Leitartikel

„Schluss mit dem Sportswashing“

Schluss mit dem Sportswashing

Schluss mit dem Sportswashing

Apenrade/Aabenraa
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Autokratien versuchen seit vielen Jahren, ihr Image durch die Ausrichtung von großen Sportereignissen aufzupolieren. Jüngste Ereignisse und Berichte zeigen, dass damit nun Schluss sein muss, denn die Grenzen der Menschlichkeit wurden zu oft überschritten, meint Redakteur Dominik Dose.

Seit Langem ist es gang und gäbe in der Sportwelt: das „Sportswashing“. Übersetzt sind dies Bestrebungen eines Landes, das eigene Ansehen in der Welt durch Sport-Veranstaltungen und die positive mediale Berichterstattung über diese zu verbessern.

Und weil dies so prächtig funktioniert, wird Sportswashing vor allem von autokratisch regierten Staaten betrieben, deren moralische und ethische Grundwerte in vielen anderen Teilen der Welt nicht so gut ankommen. So war China unter anderem Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2008 sowie der Winterspiele in diesem Jahr, Russland trug die Winterspiele 2014 und die Fußballweltmeisterschaft 2018 aus, Aserbaidschan bekam den Zuschlag für die Austragung des Endspiels der UEFA Europa League 2019, und in diesem Jahr darf sich Katar über die Austragung der Fußball-WM freuen. Bekannt ist mittlerweile auch, dass bei der Vergabe einiger dieser Veranstaltungen Geld geflossen ist, um sich den Zuschlag zu sichern.

Russlands Überfall auf die Ukraine könnte dem Thema Sportswashing nun einen neuen Fokus geben und es zur Diskussion stellen.

Diese Hoffnung hat zumindest die dänische Organisation „Play the Game“, die sich für die Förderung von Meinungsfreiheit und Transparenz in der Sportwelt einsetzt. In einem Interview sagt der leitende Analyst der Organisation, Stanis Elsborg, dass nun eine Debatte darüber kommen könnte, wie klug es wirklich sei, so intensiv mit autoritären Staaten zusammenzuarbeiten, wie es der Sport seit zwei Jahrzehnten tue.

Hoffentlich hat er recht! In acht Monaten findet die Fußballweltmeisterschaft in Katar statt. Sie ist ein Paradebeispiel für das sogenannte Sportswashing. Seit Jahren bereitet sich das Land auf die WM vor, und seit Jahren kommt angesichts der Situation von Gastarbeitern oder der Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen Kritik an der Ausrichtung in dem Wüstenstaat auf. Richtig laut war sie aber bisher nicht. Ein Boykott beispielweise stand noch nie wirklich zur Debatte. Allzu oft haben zum Beispiel Entscheidungsträger der Verbände das Argument hervorgebracht, dass man Politik und Sport trennen müsse.

Dass dies nicht möglich ist, haben nicht zuletzt die Anfang März in internationalem Medien erschienenen Berichte gezeigt, wonach es zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jingping und Russlands Machthaber Wladimir Putin eine Absprache gegeben haben soll, dass Putin mit seinem Angriff auf die Ukraine bis zum Ende der Olympischen Spiele warten soll – was er letztendlich dann auch tat.

Im Grunde bedeutet dies nichts anderes, als dass zwei Männer darüber entschieden haben, dass Tausende ukrainische Männer, Frauen und Kinder und natürlich auch russische Soldaten noch einige Tage länger leben durften, weil China sich der Welt noch kurz als tadelloser Ausrichter einer Sportveranstaltung präsentieren wollte.

Dies ist so perfide und menschenverachtend, dass eigentlich niemand mehr die Aussage in den Mund nehmen sollte, dass Sport und Politik nichts miteinander zu tun haben.

Die Olympischen Spiele sind vorbei, und mit der WM in Katar steht in wenigen Monaten das nächste Sportswashing-Event auf dem Plan, das einem angesichts der bisherigen Geschehnisse nicht weniger den Magen umdreht.

Wie unter anderem die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Anfang des Jahres vermeldet hatte, sind seit der WM-Vergabe über 15.000 Gastarbeiter, die unter anderem die Stadien bauen, durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen ums Leben gekommen. Der Großteil unter ungeklärten Umständen. Als Reaktion darauf sprach der Direktor beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), Oliver Bierhoff, im „Stern“ allerdings nicht davon, dass nun über einen Boykott nachgedacht werde, sondern dass man an die Kraft des Sports glaube, die Menschen verbinde, Vorurteile abbaue und für Begegnungen und Freundschaften über die Dauer einer Weltmeisterschaft hinaus sorge.

Auch der dänische Fußballverband sagte im vergangenen Jahr, man sei nicht an einem Boykott der WM interessiert.

Doch wenn nicht jetzt, wann dann? An welche Kraft des Sports will der DFB denn noch glauben, wenn die Nationalmannschaft in acht Monaten in einem Stadion steht, für dessen Bau Tausende Menschen gestorben sind. Bei 15.000 Toten kostet ein WM-Spiel aktuell mindestens 234 Menschenleben – und die Stadien sind noch nicht fertig.

Was muss noch passieren, dass die nationalen Fußballverbände wie der DFB und die DBU sagen, eine Teilnahme ist nicht zu rechtfertigen?

Es muss schnellstmöglich über das Thema Sportswashing diskutiert werden, und dann muss noch in diesem Jahr mit Katar das erste autokratische Land zu spüren bekommen, dass es künftig nicht so weitergehen kann wie bisher.

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