Schleswig-Holstein

Containern: Landesregierung streitet über Straffreiheit

Containern: Landesregierung streitet über Straffreiheit

Containern: Landesregierung streitet über Straffreiheit

Kay Müller/shz.de
Kiel/Berlin
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Noch ist das sogenannte „Containern“ in Schleswig-Holstein nicht straffrei. Foto: Sven Ellger/Imago/shz.de

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Unter dem Vorsitz von Schleswig-Holstein beraten die Amtschefs der Agrarministerien der Länder am Mittwoch über das Containern. Die Ampel-Regierung in Berlin will es teilweise straffrei stellen, wenn Menschen Lebensmittel aus Abfallbehältern holen.

Es ist eine unfassbare Zahl: Rund elf Millionen Tonnen noch genießbare Lebensmittel landen pro Jahr im Müll. „Das ist zu viel zu viel“, sagt der justizpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marc Timmer. Er unterstützt den Vorstoß der Bundesregierung, das so genannte Containern zu entkriminalisieren, sofern kein Hausfriedensbruch oder eine Sachbeschädigung beispielsweise durch Aufbrechen eines Schlosses vorliegt. Einen entsprechenden Vorschlag hatten Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) den Ländern gemacht. Die Amtschefs der Agrarminister wollen darüber an diesem Donnerstag und Freitag unter dem Vorsitz von Schleswig-Holstein in Berlin beraten. „Die schwarz-grüne Landesregierung sollte rasch prüfen, inwiefern das Containern in Schleswig-Holstein straffrei werden kann.“

Doch zwischen CDU und Grünen herrscht Uneinigkeit darüber, wie man mit dem Vorstoß der Minister umgehen soll, die einen Vorschlag aus Hamburg aufgreifen. Demnach soll derjenige straffrei ausgehen, der Lebensmittel mitnimmt, die frei zugänglich sind. In der Regel sind aber die Müllcontainern von Supermärkten und Restaurants verschlossen. Wer die aufbricht, muss weiter mit Strafen rechnen.

SPD will, dass die Landesregierung handelt

„Die Betroffenen handeln oft aus Not oder aus Gründen einer nachhaltigen Lebensweise oder um auf Verschwendung hinzuweisen“, sagt Timmer. „Eine Verurteilung – mag die Strafe meistens sehr milde sein – kann im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen. Denn die Kosten des Verfahrens sind vom Betroffenen zu tragen.“

Das sehen die Grünen ähnlich. „Wir unterstützen den Vorschlag aus Hamburg“, sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Jan Kürschner. „Sinnvoll wäre außerdem, die Supermärkte nach französischem oder tschechischem Vorbild zur Abgabe von Lebensmitteln an Tafeln und karitative Einrichtungen zu verpflichten.“ Dafür gebe es zahlreiche Vorschläge. „Diejenigen, die jeden Vorschlag ablehnen, sollten erklären, wie sie das Problem stattdessen lösen wollen.“

CDU hält neue Regelungen für unnötig

Damit darf sich CDU-Politikerin Kerstin von der Decken angesprochen fühlen, die sich zwar gegen das Verschwenden von Lebensmitteln ausspricht. Der Sprecher der Justizministerin, Oliver Breuer, sagt aber auch: „Im Zusammenhang mit dem Containern von Lebensmitteln bietet das Strafverfahrensrecht flexible Möglichkeiten, um von einer Strafverfolgung abzusehen.“ In Schleswig-Holstein seien bisher nur vereinzelt Fälle des Containerns bekannt geworden. „Bundeseinheitlicher Vorgaben für die Strafverfolgungspraxis bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.“ 

Von der Deckens Parteifreundin Anette Röttger wird noch deutlicher: „Mit dem Aufschlag der beiden Bundesminister macht sich die Ampel in Berlin einen schlanken Fuß, indem sie die Verantwortung einfach an die Länder delegiert. Für ein straffreies Mitnehmen, muss nach wie vor die Frage des Haftungsrisikos restlos geklärt sein.“

Das sieht der Jurist Bernd Buchholz von der FDP anders: „Der Vorschlag des Bundes ist sinnvoll und sollte von der schleswig-holsteinischen Justizministerin unterstützt werden. Wer weder Hausfriedensbruch noch Sachbeschädigung beim Containern begeht, sollte nicht dafür bestraft werden, dass er weggeworfene Lebensmittel mit nach Hause nimmt.“

Ähnlich argumentiert der SSW, der die Landesregierung schon 2020 erfolglos aufgefordert hatte, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, um das Containern straffrei zu stellen. „Insofern begrüßen wir sehr, dass der Bund jetzt selbst in die Puschen kommt“, sagt der Abgeordnete Christian Dirschauer, der einheitliche Verwaltungsvorschriften aller Länder verlangt. „Es wäre ja niemandem zu vermitteln, wenn Containern in Hamburg erlaubt ist, aber in Geesthacht werde ich dafür strafrechtlich verfolgt.“

Wenn nun die Agrarministerkonferenz tagt, werden Amtschefs verschiedener Parteien am Tisch sitzen. Und wenn überhaupt, hat deren Beschluss einen „empfehlenden Charakter“, wie es aus dem Landwirtschaftsministerium in Kiel heißt. Denn: „Es gilt das Einstimmigkeitsprinzip.“

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