Sorgen wegen Energiekrise

Bedarf an Brennholz in Schleswig-Holstein steigt stark an

Bedarf an Brennholz in Schleswig-Holstein steigt stark an

Bedarf an Brennholz in Schleswig-Holstein steigt stark an

Kay Müller
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Seit November liegen diese Stämme, die Bennet Ladewig auf seinen Harvester lädt, im Wald. Jetzt werden sie für den Verkauf bereit gelegt. Foto: Michael Staudt/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Wie die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten versuchen, genug Holz für alle Privatkunden aus den Wäldern zu holen.

Mit schier unbändiger Kraft bahnt sich der Harvester seinen Weg durch das Schönhorster Gehege (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Mit wenigen Handbewegungen gelingt es Maschinenführer Bennet Ladewig, den schwankenden Koloss über den morastigen Waldboden an die richtige Stelle zu manövrieren und die Stämme, die Forstwirte schon im November per Hand gefällt haben, mit seinem Greifer auf den auf Ketten ruhenden Anhänger zu laden. Und schon ein paar Minuten später hat Ladewigs grüne Maschine die kostbare Fracht an den Rand eines Waldweges gebracht.

„Das Holz ist längst reserviert“, sagt der Bordesholmer Revierförster Jörn Winter, der mit seinen schweren Stiefeln schon knöcheltief in den matschigen Furchen steht, die der Harvester hinterlassen hat. In diesem Jahr hat der 56-Jährige schon im Sommer, und damit ungewöhnlich früh die ersten Anfragen seiner Stammkunden gehabt, die oft mit Motorsägen bewaffnet, das von ihnen gekaufte Holz am Wegesrand in handliche Stücke zersägen und abtransportieren. „Bei uns darf keiner ohne Motorsägenführerschein sägen“, sagt Winter und deutet auf einen Holzstapel, der schon etwas länger am Wegesrand liegt. „Das Holz ist schon fast ein Jahr abgelagert, aber bevor man es verbrennen darf, muss es mindestens noch ein Jahr zu Hause im Schuppen trocknen.“

Frisch geschlagenes Holz darf erst in zwei Jahren verfeuert werden

Denn alles, was die Schleswig-Holsteiner jetzt aus dem Wald holen, um ihre Wohnzimmer zu heizen, wird in diesem Winter, in dem viele Menschen sich Sorgen um die Versorgung mit Gas und Öl machen, gar nicht zum Einsatz kommen. „Aber ich habe eben viele Anrufe von Leuten, die sich Sorgen um die Zukunft machen. Einer wollte schon Holz für die kommenden Saison bestellen“, sagt Winter, der jetzt doppelt so viele Kunden als im vergangenen Jahr hat.

Stammkunden legen größere Vorräte an

„Wir müssen die Leute immer beruhigen und ihnen erklären, dass genug Holz da ist“, sagt Thies Mordhorst, der bei den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten für den Holzverkauf zuständig ist. Aber dennoch hat er die Brennholzstrategie mitgestaltet, mit der die Landesforsten in den Winter gehen. „Damit alle auch etwas abbekommen, haben wir die Höchstabgabemenge auf 20 Raummeter begrenzt“, sagt Mordhorst – also 20 Mal einen Kubikmeter, inklusive der Luft dazwischen. „Das ist eben der Unterschied zum Festmeter.“

Der Durchschnittskunde nehme in etwa die Hälfte ab, sagt Jörn Winter, der am liebsten aber an Kunden verkauft, die sich zusammenschließen. „Mancher, der früher vielleicht zwei Raummeter gekauft hat, nimmt jetzt lieber drei oder vier.“ Und Thies Mordhorst sagt: „Man kann manchmal schon den Eindruck gewinnen, dass gehamstert wird.“

Jörn Winter stapft derweil weiter durch den Wald, von dem Teile für Spaziergänger wegen der Arbeiten gesperrt sind. Seit 2009 leitet er das Revier, und hat in dieser Zeit noch nie so einen Run auf Brennholz erlebt. Dabei hat er es auch mit „anspruchsvolleren Kunden“ zu tun, die gern mal jeden Tag anrufen, um nach weiteren Holzmengen zu fragen. Dabei sei das gar nicht nötig (siehe Kasten). „Bei mir rufen auch Leute an, die schon getrocknetes Holz haben wollen, aber das haben wir genauso wenig im Angebot wie Sammelscheine, die dazu berechtigen, sich selbst im Wald ein paar Äste zu holen.“ Denn die müssten schon aus ökologischen Gründen auf dem Boden liegen bleiben, sagt der Förster.

