Umwelt und Natur

Abgemagerte Seehunde im Wyker Hafenbecken – was ist da los?

Abgemagerte Seehunde im Wyker Hafenbecken – was ist da los?

Abgemagerte Seehunde im Wyker Hafenbecken – was ist da los?

Anna Goldbach/shz.de
Wyk auf Föhr/Vyk
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Der Seehund, der im Sportboothafen herumtollt, ist klein und zutraulich. Dabei sollte das Tier eigentlich schon etwas größer und vor allem schwerer sein. Foto: Mahé Crüsemann

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Einige junge Seehunde sind derzeit im Sportboothafen in Wyk zu sehen. Einer von ihnen musste bereits ins Robbenzentrum gebracht werden. Wo das Problem mit den jungen Tieren liegt, erklärt Tierärztin Janine Bahr-van Gemmert.

Immer wieder taucht der Kopf des kleinen Seehundes auf, er schnaubt, schwimmt ein paar Meter, taucht unter. Wenig später sieht man Kopf und Rücken wieder auftauchen. Da wo das Tier eben noch geschwommen ist, springen jetzt Kinder ins Becken des Sportboothafens in Wyk. Unweit davon entfernt sind zwei Menschen auf einem SUP, ein Boot kommt eingefahren. Der kleine Seehund taucht wieder ab.

Mindestens drei, wenn nicht sogar vier junge Seehunde werden derzeit im und um das Becken des Sportboothafens herum gesehen. Etwa zwei Wochen seien sie alt, schätzt Janine Bahr–van Gemmert, die gemeinsam mit ihrem Mann seit 2010 das Robbenzentrum in Wyk betreibt. Für das Alter seien die Tiere „sehr, sehr klein“, verdrei- bis vierfachen Seehunde ihr Gewicht doch eigentlich in den ersten vier Wochen ihres Lebens.

Im Normalfall müssten die jungen Seehunde, die bei der Geburt in der Regel zwischen sieben bis zehn Kilogramm wiegen, also 25 bis 30 Kilogramm auf die Waage bringen. „Gestern haben wir einen Seehund gerettet, der nur 8,4 Kilo wog“, berichtet die Tierärztin.

Die Jungen seien unterernährt. Dass man, wie bei einem der Jungtiere im Sportboothafen, auch den gekrümmten Rücken mit auftauchen sieht, sei nicht normal. Bahr-van Gemmert berichtet von eingefallenen Nacken und hervorstehenden Beckenknochen. Teilweise seien die Jungen unterkühlt, sie haben keine Speckschicht, die sie ausreichend schützt.

Ebenfalls auffällig: Es sind keine Muttertiere in der Nähe zu sehen. „Normalerweise fasten die Seehunde die ersten zwei Wochen nach der Geburt und halten den Körperkontakt zu ihren Jungen“, erläutertet Janine Bahr van Gemmert dazu. Dass so viele mutterlose Jungtiere alleine unterwegs sind, sei demnach ungewöhnlich – und erklärt, wieso die Tiere so erschöpft sind.

Dass Tiere recht zutraulich wirken und sich von den Booten kaum irritieren lassen, sei hingegen nicht ungewöhnlich. Jungtiere seien zutraulicher als ihre ausgewachsenen Artgenossen. Dass die Lütten allerdings kaum genug Kraft hätten, um sich wegzubewegen, bereitet der Föhrerin Sorgen.

Auf der Suche nach Futter - wieso sind die Seehunde da?

Warum die Seehunde nun vermehrt im Hafen in Wyk oder auf Amrum auftauchen, ist ebenfalls unklar. Ein Heringsschwarm sei ins Becken geschwommen, so die These einer Föhrerin. Ausschließen kann Bahr-van Gemmert das nicht.

Sie hat mehrere Theorien – zum einen könne es sein, dass die Muttertiere, von deren stark fetthaltiger Milch die kleinen Seehunde im Normallfall in den ersten Wochen zehren, nicht genug Reserven hatten, um die Lütten ausreichend zu ernähren. Auch die Sandvorspülungen vor Utersum könnten erklären, wieso die Seehunde plötzlich ihren Weg auf die Inseln finden. Immerhin finden diese zum ersten Mal seit 22 Jahren wieder statt und seien „sehr laut“, so die Tierärztin.

Grundsätzlich gilt – auch wenn es schwer fällt – Abstand zu den Seehunden zu wahren. Gerade wenn die Tiere an Land sind, sollte vermieden werden, sie zurück ins Wasser zu scheuchen. „Seehunde sind an Land, weil sie sich sonnen oder ausruhen wollen“, erklärt Janine Bahr-van Gemmert. Wer ein schlechtes Gefühl bei der Sichtung eines Seehundes habe, solle anrufen, sagt sie. „Lieber gucken wir einmal zu viel nach als zu wenig“.

Junge Seehunde auch am Amrumer Yachthafen gesichtet

Auch auf Amrum sind in der vergangenen Woche mehrere Jungtiere, die von ihren Müttern abgestillt sind, im Bereich des Seezeichen- und Yachthafens gesichtet worden, wie die Tierärztin erzählt.

Auch die mindestens sechs Seehundjungen auf Amrum fühlen sich in menschlicher Nähe offenbar ganz wohl. „Ungewöhnlich ist nur, dass es so viele auf einem Haufen sind“, wie Holger Lewerentz, Seehund Beauftragter auf Amrum, auf Nachfrage von shz.de dazu berichtet. Auch er weist darauf hin, dass zu den Tieren möglichst Abstand gehalten werden sollte.

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