Nordfriesland

Darum sind Frauen in der Politik noch immer eine Minderheit

Darum sind Frauen in der Politik noch immer eine Minderheit

Darum sind Frauen in der Politik noch immer eine Minderheit

Nils Leifeld/shz.de
Husum
Zuletzt aktualisiert um:
Eine Sondersitzung des Kreistags Nordfriesland zur Marschbahn. Viele Frauen sieht man nicht im Husumer Kreistag. Foto: Markus Scholz/dpa/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Am 14. Mai wählen die Schleswig-Holsteiner ihre neuen Gemeinde- und Kreisvertretungen. Nach der letzten Kommunalwahl 2018 machten Frauen in Nordfriesland lediglich 28,6 Prozent des Kreistages aus. Woran liegt das? Und was muss sich ändern, um me...

Wenn die Nordfriesen am 14. Mai wieder in die Wahlkabinen gehen, um ihre Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordneten für die nächsten fünf Jahre zu wählen, werden bei der Wahl die Frauen am Ende wieder deutlich schlechter abschneiden als ihre männlichen Kollegen - zumindest zahlenmäßig. Aber warum ist das eigentlich so? Warum sind Frauen in der Kommunalpolitik von Nordfriesland noch immer so unterrepräsentiert? Shz.de hat sich im Kreis umgehört. Auf der Suche nach Antworten.

Frauen im Husumer Kreistag unterrepräsentiert

Aktuell machen Frauen in den Stadt- und Gemeinderäten in Nordfriesland lediglich 22,5 Prozent aus. Im Kreistag sind immerhin 28,6 Prozent der Abgeordneten Frauen. Besonders unterrepräsentiert sind Frauen im Amt Südtondern. Dort finden sich unter den 30 Bürgermeistern der Städte und Gemeinden lediglich drei Frauen: Sandra Lorenzen (Lexgaard), Christine Harksen (Aventoft) und Rosemarie Lorenzen (Bramstedtlund). Wie kann das sein?

Den Versuch einer Erklärung unternimmt Simone Ehler, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Nordfriesland: „Nach wie vor engagieren sich in der traditionellen Rollenverteilung Frauen eher in sozialen Bereichen und die Männer im politischen Ehrenamt. Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt stellt Frauen vor große Herausforderungen.“ Als Beispiel führt Ehler die Länge und Zeiten der Sitzungen an, die kaum planbar und von der Tageszeit her meist auch familienunfreundlich seien. Auch die Kinderbetreuung sei nach wie vor noch ausbaufähig, sagt die Gleichstellungsbeauftragte.

Kommunalpolitik in NF: familienunfreundliche Zeiten

Sie macht sich dafür stark, dass die Listenplätze der Frauen aussichtsreicher sein müssen. „Die Parteien haben mittlerweile gemerkt, dass sie mehr Ansprache in Richtung Frauen brauchen. Wir Gleichstellungsbeauftragten bieten dazu verschiedene Programme an, um interessierte Frauen parteiübergreifend zu vernetzen.“ Für April sei aus diesem Zweck eine Ausstellung im Kreishaus geplant, für die aktive Politikerinnen porträtiert worden sind und über ihre Zeit in der Kommunalpolitik berichten. Am 22. April findet die Ausstellung „Wir mischen mit“ ihren Abschluss.

Wie es gehen kann, also wie eine Frau sowohl auf Gemeinde- als auch Kreisebene politisch mitmischen kann, beweist Gritje Stöver aus Keitum auf Sylt. Sie ist nicht nur Ortsbeiratsvorsitzende von Keitum, sondern will am 14. Mai auch in den Kreistag einziehen. Als einzige Frau ist sie eine von drei Kandidaten der Sylter CDU für die Kreistagswahl.

Sylterin will in den Kreistag

„Ich bin durch das Bürgerbeteiligungsprojekt Keitum im Dialog in die Kommunalpolitik gekommen. Da war mir schnell klar, dass es nicht ausreicht, nur schlaue Ideen zu entwickeln, sondern dass man sie auch bis zu ihrer Umsetzung politisch begleiten muss. Für mich ist Politik ein Ehrenamt, in dem man sich für die Gemeinschaft einsetzt und aus Ideen Projekte werden lässt oder auch unerwünschten Entwicklungen entgegenwirkt“, sagt Gritje Stöver (46).

