Brandserie in Flensburg

Keiner ist dichter dran als Blaulichtreporter Sebastian Iwersen

Keiner ist dichter dran als Blaulichtreporter Sebastian Iwersen

Immer mittendrin: Sebastian Iwersen ist Blaulichtreporter

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Sebastian Iwersen arbeitet seit 20 Jahren als sogenannter „Blaulicht-Reporter“. Foto: Gunnar Dommasch/shz.de

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Die aktuelle Brandserie in Flensburg und Harrislee hält der 41-jährige Journalist und Fotograf für „absoluten Wahnsinn“. Die Schicksale der Betroffenen lassen ihn nicht kalt.

Wenn es brennt, ist er zur Stelle. Nicht, um zu löschen, sondern mit der Kamera. Er ist nicht schneller, als die Polizei erlaubt und auch nicht schneller als die Feuerwehr. „Das ist ein Märchen.“ Aber immer noch fix genug, um das oft dramatische Geschehen in der Entstehungsphase einzufangen.

Seit genau 20 Jahren ist Sebastian Iwersen für unsere Zeitung unterwegs – als sogenannter „Blaulicht-Reporter“. Aktuell muss er allerdings öfter ausrücken, als ihm lieb ist; tagsüber, in der Dämmerung oder mitten in der Nacht. Auch ihn hält die unheimliche Brandserie in Flensburg und Harrislee in Atem.

„So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt der 41-Jährige. Zuletzt habe es 2005 eine Reihe von Bränden in Tarup gegeben, für die ein Feuerwehrmann verantwortlich war. „Aber kein Vergleich zum gegenwärtigen Wahnsinn.“

Selbst altgediente Feuerwehrmänner könnten sich nicht, so hat man ihm berichtet, an ein derart bedrohliches Szenario erinnern, das mutmaßlich mehrere Täter entfacht haben, Trittbrettfahrer nicht ausgeschlossen.

Bislang elf Brände im Hochhaus Hohe Mark 16

Im Mittelpunkt der beängstigenden Brandstiftungen: das Hochhaus Hohe Mark 16 in Harrislee. Hier bricht erstmals im Februar dieses Jahres ein Feuer aus, danach mit Mai und Juni. Dann geht es Schlag auf Schlag. Ein Auto brennt am 19. Juli am Harniskai, das Geschehen kulminiert im September, mit insgesamt vier im Treppenhaus angezündeten Kinderwagen – in der Mozartstraße und am 19. September kurz vor Mitternacht in der Apenrader Straße, wo 20 Bewohner mit der Drehleiter in Sicherheit gebracht werden. 16 Verletzte müssen ins Krankenhaus gebracht werden.

In der Hohen Mark brennt es insgesamt elfmal, in der direkten Umgebung werden Müllcontainer abgefackelt.

Mehr noch: Hausnotruf ausgefallen. Der Fahrstuhl durchs Feuer kalt gestellt.

Iwersen hat Bewohner und Nachbarn erlebt, die fassungslos vor den Flammen standen: „Der Schock stand ihnen ins Gesicht geschrieben“, schildert der Journalist. „Sie konnten nicht sprechen, waren den Tränen nahe.“ Nicht anders ergeht es Autofahrern, die morgens unversehens vor ihrem ausgebrannten Fahrzeug stehen.

Nicht nur die Rettungskräfte, auch er ist erschöpft vom kontinuierlichen Arbeitseinsatz, von jetzt auf gleich. 40 gelegte Brände in gut zwei Monaten, das ist die größte Brandserie seit Jahrzehnten in Flensburg, die auch ein überregionales Medienecho ausgelöst hat.

Sebastian Iwersen ist bestens vernetzt, das ist unabdingbar in seinem Job. Von der Leitstelle wird er umgehend per Mail von Rettungseinsätzen in Kenntnis gesetzt, er hat überdies einen Kreis von Informanten aufgebaut. Mit den Feuerwehrleuten, den Einsatzleitern kooperiere er bestens. „Das ist nach so langer Zeit ein fast schon freundschaftliches Verhältnis.“ Wichtig sei eine absolute Vertrauensbasis. „Jede Seite weiß, was die andere tut.“

Innere Uhr und ständige Alarmbereitschaft

Nachts schläft der Reporter schlecht – bis heute. Eine innere Uhr, die ständige Alarmbereitschaft hält ihn wach. „Früher wäre ich für eine brennende Mülltonne nicht aus dem Bett gekrochen, jetzt ist das anders, weil es Teil der Brandserie sein kann.“ Berichterstattung sei vor diesem Hintergrund Pflicht, findet der Fotograf, auch um Fragen und Unsicherheiten von Betroffenen und Anwohnern gerecht zu werden. „Ich habe unter ihnen die Angst gespürt, wenn ihr Zuhause, ein eigentlich geschützter Raum, bedroht wird. Das eigene Heim hält man doch für den sichersten Ort der Welt. Aber nicht, wenn einer um die Häuser schleicht und womöglich an der Fassade fackelt ...“

Er erinnert sich an den Brand in der Apenrader Straße, an den Moment, wo ein Mieter sich mit seiner Familie im hintersten Zimmer verkrochen und darauf gewartet habe, dass die Wohnungstür durchbrennt. „Dann wären sie alle ohne zu zögern aus dem Fenster gesprungen, gut vier Meter tief. So hat er es mir erzählt.“

Wie beurteilt der Blaulicht-Reporter die Arbeit der Polizei? „Die Informationen sind sehr spärlich geflossen“, berichtet er, ohne dies zu werten. Der stereotype Satz „es wird ermittelt“ sei für die Betroffenen ganz bestimmt unbefriedigend. Allerdings weiß er auch, dass sich sehr viel mehr getan hat als das, was in der Öffentlichkeit wahrnehmbar war und ist.

Kriminaldauerdienst sorgt für die Spurensicherung

Sebastian Iwersen wirbt um Verständnis. Der Kriminaldauerdienst etwa werde in jedem Fall zur Spurensicherung hinzugezogen, was nicht selbstverständlich ist. „Auch sonst gibt es Maßnahmen, die hoffentlich zum Erfolg führen werden. Der Nachweis jeder einzelnen Tat wird schwer genug sein.“

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