Schleswig-Holstein & Hamburg

Tschentscher: Impfpflicht möglich, aber nicht vordringlich

Tschentscher: Impfpflicht möglich, aber nicht vordringlich

Tschentscher: Impfpflicht möglich, aber nicht vordringlich

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
Zuletzt aktualisiert um:
Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, spricht. Foto: Georg Wendt/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen will der Hamburger Senat weitere Beschränkungen für Ungeimpfte erlassen. Auch mit einem negativen Test werden sie in der Hansestadt nicht mehr ins Kino gehen oder in einem Hotel übernachten dürfen.

Mit einer Ausweitung der sogenannten 2G-Regel will Hamburg mehr Menschen zu einer Corona-Impfung bewegen. Ab kommenden Montag sollen nur noch Geimpfte oder Genesene Theater, Kinos, andere Freizeiteinrichtungen und Hotels besuchen dürfen, wie Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Dienstag nach einer Senatssitzung mitteilte. Er begründete das mit dem erwarteten Anstieg der sogenannten Hospitalisierungsinzidenz auf über 3. Das Robert Koch-Institut gab diesen Wert für Hamburg am Dienstag mit 2,11 an. Bundesweit waren binnen sieben Tagen 5,60 Corona-Patienten je 100.000 Einwohner in eine Klinik aufgenommen worden.

Bereits seit dem vergangenen Wochenende gelten in der Hansestadt verschärfte 2G-Regeln. Danach haben nur noch Geimpfte und Genesene Zugang zu bestimmten Bereichen wie Gastronomie, Bars und Clubs. Gleiches gilt für Sport in geschlossenen Räumen, für Freizeitchöre und Orchester sowie für körpernahe Dienstleistungen - sofern es sich nicht um Friseure, Fußpflege und medizinische Behandlungen dreht. Dort sind weiterhin Besuche unter 3G-Bedingungen möglich. Beim 3G-Modell dürfen auch Ungeimpfte eingelassen werden, wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen.

Tschentscher begründete die flächendeckende Ausweitung der 2G-Regel mit dem damit verbundenen Impfanreiz. «3G ist mit dem falschen Signal verbunden, dass man sich impfen lassen kann, aber ein Test geht auch», sagte der Bürgermeister. Er sei sicher, dass das 2G-Modell eine positive Wirkung auf die Impfbereitschaft haben werde. Jugendliche sollen vorerst weiter von der 2G-Regel ausgenommen werden. Tschentscher kündigte aber an, dass die Ausnahme für 16- und 17-Jährige demnächst nicht mehr gelten soll.

Der Bürgermeister schloss eine allgemeine Impfpflicht nicht aus. Viel wichtiger sei für ihn aber, umgehend die einrichtungsbezogene Impfpflicht etwa in Kliniken und Pflegeeinrichtungen einzuführen. «Die steht für uns im Vordergrund, die soll jetzt kommen.»

Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank erklärte: «Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen sterben, schwer erkranken und das Leben wieder eingeschränkt wird, weil einige sich nicht impfen lassen wollen.» Alle, die bisher noch zögerten, müssten sich jetzt impfen lassen. «Wenn wir das nicht hinkriegen, brauchen wir eine allgemeine Impfpflicht», meinte die Grünen-Politikerin.

75,6 Prozent der Menschen in Hamburg sind laut RKI (Stand Dienstag) mindestens einmal geimpft, 73,7 Prozent haben einen vollständigen Impfschutz. Damit rangiert Hamburg im Ländervergleich beim Impftempo hinter Bremen und dem Saarland weiter auf Platz drei. Der bundesweite Schnitt liegt bei den mindestens einmal Geimpften bei 70,6 Prozent und bei den vollständig Geimpften bei 68,0 Prozent. Eine sogenannte Booster-Impfung erhielten in Hamburg bisher 7,1 Prozent der Menschen.

Die Hamburger Corona-Inzidenz stieg auf einen neuen Höchststand. Die Gesundheitsbehörde gab die Zahl der binnen sieben Tagen erfassten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner am Dienstag mit 223,2 an. Allerdings liegt die Inzidenz bei Geimpften nur bei 32,2, bei Ungeimpften dagegen bei 715,5.

Die Zahl der sogenannten Impfdurchbrüche beträgt den Angaben zufolge 0,34 Prozent. Bis zum 8. November seien von den 1.341.626 Hamburgern, die bis dahin vollständig geimpft waren, 4542 an Covid-19 erkrankt. 263 mussten ins Krankenhaus, 28 von ihnen kamen auf eine Intensivstation.

«Die Impfung schützt», betonte Tschentscher. Es gebe überhaupt kein Indiz dafür, dass es anders sei. Hamburg verfüge über ein großes Impfangebot in Hausarztpraxen, Krankenhäusern und festen dezentralen Impfstellen. Dazu seien über 20 mobile Impfteams im Einsatz. «Unsere Stadt ist sehr gut aufgestellt, was diese Frage angeht», so Tschentscher.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, Walter Plassmann, sagte mit Blick auf das von vielen beklagte zu geringe Impfangebot: «Ich weiß, dass gerade die fachärztlichen Praxen jetzt dabei sind, zusätzliche Angebote zu schaffen, auch solche, wo man keinen Termin benötigt.» Vergangene Woche sei in den Praxen erstmals seit Wochen wieder die Marke von 10.000 Corona-Impfungen pro Tag überschritten worden.

Plassmann räumte ein, dass derzeit viele Impftermine weit in der Zukunft vereinbart würden. Viele Praxen seien überlastet und am Anschlag. Er appellierte an alle Impfwilligen, bei der Booster-Impfung die Sechsmonatsfrist einzuhalten und sich nicht vorzudrängeln. Die daraus resultierenden Diskussionen hielten den ganzen Betrieb auf. Er wies auch darauf hin, dass bislang Ungeimpfte jenen vorgezogen würden, die nur eine Booster-Impfung wollten. Das sei im Kampf gegen die Pandemie wirkungsvoller.

Innensenator Andy Grote (SPD) kündigte weitere Kontrollen zur Einhaltung der 2G-Regeln an. Bereits am vergangenen Wochenende seien rund 400 Betriebe kontrolliert worden. Bei 58 von ihnen seien Verstöße festgestellt und 71 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. «Neun Betriebe sind geschlossen worden, das waren acht Gastronomiebetriebe und ein Friseursalon», sagte Grote. Kontrolliert werde auch unter der Woche. «Unser Zwischenfazit an der Stelle ist, dass 2G in der jetzt geltenden Form ganz überwiegend gut funktioniert und von der ganz überwiegenden Zahl der Betriebe verantwortungsbewusst umgesetzt wird.»

Mehr lesen