Was man als Frau mitbringen muss, um kommunalpolitisch durchzustarten? „Auf jeden Fall Mut, Leistungsbereitschaft – vielleicht ein bisschen mehr als die Männer – und Durchsetzungsstärke. Außerdem muss man weibliche Vorbilder haben. Wenn man sieht, wie die das hinkriegen, macht es Mut, es selbst auch zu machen.“ Als ein großes Problem betrachtet Stöver die oftmals mangelnde Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischem Ehrenamt bei Frauen. „Ohne die Unterstützung der Familie ist es für Frauen oftmals nicht möglich, sich politisch zu engagieren. Hier müssen wirklich Lösungen gefunden werden.“ Hilfestellung leisten könnte dort die zunehmende Digitalisierung im politischen Betrieb, durch die immer mehr Veranstaltungen auch digital von zu Hause am Bildschirm verfolgt werden können.

Kritisch betrachtet Stöver hingegen die Parität. Als Parität wird in der Politik ein gleichmäßiges Verhältnis von Männern und Frauen in einem Gremium bezeichnet. „Ich sehe die Parität nicht als Karriere-Booster, sondern als Schutzschild für die Frauen, die sich sonst nicht in die raue Arena der Politik wagen“, sagt Stöver. „Es wäre schön, wenn wir das irgendwann nicht mehr bräuchten. Posten sollten nach Qualität und Leistung vergeben werden, nicht nach Geschlecht.“

Relativ viele Frauen in der Politik im Amt Nordsee-Treene

Dass es auch anders gehen kann, als der Trend, beweist nicht nur das Beispiel Gritje Stöver, sondern auch das Amt Nordsee-Treene. Dort sind zehn von 28 Bürgermeisterposten in weiblicher Hand. Das sind immerhin fast 36 Prozent (exakt 35,7 Prozent). Dazu hat der größte Ort Friedrichstadt eine Bürgermeisterin und es gibt mit Eva-Maria Kühl auch eine starke Frau als Amtsvorsteherin. Was läuft im Amt Nordsee-Treene anders als beispielsweise in Südtondern?

„Auch wenn ich die starke Repräsentanz von Frauen in der Politik bei uns im Amt sehr begrüße, habe ich keine pauschale Erklärung dafür“, sagt Kirsten Schöttler-Martin, Gleichstellungsbeauftragte im Amt Nordsee-Treene. Es hänge immer von den Personen und Menschen in den jeweiligen Gemeinden ab und sei daher stets eine sehr individuelle Geschichte. „Dass wir anteilsmäßig so viele Frauen bei uns in politischer Verantwortung haben, finde ich nicht nur klasse, sondern auch sehr wichtig, da Frauen eine andere Perspektive in die Gremien miteinbringen, vor allem in sozialen Fragen und bei klassischen Frauen-Themenbereichen.“

Weiterlesen: Bürgermeisterin über Ockholm: Idylle, Zusammenhalt und Tourismus

Ihre ganz besondere Perspektive eingebracht hat Claudia Weinbrandt in Ockholm. In der 360-Seelen-Gemeinde ist sie seit 1994 Bürgermeisterin, tritt nun zur Kommunalwahl aber nicht mehr an. Nach fast 30 Jahren ist Schluss. „Ich bin dann 66, in dem Alter gehen andere in Rente, dann sind die Jüngeren mal dran“, sagt Weinbrandt. Worauf es ihrer Meinung nach als Frau in der Kommunalpolitik ankommt? „Man braucht schon eine gewisse Durchsetzungskraft und vor allem Neugierde, Interesse und den Willen, Dinge zu gestalten. Zum Glück kann man gerade in so kleinen Gemeinden wie Ockholm noch sehr viel verändern.“ Probleme, weil sie eine Frau in der Politik ist, habe sie nie gehabt.

„Das lag auch daran, dass wir immer mindestens zwei, teilweise sogar drei Frauen in der Gemeindevertretung waren. Ich war also nie alleine.“ Und Probleme, Politik, Arbeit und Familie unter einen Hut zu kriegen, habe sie auch nie gehabt. „Ich hatte 1994 zwei kleine Kinder, habe aber nur an zwei Vormittagen die Woche gearbeitet, sodass ich nie Probleme hatte, genug Zeit zu finden für die Politik.“ Ob sie sich in Nordfriesland mehr Frauen in der Politik wünscht? „Unbedingt. Es gibt so viele Themen, bei denen Frauen einen ganz anderen Blick haben als die Männer. Dieser Blick und diese Perspektive müssen unbedingt gehört werden und dürfen nicht zu kurz kommen.“

Mehr lesen