Spuren durch die Hauptstadt
Metropolis
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Bei einer Frühlingstour in Kopenhagen geht es diesmal mit der Metro kreuz und quer durch die Stadt. Unterwegs findet Walter Turnowsky so einige interessante Bauten.
Die Spuren durch die Hauptstadt sind diesmal Gleise. Denn wir wollen weder gehen, radeln noch laufen, sondern wir tauchen in den Untergrund ab, setzen uns ganz gemütlich in die Metro und sausen mit ihr durch die Stadt. Damit aus „sitzen“ und „gemütlich“ auch etwas wird, suchen wir uns einen Zeitpunkt außerhalb der Stoßzeiten aus.

Wir steigen bei Flintholm in die Metro ein und fahren stadteinwärts. Hier kreuzt sie sich mit zwei S-Bahn-Linien. Die futuristisch anmutende Station ist von KHR Architecture entworfen und mehrfach ausgezeichnet worden.

Zunächst geht es überirdisch durch Frederiksberg, aber nach kurzer Zeit unter die Erde. Die Metro ist ideal für Stadterkundungen, da sie im Takt von wenigen Minuten fährt. Dies ist möglich, weil sie ferngesteuert ist.

Ein weiterer Vorteil: Dadurch können Kinder – und Erwachsene, die sich das kindliche Gemüt bewahrt haben – vorne „mitlenken“. Wie der Verschleiß der „Steuerhebel“ zeigt, ist die durchaus populär.

Unser erster Halt ist Forum, benannt nach dem Ausstellungs- und Konzertsaal, der sich hier auf dem Platz befindet. Gebaut wurde die Halle 1926 für Sechs-Tage-Rennen und Autoausstellungen.
Das Gebäude hat Oscar Gundlach-Petersen im funktionalistischen Stil entworfen. Für die Beleuchtung dienten die damals ganz neuen PH-Lampen des Designers und Autors Poul Henningsen. 1929 präsentierte bei der ersten Ausstellung zur funktionalistischen Architektur unter anderen Arne Jakobsen seine Vision für das Haus der Zukunft.

Auf der anderen Straßenseite finden wir das ehemalige Radiohaus von „DR“, ebenfalls im funktionalistischen Stil von Vilhelm Lauritzen gezeichnet. Der Architekt hat das Gebäude in vielfacher Weise den speziellen Anforderungen, die das Senden von Radio stellten, angepasst. Selbst der Dachgarten ist als Schalldämpfung gedacht.

Nachdem „Danmarks Radio“ in die DR Byen gezogen ist (an der wir noch vorbeifahren werden), ist das Königliche Musikkonservatorium 2008 in das Haus eingezogen. Im Konzertsaal und in den Studios veranstaltet das Konservatorium mehrmals pro Woche Konzerte. Unter anderem kann man die Auftritte der Debütantinnen und Debütanten der Schule dort erleben.

Von hier geht es weiter in Richtung Vestamager. Ab Nørreport fahren wir auf der ersten Strecke der Metro, die 2002 eröffnet wurde. Das Jahr darauf folgte die Strecke, auf der wir soeben gefahren sind, und 2007 wurde der Abzweiger in Richtung Flughafen fertiggestellt.

Eine vernünftige Anbindung der Insel Amager an den Rest von Kopenhagen war schon lange ein Wunsch gewesen. Das Problem war jedoch – wie so oft – das liebe Geld. Da entstand die Idee, dass man die Metro finanzieren konnte, indem man öffentliche Baugrundstücke verkaufte. Der neue Stadtteil Ørestaden wurde geplant und befindet sich seit nunmehr über 20 Jahren in der Entstehung. Das meiste ist allerdings fertig.

Nach der Station Islands Brygge fahren wir wieder oberirdisch und können uns das neue Viertel, in dem auch DR Byen liegt, anschauen.

Bei Ørestaden steigen wir aus. Die Hauptverkehrsachse, Ørestad Boulevard, hat nicht zu Unrecht den Ruf, recht zugig zu sein. Sie ist zu breit geraten.

Doch finden wir hier auch spannende Architektur. Der Ferring-Turm erhebt sich wie ein schwarzer Finger gleich neben der Station. Der international bekannte Architekt Henning Larsen hat das Gebäude entworfen. Er war mit ihm wohl deutlich zufriedener als mit der Kopenhagener Oper, über deren Gestaltung er sich mit Geldgeber Mærsk McKinney-Møller heftig gestritten hat.

Das Ørestad Gymnasium gehört zu den gefragtesten der Stadt, ist jedoch nicht mehr ganz so populär wie in den ersten Jahren. Die Architektur ist mit offenen und flexiblen Raumaufteilungen modernen Unterrichtsformen angepasst. Der Unterricht findet zu 100 Prozent digital statt.

Von Ørestad fahren wir noch einen Stopp weiter zur Endstation Vestamager. Hier spazieren wir hinüber zum Wohnungsbau „Ottetallet“ (die Acht) von Stararchitekt Bjarke Ingels. Das Gebäude – daher der Name – bildet eine liegende Acht.

Auf Rampen können wir außen auf die Acht hinaufgehen. Die ebenfalls außen angebrachten Treppen dürfen wir nicht mehr erklimmen. Die Bewohnerinnen und Bewohner wollen ein wenig Privatleben haben, was man ihnen nicht übelnehmen kann.

