Gesundheit

FSME und Borreliose: Zecken wandern immer weiter nordwärts – darauf sollte man achten

FSME und Borreliose: Zecken wandern immer weiter nordwärts

FSME und Borreliose: Zecken wandern immer weiter nordwärts

Inga Gercke/shz.de
Kiel
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Da es durch den Klimawandel im Norden immer wärmer wird, wandern Zecken auch in Gebiete, in denen sie sich vorher nicht sehr wohlgefühlt haben. Foto: www.imago-images.de/shz.de

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Die Parasitologin Christina Strube beobachtet, dass sich Zecken immer weiter gen Norden ausbreiten. Was das für die Ausbreitung von gefährlichen Krankheiten bedeutet und welche Arten es sich auch in SH bequem machen.

Vor zwölf Jahren wurde Anna von einer Zecke gestochen. Sie wurde gezogen, alles schien in Ordnung. Doch nach einigen Wochen konnte die damals 14-Jährige ihre rechte Gesichtshälfte plötzlich nicht mehr bewegen. „Ich konnte nicht mal mehr mein Auge schließen“, sagt die heute 35-Jährige. Die Diagnose: Borreliose. Ausgelöst durch den Zeckenstich. Wochenlang musste sie damals Antibiotika nehmen, durfte nicht in die Schule. Noch heute hat sie Probleme mit ihrem rechten Ohr und kann nur eingeschränkt hören. 

„Und letztes Jahr dann wieder“, sagt sie. „Es fühlte sich an, also würde mir jemand eiskalte Wassertropfen ins Gesicht spritzen.“ Die Diagnose: wieder Borreliose. Wieder ausgelöst durch einen Zeckenstich. 

Eine Borreliose wird durch sogenannte Borrelien-Bakterien ausgelöst. Diese leben im Darm und den Speicheldrüsen der Zecken und können beim Stich über den Speichel dann an den Menschen weitergeben werden. Da es für Borreliose keine Meldepflicht gibt, gibt es auch keine amtliche Statistik zu Fällen aus Schleswig-Holstein, heißt es aus dem Gesundheitsministerium in Kiel.

Borreliose – Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands

Laut Robert Koch Institut (RKI) sei aber von einer Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands auszugehen, es gebe aber starke regionale Schwankungen. Bei etwa 2,6 bis 5,6 Prozent der Menschen, die von einer Zecke gestochen wurden, können nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) Antikörperbildung gegen Borrelien nachgewiesen werden. Daran tatsächlich erkranken tun aber nur wenige Menschen: Nur 0,3 bis 1,4 Prozent der Gestochenen zeigen Symptome.

Mehrere Borreliose-Erkrankungen möglich

Dass man – wie Anna – gleich zweimal an einer Borreliose erkrankt, ist also relativ unwahrscheinlich. „Aber durchaus möglich. Nach jedem Zeckenbiss kann man erneut an Borreliose erkranken“, sagt Dr. Guido Heine, Leiter der Allergologie am Universitätsklinikum in Kiel. Erkennt man eine Erkrankung früh genug, könne diese gut mit Antibiotika behandelt werden. „Dass eine Einstichstelle rot und warm ist und auch anschwillt, ist völlig normal“, sagt er. Auch leichte Druckschmerzen seien unbedenklich.

Wird der Stich richtig heiß und bekomme man Gelenkschmerzen oder werde fiebrig, dann sollte man zu einem Arzt. „Das könnten dann Anzeichen für eine Borreliose sein“, so der Allergologe. Ein weiteres Indiz: Um die Einstichstelle bildet sich ein Kreis, die sogenannte Wanderröte. Sie tritt nach einigen Tagen bis Wochen nach dem Zeckenstich auf. Diese deutlich ringförmige Hautrötung ist oft im Zentrum blasser als am Rand. „Auch dann heißt es: ab zum Arzt“, sagt Heine. 

Zecken sollten schnell entfernt werden

Auf die Frage, ob ein Zeckenbiss immer auch ein Gesundheitsrisiko darstelle, lautet seine klare Antwort: „Nein. Meine Message ist aber: sofort raus damit.“ Je eher die Zecke gezogen werde, desto geringer sei Wahrscheinlichkeit, dass Viren übertragen werden.

Anders sieht die Lage in Süddeutschland aus. Hier grassiert das deutlich gefährlichere FSME-Virus, das Hirnhautentzündungen auslösen kann. „FSME kommt aber in Schleswig-Holstein eigentlich kaum vor“ so Heine. „Hier ist es wirklich die Borreliose, die umgeht.“

Zecken wandern gen Norden

Christina Strube leitet das Institut für Parasitologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Unter anderem forscht sie auch zu Zecken und Krankheiten, die von diesen übertragen werden können. Sie berichtet, dass sich Zecken immer weiter gen Norden bis in die Nähe des Polarkreises in Skandinavien ausgebreitet haben, „weil es eben durch den Klimawandel nicht mehr so kalt ist“, so die Tierärztin.

FSME – in ganz Deutschland Ansteckungsgefahr

Das Gerücht, mehr Menschen würden sich im Süden mit FSME anstecken, weil es dort mehr Zecken gäbe, räumt sie aus. „Es gibt im Norden nicht weniger Zecken als im Süden, nach neueren Untersuchungen sogar eher mehr. Nur die Zecken, die das Virus in sich tragen, kommen häufiger im Süden vor, weil es dort mehr Naturherde des Virus gibt“, sagt sie.

Sie vermutet, dass es bald auch im Norden von Deutschland mehr FSME-Fälle geben könnte. „Es ist zu beobachten, wie sich die FSME-Risikogebiete über die Jahre nach Norden und Osten ausbreiten“ so Strube. 

