Flensburg

Abholzungen am Ostseebad und in Wassersleben: Kahlschlag oder Waldpflege?

Abholzungen am Ostseebad und in Wassersleben: Kahlschlag oder Waldpflege?

Massive Abholzungen am Ostseebad und in Wassersleben

Gunnar Dommasch/shz.de
Flensburg
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Im Wald entlang des Ostseebades bis nach Wassersleben bei Flensburg wurde ganze Arbeit geleistet: Zahlreiche Bäume wurden gefällt. Foto: Gunnar Dommasch/shz.de

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Zahlreiche Bäume mussten am Ostseebad und in Wassersleben bei Flensburg weichen. Wir haben bei den zuständigen Schleswig-Holsteinischen Landesforsten nachgefragt, was es mit den Abholzungen auf sich hat.

„Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Diese Redewendung erhält plötzlich eine ganz neue Bedeutung, wenn man den Wald entlang des Ostseebades bis hin nach Wassersleben durchschreitet, der einen Teil des Klueser Geheges bildet. Tatsächlich gibt es dort noch lauter Bäume, doch viele von ihnen stehen nicht mehr dicht an dicht und ragen hoch hinauf. Sie liegen auf dem Boden – gefällt.

Wo ist der Wald geblieben?, fragen sich also Spaziergänger etwas überspitzt. Sie haben einen derartigen Eingriff, der sich über viele Wochen hingezogen hat, noch nicht erlebt. Ihnen fällt angesichts dieses erschreckenden Bildes nur ein Begriff ein: Kahlschlag.

Ostseebad und Wassersleben: Arbeiten hinterlassen Spur der Verwüstung

Tatsächlich haben Arbeiter mit schwerem Gerät gefuhrwerkt und die viel zitierte Spur der Verwüstung hinterlassen. Tief haben sich die Räder der Einsatzfahrzeuge in den Boden gegraben, in den Spurrillen sammelt sich das Wasser; Bäume und Äste versperrten teilweise die Wege, durchtrenntes Flatterband zeugt von einer einstigen Absperrung.

Buchen, Lärchen, Eichen, Eschen und Nadelholz liegen bunt durcheinander. An anderer Stelle sind Stämme bereits sauber aufgeschichtet und stehen zum Abtransport bereit. „Es sieht aus wie Kraut und Rüben“, entfährt es einer Anwohnerin, die dort regelmäßig ihren Hund ausführt. Sie rätselt, wie viele andere auch, ob es einer derartig massiven Maßnahme wirklich bedurft hätte. „Kann man das noch als Waldpflege bezeichnen?“, so ihre rhetorisch gemeinte Frage.

So erklären die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten die Arbeiten

Diese Frage wird seitens der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten, die für die Abholzungen verantwortlich sind, mit einem klaren Ja beantwortet. „Es sieht vielleicht aus wie ein übermäßiger Eingriff“, sagt Sprecher Ionut Huma, „doch er ist in einem Turnus von fünf Jahren regelmäßig notwendig.“ Die Strukturen des Habitats blieben bei der Durchforstung vollständig erhalten. Förster Patrik Bollrath ergänzt: „Nächstes Jahr um diese Zeit wird man von kahlen Stellen nichts mehr sehen.“

Die Forsten als Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) sind mit 32 Förstereien, unter anderem mit der Försterei Glücksburg, landesweit präsent. Sie betreuen mit etwa 15 Hektar den Löwenanteil des betroffenen Areals, daneben gibt es städtische und private Flächen im gesamten Klueser Wald.

Holzentnahme in Flensburg nicht zu wirtschaftlichen Zwecken

Huma erläutert, dass bei dem Holzeinschlag zu dicht stehende Bäume zu Gunsten eines anderen Baumes gefällt werden. Es gehe dabei auch um Lichtschächte für junge Bäume.

Ein Teil der entnommenen Bäume sei überdies im Rahmen eines sogenannten Sanitätshiebs aufgrund von Eschentriebsterben erfolgt.

Wie stehen die Landesforsten zu dem immer mal wieder aufkeimendem Vorwurf, die Entnahme des zunehmend wertvollen Holzes sei auch aus finanziellen Erwägungen erfolgt? „Die Holzernte stellt eine fachlich begründete, reguläre Maßnahme dar, die auf Basis eines Managementplans erfolgt ist“, sagt Huma. Für die Stämme gebe es regionale Abnehmer für unterschiedliche Segmente. Patrik Bollrath bekräftigt, dass die Holzentnahme niemals wirtschaftlich gesteuert sei. „Es ist jährlich immer die gleiche Menge, unabhängig von der Marktsituation.“

Der Maßnahmenturnus wird laut Försterei im Wesentlichen von Wuchsdynamik und vom Standort bestimmt. In jüngeren und mittelalten Beständen sollte häufiger (3-5 Jahre), im Alter eher seltener (5-7 Jahre) eingegriffen werden. „Die Durchforstungsintensität“, so Huma, „hängt in erster Linie vom qualitativen Zustand, der Wuchsdynamik, dem Waldentwicklungsziel und der Risikogefährdung des jeweiligen Bestandes ab.“

Wälder werden gemischter, laubbaumreicher und strukturreicher

Die Holzernte auch alter und durchmesserstarker Bäume sei ein normaler Baustein planmäßiger, ökologisch ausgerichteter Forstwirtschaft, um strukturreiche, artenreiche und resiliente Wälder zu entwickeln. Auch Totholzanteile, Baumkrankheiten und Wildschäden würden in diesem Rahmen erhoben und beurteilt.

Laut aktueller, offizieller Forsteinrichtung 2022 sind die Wälder in den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten in den letzten zehn Jahren gemischter, laubbaumreicher und strukturreicher geworden. Patrik Bollrath hat erst Ende letzten Monats mit beunruhigten Anwohnern am Ostseebad auf deren Bitte eine Führung durch den Wald gemacht und dabei Sinn und Zweck der ausgeführten Arbeiten erörtert. „Dabei“, sagt der zuständige Förster, „konnten grundlegende Fragen geklärt werden.“

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