Wahlkampfauftakt der Grünen in SH

Habeck und Heinold: Über die Showtreppe in die Weltpolitik

Habeck und Heinold: Über die Showtreppe in die Weltpolitik

Habeck und Heinold: Über die Showtreppe in die Weltpolitik

SHZ
Flensburg
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Gemeinsamer Wahlkampfauftakt in Flensburg: Robert Habeck (li.) und Monika Heinold. Foto: IMAGO/Chris Emil Janssen/shz.de

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Der Krieg in der Ukraine bestimmt auch den Wahlkampfauftakt der Grünen in Schleswig-Holstein mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold.

Schon mit dem Weg auf die kleine Bühne beginnt er, der Wahlkampf der Grünen in Schleswig-Holstein. Es ist Sonnabendmittag an der Flensburger Hafenspitze, die Sonne scheint von einem blauen Himmel und Robert Habeck sucht noch die Treppe zur Bühne, während Monika Heinold bereits oben ist. „So ist sie“, sagt der Bundeswirtschaftsminister, als er schließlich auf seinem Stuhl Platz genommen hat, „Monika nimmt nie die Showtreppe, sondern immer den direkten Weg.“

Aminata Touré fehlt wegen einer Corona-Infektion

Habeck mag Metaphern, das ist bekannt, und er mag Heinold, das zeigen die folgenden anderthalb Stunden. Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold und Aminata Touré, die an diesem Tag wegen einer Corona-Infektion fehlt, sind die Spitzenkandidatinnen der Grünen für die Landtagswahl am 8. Mai und natürlich werden sie während ihres Wahlkampfes auch von der Bundesprominenz der Partei unterstützt. Da bietet sich ein Besuch in Flensburg an, denn hier lebt immerhin der weltberühmteste Bundesgrüne, der praktischerweise ein Schleswig-Holsteiner ist. „Du bist heute zu Besuch, ich wohne hier“, sagt Habeck, als Heinold ihm für sein Erscheinen dankt. Ein bisschen Ordnung muss schon noch sein. Ja, die Chemie stimmt zwischen den beiden, das wird mehrfach deutlich. Sie kennen sich gut, aus gemeinsamen Oppositions- und Regierungsjahren im Land.

Ukraine-Krieg ist auch am Flensburger Hafen das bestimmende Thema

Aber es geht natürlich gar nicht so sehr um Schleswig-Holstein, sondern um die Weltpolitik. Und um die Zusammenhänge zwischen beiden. Der Krieg in der Ukraine ist auch am Flensburger Hafen das bestimmende Thema. „Wir helfen den Menschen in der Ukraine, indem wir unabhängig von den Energielieferungen aus Russland werden“, sagt Habeck. Schleswig-Holstein sei bereits jetzt das Energiewende-Land Nummer 1, aber das reiche noch nicht. „Wir müssen noch mehr in die klimaneutrale Infrastruktur und Gesellschaft investieren, das schafft einen ökonomischen Mehrwert, von dem Schleswig-Holstein besonders profitieren wird“, sagt Habeck. Er hat eine intensive Woche hinter sich, das Problem der rasant steigenden Energiepreise muss schließlich sozialverträglich gelöst werden. Auch deshalb macht Monika Heinold ihr politisches Kernanliegen deutlich: „Die Energiewende ist nicht nur für den Klimaschutz wichtig, sie hat auch gesellschaftliche und geopolitische Aspekte. Ich werde das Thema zur Chefinnensache machen.“

Heinold und Günther: Wahlkampfgegner, die sich schätzen

Das ist ja eine der interessanten Geschichten dieses Wahlkampfes, der derzeit ein wenig im großen Weltgeschehen untergeht: Monika Heinold will Ministerpräsidentin werden, sie tritt also gegen den CDU-Amtsinhaber Daniel Günther an, in dessen Kabinett sie noch Finanzministerin ist. Das macht den Wahlkampf nicht unbedingt leichter, zumal beide sich sehr schätzen und immer noch große Themen auf der Jamaika-Agenda stehen: „Wir wollen im Wahlkampf als Personen fair und vertrauensvoll miteinander umgehen, auch weil wir derzeit neben der Corona-Pandemie auch noch die Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine bewältigen müssen“, sagt Heinold. Besondere Zeiten, besonderer Wahlkampf. Umso erstaunlicher, dass bei der grünen Auftaktveranstaltung in Flensburg nur rund 150 Menschen dabei sein wollen.

Monika Heinolds ehrliche Ausführungen über ihr Machtbewusstsein

Die hören neben den großen politischen Linien noch eine nette Plauderei zwischen den beiden Grünen. Heinold darf ein paar politische Ziele für das Land formulieren – bessere Bildung, mehr soziale Teilhabe, mehr Geschlechtergerechtigkeit – und verrät ganz ehrlich, warum sie einst in die Landespolitik gegangen ist: „Ich bin gewissermaßen aus Quotengründen in das Mandat der Kreistagsabgeordneten gedrängt worden. Als ich später dann gesehen habe, was für Männer teilweise in den Landtag gewählt wurden, hat mich das herausgefordert.“ Und als sie über ihr Machtbewusstsein und ihre Lust an Führung und Gestaltung spricht, strafft Habeck neben ihr sichtbar den Rücken und lächelt in sich hinein. Später sagt er einen Satz, der ihm möglicherweise in diesem Moment schon in den Sinn gekommen ist: „Monika kann führen, sie hat die Regierung, ohne dem Ministerpräsidenten etwas absprechen zu wollen, im Grunde als Finanzministerin schon geführt.“ Da klingt er dann doch noch einmal mal durch, der Landtags-Wahlkampf.

Das Problem mit den Wahlversprechen

Ein Wahlkampf übrigens, in dem die Grünen auch das eine oder andere mal werden klarmachen müssen, warum sie ihre Einstellungen zum Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel oder zu Waffenlieferungen in die Ukraine erstaunlich schnell geändert haben. „Kein einziger grüner Grundsatz ist verraten worden“, behauptet Habeck zwar, aber ein Plakat, das er von der Bühne aus sehen kann, erzählt eine andere Geschichte: „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“, steht auf dem großen weißen Laken geschrieben, und, etwas kleiner: „Wahlversprechen der Grünen 2021“.

Putins mutmaßlicher Denkfehler

Die Realität, in der sich die Politik - auch die der Grünen - derzeit bewegt, ist die Ausnahmesituation: Erst die Corona-Pandemie und dann Putin. „Sein Krieg ist ein Krieg gegen die Demokratien“, sagte Habeck. Der russische Präsident, vermutet Habeck habe die Reaktion der Bundesregierung auf seinen Krieg aus einem ganz bestimmten Vorurteil heraus falsch eingeschätzt: „Ich halte es nicht für unsinnig, dass Putin gedacht hat: Mit den Grünen in der Bundesregierung wird Deutschland nicht entschlossen handeln.“ Habeck sagt das ohne Spott, auch den Nachsatz: „Tja, falsch gedacht.“

Bei der Landtagswahl gegen Putin stimmen

So geht er dann zu Ende, dieser Auftakt des Landtagswahlkampfs der Grünen. Und ein Satz von Monika Heinold bleibt hängen: „Wir sollten alle am 8. Mai wählen gehen, um Putin zu zeigen, dass wir für die Demokratie einstehen.“ Eine Stimme bei der Landtagswahl ist demnach eine gegen den russischen Despoten. Darunter geht es derzeit wohl nicht. Seltsame Zeiten sind das, in denen Showtreppen wirklich nicht mehr wichtig sind.

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