Medizinische Versorgung

Darum verbringt eine Sylter Ärztin Weihnachten und Silvester in Flüchtlingscamps

Sylter Ärztin verbringt Weihnachten in Flüchtlingscamps

Sylter Ärztin verbringt Weihnachten in Flüchtlingscamps

Lisa Bohlander/shz.de
Sylt
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Ärztin Charlotte Aldinger (31) arbeitet seit Juli in der Nordseeklinik auf Sylt. Anfang Dezember fliegt sie nach Griechenland, um die Menschen in Flüchtlingscamps medizinisch zu versorgen. Foto: Lisa Bohlander/shz.de

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Die „German Doctors“ helfen dort, wo die medizinische Versorgung bröckelt. Nun ist die Sylter Ärztin Charlotte Aldinger dabei und behandelt Menschen in griechischen Flüchtlingscamps.

Mal eben zum Arzt die Grippeimpfung abholen, den Husten abhören lassen, eine Meinung zum schmerzenden Rücken einholen. Was für uns selbstverständlich ist, davon können viele Menschen auf der Welt nur träumen. Auch die Geflüchteten in Griechenland: Für ihre Gesundheit sind unter anderem die „German Doctors“ da, eine gemeinnützige Organisation. Sie sind dort, wo es am Nötigsten fehlt.

Zu den „German Doctors“ zählt ab Dezember auch Charlotte Aldinger. Die 31-Jährige ist studierte Ärztin und macht derzeit ihren Facharzt. Für ein Jahr arbeitet sie dafür in der Notaufnahme der Nordseeklinik auf Sylt. „Wenn man Medizin studiert, überlegt man sich ja, warum man das macht“, erzählt Aldinger. „Es ist schon so, dass ich gerne Kontakt zu Menschen habe und mit Menschen arbeite. Es macht einfach Spaß, wenn man sein Wissen sinnvoll einbringen kann.“

Sie reizte vor allem die Arbeit im Ausland – mal eine andere Arbeit als in Deutschland kennenzulernen. „Ich wollte mich jetzt mal auf anderes Territorium wagen. Eigentlich war es schon immer mein Ziel, da zu arbeiten, wo die Basismedizin nicht gewährleistet ist.“ So wie aktuell in Griechenland. Ein Land in der Krise, in das zusätzlich viele Menschen kommen. So viele, dass nicht alle so versorgt werden können, wie es ihnen zusteht.

„Jeder Mensch hat das Recht auf seine Gesundheit. Das wird nicht damit verwirkt, ob er einen Asylbescheid hat oder nicht, wo er hinkommt und wo er hingeht.“ Zu ihrer Arbeit als Ärztin sagt Aldinger: „Es ist nicht unsere Aufgabe, darüber zu urteilen. Es ist wichtig, dass man das vom menschlichen Aspekt her sieht. Jeder Mensch hat ein Recht auf medizinische Basisversorgung.“

Unter anderem deshalb entschied sie sich dazu, sich bei den „German Doctors“ zu engagieren. Der Verein, gegründet 1983 in Frankfurt am Main, sorgt für eine grundlegende medizinische Versorgung in strukturschwachen Gegenden, vor allem im globalen Süden. Neben Projekten auf den Philippinen, in Kenia und Indien sind die „German Doctors“ seit Anfang 2021 auch in Griechenland tätig. Sie arbeiten stets mit lokalen Partnern vor Ort zusammen, etwa mit der „Association for Social Support of Youth“ (Arsis).

Von Sylt nach Griechenland: Einsatz über Weihnachten und Silvester

Anders als bei anderen Organisationen, bei denen die Einsätze oft in Krisengebieten, deutlich länger und teils bezahlt sind, dauert Aldingers Einsatz sechs Wochen und ist ehrenamtlich. Dafür hat sie sich von der Nordseeklinik freistellen lassen. Am 3. Dezember geht es für sie nach Thessaloniki – über Weihnachten und Silvester.

„Ich gehe an die Sache relativ pragmatisch ran, ich habe ja jetzt schon etwas Berufserfahrung“, ist die gebürtige Bremerin zuversichtlich. „Ich freue mich einfach auf die Menschen und auf die Arbeit, die sinnvoll ist und einem wahrscheinlich viel abverlangt. Ich hoffe, dass mir die anderen Ärzte helfen, mit den Herausforderungen vor Ort bezüglich der Organisation, aber auch der Gesundheitsfürsorge umzugehen und es für die Patienten zufriedenstellend zu lösen.“

Vorbereitet hat sie sich mit zwei Seminaren zum Projekt und zu Tropenkrankheiten, zusätzlich sind mehrere Sicherheitskurse vorgeschrieben. Die Aufgaben der jungen Ärztin: Patienten in der Sprechstunde versorgen, impfen, Schuluntersuchungen durchführen, Präventionsarbeit und Gesundheitsaufklärung. In Griechenland sind stets zwei Mediziner im Einsatz – einer mit mehr (German Doctors-)Erfahrung, einer mit weniger. Zudem überschneiden sich die Einsätze zur Einarbeitung. Die Ärzte teilen sich eine Wohnung. Die größte Herausforderung für Charlotte Aldinger, die Humanmedizin in Kiel studiert hat:

Ihr Vertrauen trotz Sprachbarriere zu gewinnen, das sei eine Hürde. Voraussetzung sind Englischkenntnisse – die meisten Patienten sprechen aber Farsi oder Arabisch. Dafür seien Übersetzer vor Ort. „Die körperlichen Beschwerden kann man in der Regel gut einschätzen, anders als die seelische Belastung“ – so haben es ihr erfahrene „German Doctors“ berichtet. Erfahrungen aus ihrer Zeit an einem Hamburger Krankenhaus und als Internistin aus der Notaufnahme auf Sylt bringt Aldinger mit – auch wenn sie sich später auf die Anästhesie, also Narkosemedizin, spezialisieren möchte.

Aldinger beschäftigt vor allem die abstrakte Situation, dass uns die Geflüchteten in Deutschland nicht direkt betreffen – dabei sind sie in Europa, vor unserer Haustür. „Wenn man jemandem ein bisschen helfen konnte und Freude bringen konnte, dann reicht das eigentlich schon“, sagt sie. Deswegen will sie gegen dieses Unrecht selber tätig werden. „Wenn man etwas tut, verändert man ja schon etwas Kleines – hoffentlich. Jedes Leben ist gleich wertvoll und hat keine Wertung. So sollte es zumindest in meinen Augen sein.“

Spenden für die „German Doctors“ sind möglich an das Konto mit der IBAN DE26 5502 0500 4000 8000 20, Stichwort: Gesundheit schenken. Weitere Informationen unter www.german-doctors.de.

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