Von hier aus blicken wir auf das Naturgebiet Vestamager. Es wurde während des Zweiten Weltkrieges eingedeicht, und seither sind viele Pflanzen und Tiere eingewandert. Wer also nach so viel Stadt ein wenig Grün braucht, kann hier noch eine Runde drehen. Im Naturcenter Amager findet man auch eine Stärkung, falls das allmählich fällig ist.


Nun geht es wieder stadteinwärts, und von der Metro aus schauen wir uns noch den markanten Hotelbau von Bella Sky bei der Messe Bellacentret an.

Auf Kongens Nytorv steigen wir in die Ringmetro, die seit 2019 die Innenstadt und die umliegenden Viertel sowie Frederiksberg miteinander verbindet. Wir fahren Richtung Østerport.

Die Stationen der Ringmetro sind im Gegensatz zu denen der „alten Metro“ mit unterschiedlichen Steinplatten und Kacheln an den Wänden ausgeschmückt. Das erkennen wir gleich bei der nächsten Station, Marmorkirken, wo an den Wänden – richtig geraten – Marmorplatten hängen.

Den Grundstein für die Marmorkirke hat 1759 König Frederik V. gelegt, doch erst 1894 konnte die Kirche fertiggestellt werden. Hofbaumeister Nicolai Egtved wurde mit dem Entwurf und Bau beauftragt. Nach seinem Tod fünf Jahre nach Baubeginn übernahmen andere Architekten.
Nach dem Tod von König Frederik V. 1766 geriet das Projekt ins Stocken, da Christian VII. wenig Interesse zeigte, es weiter zu finanzieren. 1777 kamen die Bauarbeiten ganz zum Erliegen und wurden erst mehr als hundert Jahre später wieder aufgenommen.

1874 erstand der Finanzmann C. F. Tietgen die Ruine und ließ die Kirche fertig bauen. Der Marmor, mit dem der Eingangsbereich ausgekleidet ist, stammt aus Bergen.

Kirchenvertreterinnen und -vertreter befürchteten, dass die Kirche durch den Bau der Metro und der Station beschädigt werden könnte. Doch sie steht noch unversehrt auf ihrem Platz.

Der Platz ist so eng, dass die Metro hier in zwei Etagen fährt. Wir nehmen die Rolltreppen hinunter zur ersten und steigen in die jüngste Metrolinie Richtung Oceankai ein, die 2020 eröffnet wurde, jedoch an beiden Enden noch verlängert wird.

Beim Oceankai kommen wir in den äußersten Teil des heranwachsenden Stadtviertels im Norderhafen (wir haben einen anderen Teil zu einem früheren Zeitpunkt bereits laufend besucht). Hier prägen die Baustellen noch die Landschaft.
Die Copenhagen International School ist jedoch bereits in ihre Gebäude eingezogen. Über 1.200 Kinder aus mehr als 90 Ländern vom Kindergartenalter bis zum Abitur besuchen die Schule.

Das Gebäude hat die Architektenfirma C. F. Møller entworfen. Die Hälfte des Energiebedarfs wird durch Solarzellen in der Fassadenverkleidung gedeckt.
Von hier fahren wir wieder zurück, um bei Østerport wieder in die Ringmetro einzusteigen. Die rote Wandbekleidung zeigt an, dass wir hier auch in die S-Bahn umsteigen könnten.

Da die Ringmetro, wie der Name andeutet, im Kreis fährt, gibt es naturgemäß auch keine Endstation. Die Richtung ist daher immer mit einem „via“ angegeben. Kennst du dich nicht so genau in Kopenhagen aus, solltest du daher genau auf den Plan schauen. Doch keine Panik: Erwischst du den Zug in die falsche Richtung, kommst du dennoch an dein Ziel – nur ein wenig später.
Wir nehmen die Richtung via Nørrebro Station, fahren an ihr jedoch vorbei und steigen am Nuuks Plads aus. Der Platz hat erst mit der Metro einen Namen erhalten. Es ist ein etwas vergessene Ecke.

Die Wandverkleidung der Station ist von dem Gebäude inspiriert, das direkt daneben auf der Erdoberfläche liegt: das alte Landesarchiv. Das Gebäude hat Martin Nyrop entworfen, der auch das Kopenhagener Rathaus gezeichnet hat. In den 60ern wurde Koppels Magasin hinzugefügt.

Seit der Fusion des Landesarchivs mit dem Reichsarchiv 2012 werden die Gebäude nicht genutzt. Verschiedene Pläne zur Neugestaltung und für einen Anbau haben seither heftige Diskussionen ausgelöst – ein neuer Bebauungsplan (lokalplan) ist derzeit in der Anhörung.

Wir fahren weiter zur Station Frederiksberg Allé. Das Grün der Lindenallee finden wir an den Wänden wieder. Da der Platz für die Station knapp war, hat man sich hier etwas Besonderes einfallen lassen: Die Station ist in das neu gebaute Madkulturens Hus, das von Cobe entworfen worden ist, integriert.

Zum Schluss fahren wir noch zu Ved Stranden und haben jetzt fast den ganzen Kreis vollendet. Ich biege hier in mein Büro auf Christiansborg ab; du findest hier leicht ein Café oder eine Bar, wo du die Eindrücke erst einmal verdauen kannst.
