RS-Viren in Flensburg

Ärzte und Pfleger am Limit: Vier Kinder in der Diako auf der Intensivstation

Ärzte und Pfleger am Limit: Vier Kinder in der Diako auf der Intensivstation

Vier Kinder in der Diako auf der Intensivstation

SHZ
Flensburg
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In den vergangenen Tagen sind ungewöhnlich viele Kinder mit Atemwegs-Beschwerden in der Diako aufgenommen worden. Foto: Gunnar Dommasch/shz.de

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Das Virus kann für Kleinkinder mit Risikofaktoren lebensbedrohlich sein. Was Chefarzt Dr. Michael Dördelmann Flensburger Eltern jetzt rät.

Dr. Michael Dördelmann hat seit mehr als einer Woche praktisch keine Zeit, sich umzuhören, wie die Lage an anderen Krankenhäusern ist. „Wir fahren hier täglich 12- bis 14-Stunden-Schichten“, sagt Chefarzt der Kinderklinik in der Flensburger Diako.

Er und seine Kollegen sind am Limit. Derzeit behandeln sie neun kleine Kinder, die sich mit dem RS-Virus angesteckt haben, dem Respiratorischen Synzytial-Virus. Vier dieser Kinder müssen intensivmedizinisch betreut werden.

„Das ist in dieser Häufung schon sehr ungewöhnlich“, sagt Dördelmann. Das Virus ist hochansteckend, und es kommt immer wieder vor, dass in der Erkältungssaison ein Baby oder Kleinkind ins Krankenhaus muss, weil es Probleme mit der Atmung hat oder wegen der Infektion nicht mehr richtig trinken kann. Manche Kinder müssen zehn Tage in der Klinik bleiben.

Kinder unter 2 Jahren gefährdet

„Insbesondere Frühgeborene und Kinder mit schweren Lungen- oder Herzerkrankungen sind gefährdet“, sagt Dördelmann. Für sie könne die RS-Infektion lebensbedrohlich sein. Auch können Kinder noch lange mit den Folgen zu kämpfen haben.

Schwere Verläufe treten in erster Linie bei Kindern auf, die jünger als zwei Jahre sind.

Auch in anderen Teilen Schleswig-Holsteins sind ungewöhnlich viele Kinder mit RS-Infektionen im Krankenhaus. Flensburg gilt derzeit aber als landesweiter Hotspot. „Wir haben schon vor zwei Wochen eine Taskforce gebildet“, sagt Dördelmann. „Zu dem Zeitpunkt gab es Fälle in Rendsburg und Kiel, aber bei uns war es noch ruhig.“ Kurz danach begann der rasante Anstieg der Fallzahlen in Flensburg.

Warum sich die Lage in Flensburg jetzt so zugespitzt hat, ist unklar. Möglich ist aber, dass das Virus sich nicht nur aus den südlichen Landesteilen an die Förde ausgebreitet hat, sondern auch aus Dänemark. Im Krankenhaus in Apenrade (Sygehus Sønderjylland) wurden schon vor zwei Wochen zehn Kinder mit RS-Infektion behandelt.

RS-Virus weltweit auf dem Vormarsch

Das Virus ist weltweit auf dem Vormarsch. Fachleute vermuten, dass während der Phasen des Corona-Lockdowns sich keine ausreichende Herdenimmunität bilden konnte. „Eine Impfung gibt es nicht“, sagt Dördelmann, „obwohl seit Jahrzehnten daran geforscht wird.“

Auch wenn das Virus potenziell gefährlich ist: Der Flensburger Chefarzt hält nichts davon, kleine Kinder jetzt aus Vorsicht von der Außenwelt abzuschirmen. „Der Kontakt zu Gleichaltrigen ist wichtiger als der Schutz vor diesem Erreger, mit dem sich die Kinder, wenn nicht jetzt, dann in ein oder zwei Jahren sowieso anstecken.“

Die RS-Viren gehören zur großen Zahl von Erregern, mit dem sich praktisch jedes kleine Kind irgendwann ansteckt. Eine dauerhafte Immunität gibt es dabei nicht. Spätere Infektionen fallen allerdings in der Regel deutlich harmloser aus als die erste, erläutert Dördelmann.

Antikörper-Therapie für Risiko-Kinder

Auch wenn es keine Impfung gibt: Kinder mit besonderen Risikofaktoren kann man zusätzlich schützen – indem man ihnen während der Erkältungssaison, also im gesamten Winterhalbjahr – einmal monatlich Antikörper spritzt. „Das müssen die Eltern der betroffenen Kinder dann mit ihrem Kinderarzt besprechen“, empfiehlt Dördelmann.

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