Das Robert-Koch-Institut hat in einem aktuellen Bericht (Stand März 2023) drei neue Regionen ausgewiesen, in denen sich FSME ausgebreitet hat. Neu hinzugekommen sind die Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Fürstenfeldbruck sowie der Stadtkreis München. Damit seien nun knapp 180 Kreise bundesweit als FSME-Risikogebiete ausgewiesen.

Afrika-Zecken verbreiten sich in Deutschland

Auch die Afrika-Zecken, die sehr heiße und trockene Bedingung brauchen, um sich zu entwickeln, werden in manchen Jahren häufiger in Deutschland gefunden. Nach dem Rekordsommer 2018 beziehungsweise im Folgejahr wurden diese Zecken öfter in Deutschland registriert, so Strube. „Und die gehen hier dann auch als aktive ,Jäger’ auf Wirtssuche“, sagt sie. Allerdings wiesen die Exemplare, die in Deutschland gefunden wurden, kein Krim-Kongo Hämorrhagisches Fieber-Virus auf. 

Zecken lassen sich nicht vom Bäumen fallen

In Deutschland heimische Zeckenarten seien hingegen typische Wegelagerer. Das bedeutet auch, dass der Glaube, dass sich Zecken von Bäumen fallen lassen, falsch ist, sagt sie. „Keine Zecke würde sich jemals von einem Baum fallen lassen. Da muss ja nur ein Windstoß kommen und die Trefferquote geht gegen null.“ Zecken klettern an Gräsern oder Sträucher empor und warten dort. Am ersten Beinpaar sind ihre Sinnesorgane. „Damit wedeln sie, um Duftstoffe aus der Umgebung wahrzunehmen.“ Kommt dann ein entsprechender Wirt, krabbelt sie einfach auf diesen über – oft wird das auch „Abstreifen“ der Zecke genannt.

900 Zeckenarten weltweit, in Deutschland gibt es 20

Zecken gehören zu den Spinnentieren, sie zählen nicht zu den Insekten. Etwa 900 Arten gibt es weltweit. In Deutschland gibt es 20, „wovon aber nur zwei wirklich gefährlich für den Menschen sein können“, sagt Strube. Der Holzbock und die Wiesenzecke. „Gefährlich sind diese Zeckenarten, weil sie sich in der Vegetation aufhalten und eben Krankheiten wie FSME oder Borreliose übertragen können.“

Findet man eine Zecke an sich, dann ist das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Holzbock. „Das ist ein echter Allrounder. Der sticht auch alle: Menschen, Hunde, andere Säugetiere und Vögel.“ Die Wiesenzecke findet man vor allem bei Hunden und Pferden. Die restlichen Arten sind auf Tiere wie Igel, Tauben oder Fledermäuse spezialisiert. „Die können auch den Menschen stechen, aber das kommt sehr selten vor“, so die Tierärztin.  

Warum gibt es Zecken – keine einfache Antwort

Eine „menschlich arrogante Frage“ findet sie die nach der Daseinsberechtigung von Zecken. Es gebe Tiere, wie eine bestimmte Erzwespe, für die Zecken überlebenswichtig seien. Denn deren Larven verspeisen Zecken. „Ihre Strategie ist einfach erfolgreich! Und: Sie tötet nicht. Sie kann zwar Krankheiten übertragen, aber das macht sie ja nicht mit Absicht.“ Blut sauge sie nur, um sich überhaupt weiterentwickeln zu können. 

Zeckenhochsaison: April bis Juni

Zecken gibt es schon seit 99 Millionen Jahren. Schon die Dinos hatten Zecken. Bis zum 120-fachen ihres eigenen Gewichts kann ein Holzbockweibchen trinken. Auch längere Durststrecken machen Holzböcken in der Regel nicht viel aus. Bis zu zwei Jahre überleben sie ohne Blutmahlzeit. „Wobei wir dann auch beobachten, dass sie deutlich weniger aktiv sind.“ Der typische Zecken-Peak ist im April bis Juni, aber auch davor und danach sind sie aktiv. 

Das weiß auch Anna, die auch im Herbst regelmäßig Zeckenstiche hat. Sie scheint bei Zecken besonders beliebt zu sein. „Ich hatte mal an einem Tag 22 Zecken“, sagt sie. Die 35-Jährige arbeitet in einem Waldkindergarten und ist berufsbedingt oft auf Wiesen und im Wald unterwegs. „Meine Kollegen ja auch, aber die haben vielleicht mal eine. Ich steche da schon raus. Ich habe ständig welche.“ 

Gibt es tatsächliche Wirte, die besonders beliebt sind?  „Ich glaube, dass es das gibt“, sagt Strube. „Das hat sicher etwas mit der Zusammensetzung der Duftstoffe zu tun“, sagt sie. Bei Hunden konnte man schon ähnliches beobachten.

Anna ist mittlerweile erprobt und zieht sich ihre Zecken ohne Hilfsmittel raus. „Einfach zwischen die Fingernägel und vorsichtig rausdrehen. Das funktioniert ganz gut bei mir“, sagt sie. 

Wie entfernt man eine Zecke richtig?

Wie man eine Zecke am besten herauszieht, sei jedem selbst überlassen. Dr. Heine macht es so: „Mit einer Pinzette so nah es geht an die Haut und dann die Zecke ganz vorsichtig und langsam mit einer leichten Drehbewegung herausziehen. Danach mit einer Lupe kontrollieren, ob man noch schwarze Punkte sieht. Und die dann auskratzen. Wie bei einem Splitter.“ Danach sollte die Stelle gut desinfiziert werden. 

Damit es gar nicht erst zu einem Stich kommt, rät er: „Die Hose in die Socken stecken. Am Ende ist es aber so: Entweder man hat Glück oder Pech.“

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