„Überhaupt können wir die verkaufte Holzmenge nur erhöhen, weil wir jetzt Waldpflege in den jüngeren Beständen nachholen“, erklärt Mordhorst und deutet auf einen geraden Baum, der zwischen zwei krummen steht. „Den werden wir stehen lassen, die beiden anderen, so genannten Bedränger, könnten wir wegnehmen und als Brennholz verkaufen.“ Allerdings sei auch klar, dass hochwertiges Holz zunächst an Sägewerke gehe. Erst kommen also die Möbel, dann die Öfen.

Hochwertiges Holz geht nach wie vor zuerst in die Sägewerke

Für Mordhorst ist aber auch klar, dass die Landesforsten nicht mehr Holz verkaufen als er ökologisch vertreten kann. „Wir haben trotz der erhöhten Verkaufsmengen immer noch eine Netto-Zunahme an Waldbestand in Schleswig-Holstein.“ Und eines sei auch klar: „Wir betreiben keinen Raubbau in den Wäldern, nur weil es eine Energiekrise gibt.“

Zudem gibt es ja kein Verbrennen von Holz ohne schädliche Abgase, auch wenn Winter darauf hinweist, dass es sich im Gegensatz zu Öl um einen regionalen und schnell nachwachsenden Rohstoff handelt. „In der Wachstumszeit kommt jede Sekunde ein Schuhkarton voll Holz in allen Wäldern Schleswig-Holsteins zusammen dazu“, sagt Winter.

Wer jetzt bestellt, bekommt auch erst bei Lieferung im kommenden Jahr den gedeckelten Preis

Ihm ist beim Holzverkauf vor allem eines wichtig: „Wir wollen den Menschen nicht das Geld aus der Tasche ziehen, sondern dafür sorgen, dass die Wohnzimmer warm werden.“

Deshalb hätten die Landesforsten trotz der Holzknappheit und der mehr als doppelt so hohen Nachfrage den Preis pro Raummeter nur um fünf Euro erhöht und je nach Brennwert bis Jahresende zwischen 35 und 45 Euro gedeckelt. Selbst wer jetzt einen Holzvorrat bestelle, zahle bis zum Ende der Saison diesen Preis, auch wenn das Holz vielleicht erst im kommenden Jahr abholbereit sei, erklärt Winter.

Holzhändler drehen an der Preisspirale

„Mit diesen Preisen arbeiten wir kostendeckend“, sagt Mordhorst, weil er alles an Brennholz los wird und nicht wie in den vergangenen Jahren an die Industrie zu günstigeren Preisen verkaufen muss. Aber Mordhorst gibt auch zu, dass manche Holzhändler ihre Preise schon arg nach oben geschraubt haben, wenn er auch das Wort „Kriegsgewinnler“ nicht in den Mund nimmt.

Doch auch die gedeckelten Preise bei den Landesforsten sind manchen Kunden offenbar zu teuer. Dass man wie gerade erst in zwei Fällen, Holzdiebe auf frischer Tat gestellt und angezeigt habe, sei schon ungewöhnlich, sagt Mordhorst. Die Landesforsten arbeiten sogar mit GPS-Trackern, mit denen sie verfolgen können, wenn ein Holzstapel illegal entfernt wird. „Klauen lohnt sich nicht“, sagt Mordhorst. Er sagt aber auch: „Nicht jeder Holzdiebstahl fällt sofort auf.“ Und das auch, weil viele Kunden meist ein paar Wochen nach dem Kauf bräuchten, um das Holz aus dem Wald zu holen. „Und ich hatte jetzt schon mehrfach Anrufe von Kunden, die gesagt haben: ,Hier fehlen aber ein paar Raummeter‘“, erzählt Winter. In dem Fall hat der Kunde das Nachsehen.

Das könnte in diesem Winter auch den Leuten blühen, die nicht bald Holz bei den 32 Förstereien im Land bestellen – und sogar denen, die schon reserviert haben. „Wenn das Wetter im Herbst und Winter zu nass ist, können wir kein Holz aus dem Wald holen“, sagt Jörn Winter und schaut auf seine dreckigen Stiefel. Denn dann kommt selbst der schwere Harvester mit Bennet Ladewig am Steuer nicht mehr voran.

Mehr lesen