Vor der Bundestagswahl 2021

Emotionale Lebensgeschichten: Thomas Losse-Müller von der SPD auf Stimmenfang

Emotionale Lebensgeschichten: Thomas Losse-Müller von der SPD auf Stimmenfang

Thomas Losse-Müller von der SPD auf Stimmenfang

SHZ
Gettorf
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Hat noch acht Monate Zeit, seinen Bekanntheitsgrad zu steigern: Der SPD Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Thomas Losse-Müller, beim Wahlkampf in Gettorf. Foto: Marcus Dewanger

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Dass die SPD eine Woche vor der Wahl vorn liegt, liegt an dem bekannten und vertrauten
Spitzenkandidaten, sagen Wähler in Gettorf. Unterwegs mit jemandem, der genau das noch werden will.

„Die nimmt einen.“ Thomas Losse-Müller hat eine ältere Dame gesehen, die mit ihrem Rollator und gepackten Einkaufstaschen auf dem Marktplatz in Gettorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) auf den vor kurzem nominierten SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im nächsten Jahr zusteuert.

Doch sein Instinkt schient ihn getrogen zu haben. „Ich wähle nicht“, sagt die Frau und winkt ab, als Losse-Müller ihr ein SPD-Faltblatt in die Hand drücken will. Sie möchte an dem 47-Jährigen vorbei, aber dann bleibt sie doch stehen. „Für dich. SPD“, steht auf dem kleinen Button, den Losse-Müller an seinen Mantel geheftet hat. Und zuhören muss er jetzt tatsächlich.

Enttäuschte Stammwähler

Die fast 80-jährige Frau erzählt ihm von ihrem kranken Mann, von ihren fünf Kindern, die alle erwachsen sind und von denen viele soziale Berufe haben. „Ich war selber 30 Jahre lang Krankenschwester“, sagt die Frau. Jetzt pflegt sie ihren Mann zu Hause. Sie hat Mühe, alles unter einen Hut zu bringen: Pflege, Haushalt, Einkäufe, Arbeiten an ihrem Haus.

Ältere fühlen sich durch Digitalisierung abgehängt

Und sie fühlt sich abgekoppelt durch die Digitalisierung, für die sie sich zu alt fühlt. Deshalb ist sie enttäuscht von der Politik und auch von der SPD, die sie sonst immer gewählt habe. „Die haben alle nichts für uns gemacht.“

Losse-Müller hört sich das an und sagt dann: „Sie haben viel geleistet in Ihrem Leben.“ Die Frau nickt und greift zu ihrem Taschentuch. Losse-Müller versucht ihr zu erklären, dass die SPD sich stärker für Pflege einsetzen wird und für eine bessere Versorgung der Menschen im Alter. Er sagt ihr, dass seine Partei auf dem Land wieder Gemeindeschwestern installieren wolle, die allen, die Unterstützung brauchen, unbürokratisch und wohnortnah helfen.

Doch die Frau will das gar nicht so genau wissen. „Es ist gut, dass einem mal jemand zuhört“, sagt sie nur und steckt dann doch den SPD-Flyer ein. Sie weiß nicht, wer der Mann ist, aber sie legt am Ende ihre Hand auf seine und sagt: „Ich wähle Sie ja doch.“

Fester Glaube an den Sieg

Losse-Müller könnte jetzt lächeln. Er hat eine enttäuschte Wählerin für die SPD zurückgewonnen. Doch der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl bleibt ernst. „Solche Leute haben wir in der Vergangenheit viele verloren.“


Schwieriger Wahlkampf in Zeiten von Corona

Lange schien es so, als habe die SPD in diesem Wahlkampf nicht nur ihre Stammwähler, sondern schon alles verloren. Neben Losse-Müller steht die Landesvorsitzende Serpil Midyatli, die seit fast zehn Jahren in Gettorf wohnt und hier quasi ein Heimspiel hat. „Ganz ehrlich: Im Juni hatte ich schon arge Bedenken“, sagt sie und senkt den Kopf. Damals stand die SPD stabil bei 15 Prozent. „Ich habe mich immer gefragt: Wann geht denn endlich der Wahlkampf los?“, sagt Midyatli. Aber durch Corona und die Flut sei das lange nicht möglich gewesen.

Ein paar Monate später steht die SPD plötzlich ganz anders da: Sie führt die Umfragen an. Das, was auch viele Sozialdemokraten noch vor ein paar Monaten für unmöglich gehalten haben, glauben jetzt auch viele Wähler, die am Wahlstand von Losse-Müller und Midyatli vorbeigehen. „Ich will doch nicht, dass dieses Männchen Kanzler wird“, sagt eine ältere Dame. Sie meint damit CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet. Sie habe SPD und deren Kandidaten Olaf Scholz gewählt.

Spitzenkandidat ist erst seit kurzem Genosse

Losse-Müller muss lächeln, als er das hört. Er selbst habe lange mit einer schwarz-grünen Koalition im Bund gerechnet, gibt der Mann zu, der erst ein paar Monate SPD-Mitglied ist und lange Jahre selbst den Grünen angehört hat. Doch nun sei Scholz’ Kanzlerschaft in greifbare Nähe gerückt. „Die Genossen sind super motiviert“, sagt Midyatli. Denn sie glauben an ihren Erfolg. Vielleicht ist das ein Vorteil auf den letzten Metern im Wahlkampf. Ob es aber wirklich reicht, das weiß auch ein Stratege wie Losse-Müller nicht, der einst die Staatskanzlei von SPD-Ministerpräsident Torsten Albig leitete.

Er weiß allerdings, dass Umfragen nicht unbedingt präzise sind und es solch eine Konstellation eine Woche vor der Bundestagswahl noch nie gegeben hat. Deshalb verteilt er weiter Flyer.


„Ich konnte das früher ganz gut“, sagt er. Damit meint er, dass er es den Leuten ansehen kann, ob sie ein Faltblatt nehmen oder nicht. An diesem Tag liegt er zu 80 Prozent richtig mit seinen Prognosen. Und erstaunlich viele Menschen greifen zu.

Schnelle Reaktionen auf Nachfragen

Und dann kommt tatsächlich auch noch die Dame mit dem Rollator zurück, der Losse-Müller zuvor lange zugehört hat. Sie weiß jetzt, dass er der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl im Mai ist. „Aber ich vergesse so leicht Namen“, sagt sie. „Ich bin Thomas Losse-Müller, ich schreibe ihnen mal meinen Namen auf“, sagt er und geht zum Wahlkampfstand, um einen Kugelschreiber zu holen.

„Thomas Losse-wer?“, fragt die Frau. Doch Losse-Müller ist schnell zurück und drückt ihr das rote Faltblatt mit dem Konterfei von Olaf Scholz in die Hand, auf der er seinen Namen und seine Telefonnummer notiert hat. „Rufen Sie mich gerne an“, sagt er zum Abschied zu der Frau, die fröhlich von dannen zieht.

Manchmal kann es so leicht sein, Wähler zu gewinnen.

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