DGzRS-Rettungsstation in Schleswig

Hohe Wellen und Flachwasser – unterwegs mit der Seenotrettern auf der Schlei

Hohe Wellen und Flachwasser – unterwegs mit der Seenotrettern auf der Schlei

Unterwegs mit der Seenotrettern auf der Schlei

Benjamin Nolte/shz.de
Schleswig
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Die „Herwil Götsch“ auf Kontrollfahrt auf der Schlei. Foto: Benjamin Nolte/shz.de

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Rund 20 Ehrenamtliche auf der Station der DGzRS in Schleswig helfen auf der Schlei in Notgeratenen. Auf Kontrollfahrt mit Seenotrettern.

Während Vormann Frank Tapper die Leinen los macht, startet Paul Wetzel die beiden je 200 PS starken Außenbordmotoren der „Herwil Götsch“. Kurz darauf rangiert Wetzel das 8,90 Meter lange Seenotrettungsboot von seiner Liegeposition im Stadthafen hinaus auf die Schlei. Tapper und Wetzel sind Seenotretter und engagieren sich ehrenamtlich auf der Schleswiger Station der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Wir haben die beiden bei einer Kontrollfahrt begleitet.

Schleswig ist eine der jüngsten Stationen der DGzRS, wurde erst 1994 gegründet. Knapp 20 Seenotretter teilen sich den Dienst. Ihr Revier, die Schlei. „Deutlich anspruchsvoller als der Laie denkt“, erklärt Frank Tapper, „die Schlei hat ihr Tücken und die werden manch einem zum Verhängnis.“

Auf einer Länge von 42 Kilometern, von Schleimünde über Kappeln bis nach Schleswig, erstreckt sich die Schlei, mit vielen Engstellen und Flachwasserbereichen. Das Einsatzgebiet der „Herwil Götsch“ reicht von Schleswig bis nach Arnis. „Wenn es drauf ankommt und beispielsweise mehrere Boote benötigt werden, dann fahren wir auch bis raus auf die offene Ostsee“, berichtet Paul Wetzel. Die nächsten DGzRS-Stationen befinden sich in Maasholm und Olpenitz.

23 Einsätze im vergangenen Jahr

23 Mal musste die „Herwil Götsch“ im vergangenen Jahr zu Einsätzen ausrücken. „Die Schlei wird vielmals unterschätzt“, so Tapper. „Insbesondere Lage und Tiefe der Fahrwasser verändern sich durch den Einfluss einer stärkeren Wind- und Strömungstide ständig und bei starkem Wind kann die Wellenhöhe auch schnell mal einen Meter betragen.“

Besonders in den Sommermonaten wird es auf der Schlei voll. Ausflugs- und Fährverkehr, Freizeitschifffahrt und Wassersportler aller Art teilen sich das Seengebiet.

„Besonders an den Engstellen der Schlei kann der Strom schon einmal bis zu fünf Knoten betragen. Mit reiner Muskelkraft kommen auch erfahrene Paddler kaum noch dagegen an und auch manch ein Boot ist nicht ausreichend stark motorisiert um der Strömung etwas entgegenzusetzen“, so Wetzel

Die „Herwil Götsch“ wird ausschließlich von freiwilligen Seenotrettern besetzt. Ähnlich wie bei einer Freiwilligen Feuerwehr werden die Retter im Ernstfall von der Leitstelle in Bremen alarmiert. „Wir haben uns in vier Mannschaften à vier Leute aufgeteilt“, erläutert Tapper. „Eine Mannschaft hat immer genau eine Woche Rufbereitschaft und hat im Ernstfall zehn Minuten Zeit das Boot einsatzklar zu machen.“ Gerade in den Sommermonaten, in denen die Stadt Schleswig voller Touristen ist, nicht immer ein leichtes Unterfangen. „Die Anfahrt zum Liegeplatz bereitet uns gerade an verkehrsreichen Sommertagen Probleme“, so Tapper. „Ein Blaulicht haben wir auf unseren Privatautos nicht.“

