen bereitet ihm aber, dass genau diese Erleichterung für geimpfte Kinder und Jugendliche viel Potenzial hat, Spannungen und Konflikte in Familien und Schulen zu tragen.

(Mit Material der dpa)

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