Ideal auf die Einsätze auf der Schlei zugeschnitten

Mit gerade einmal 88 Zentimetern Tiefgang ist das erst 2021 in Dienst gestellte Seenotrettungsboot ideal auf die Bedürfnisse in Schleswig zugeschnitten, kann auch in ganz flachen Stellen eingesetzt werden. „Von diesen Stellen gibt es einige“, so Tapper, „je nach Windrichtung drückt es das Wasser aus der Schlei und der Pegel sinkt an einigen Stellen soweit, dass man inmitten der Schlei stehen könnte. Da muss man schon genau schauen und die Seekarte im Blick behalten.“

Anfängliche Skepsis, ob das neue Boot auch den Bedürfnissen und Wünschen der Schleswiger Seenotretter gerecht werden würde, sind schnell gewichen. Jetzt, rund eineinhalb Jahre nach Indienststellung sind alle mehr als zufrieden: „Es ist klein, hat einen sehr geringen Tiefgang und ist zu dem extrem schnell und wendig“, so Tapper, „durch eine sehr durchdachte Bauweise lässt es sich an Bord auch gut und vor allem sicher arbeiten.“

Rasen ist auf der Schlei kaum möglich

Die 400 PS der beiden Außenbordmotoren können das Vollkunststoffboot auf bis zu 38 Knoten (zirka 70 km/h) beschleunigen. Theoretisch lassen sich so auch weiter vom Stadthafen entfernte Punkte, wie Missunde oder Arnis binnen kurzer Zeit erreichen. „In der Praxis sieht es ein wenig anders aus“, erklärt Tapper, „hohe Geschwindigkeiten sind in vielen Bereichen auch im Einsatzfall nicht möglich, unsere Heckwelle würde in den kleineren Häfen liegende Schiffe beschädigen.“

Während der Kontrollfahrt geht es ohnehin gemächlicher zu. Seenotretter wie Tapper und Wetzel lieben ihr Revier, kennen die Schlei in und auswendig, finden sich auch bei Schlechtwetter und Dunkelheit zurecht und genießen die Stunden auf dem Wasser. Diese Kontrollfahrten haben allerdings auch einen wichtigen Hintergrund. Auch für die Seenotretter ist es wichtig stets zu wissen wie sich die Fahrwasser verändern, wo eventuell neue Sandbänke entstanden sind oder eventuell Hindernisse die Schifffahrt beeinträchtigen.

Die meisten Einsätze wegen auf Grund gelaufener Schiffe

„Man kennt sich hier“, so Tapper, „man grüßt sich freundlich und besucht auch mal die Hafenmeister in den kleineren Häfen um Kontakte zu pflegen.“ Im Ernstfall wissen Bootsführer, dass sie sich auf die Männer und Frauen der DGzRS verlassen können, das gilt nicht nur für Notfälle auf hoher See, sondern auch in der Schlei.

„Meist werden wir zu Schiffen gerufen, die auf Grund gelaufen sind“, berichtet Wetzel, „nicht selten trifft es auch Einheimische.“ Technische Probleme wie Maschinen- oder Ruderschäden sorgen ebenfalls für Einsätze. Doch mitunter geht es auch um Menschenleben. Erschöpfte und desorientierte Kajakfahrer, Segler und Sportbootfahrer, die aufziehende Unwetter unterschätzt haben oder betrunkene Schwimmer, die nachts die Schlei überqueren wollen, das Einsatzspektrum der Seenotretter ist groß.

„Im Frühjahr geht es los, wenn die ersten ihre Boot zu Wasser gelassen haben, dann steigen auch unsere Einsatzzahlen“, so Tapper, „in diesem Jahr ist es allerdings bislang sehr ruhig, was auch an der Baustelle an der Lindaunisbrücke liegt, viele Segler meiden in diesem Jahr die östlichen Bereiche der Schlei.“

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