Untreue-Prozess

Ex-Grüner Osterburg legt Teilgeständnis ab

Ex-Grüner Osterburg legt Teilgeständnis ab

Ex-Grüner Osterburg legt Teilgeständnis ab

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Der angeklagte Michael Osterburg (l) kommt mit seinem Anwalt Nils Fock zum Prozess. Foto: Marcus Brandt/dpa

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Früher suchte er die Öffentlichkeit. Bei Gericht versucht der frühere Hamburger Grünen-Bezirksfraktionschef Michael Osterburg nun, sein Gesicht zu verdecken. Der ehemalige Lebensgefährte der Justizsenatorin ist der gewerbsmäßigen Untreue...

Die große Kapuze der beigen Jacke tief in die Stirn gezogen, den Rest des Kopfes mit einer blauen Aktenmappe bedeckt - als Michael Osterburg am Mittwochmorgen vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg erscheint, ist er bemüht, möglichst kein Gesicht zu zeigen. Der einst politisch mächtige ehemalige Grünen-Fraktionschef im Bezirk Hamburg-Mitte ist der gewerbsmäßigen Untreue angeklagt, teils in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung.

Die Fälle stammen aus den Jahren 2015 bis 2019 - einer Zeit, als der 55-Jährige und die frühere Grünen-Landesvorsitzende und heutige Justizsenatorin Anna Gallina (39) noch ein Paar waren. Insgesamt sind es 121 Fälle.

Knapp 33.000 Euro soll Osterburg sich laut Anklage aus der Fraktionskasse erstatten lassen haben für Privates wie Restaurantbesuche, Kinderbetreuung, Reisen, Computertechnik und Dinge des alltäglichen Lebens wie Kinderfahrradhelme, Akkubohrschrauber, Fahrradschlösser oder Seniorentelefone. Auch der Kauf von Blumen an Gallinas Geburtstag oder an Muttertag sind aufgeführt - einmal abgerechnet als «Blumen für US-Konsul». Gut 70 Minuten braucht die Staatsanwältin, bis sie alle Anklagepunkte vorgelesen hat.

Gallina wird wegen der Vorwürfe seit langen heftig von der Opposition attackiert. Im Raum steht der Vorwurf, dass sie von den Abrechnungen gewusst haben könnte. Von der Staatsanwaltschaft war die Justizsenatorin im Zuge der Ermittlungen mehrfach vernommen worden. Dabei habe sich «kein zureichend tatsächlicher Anhaltspunkt» für eine strafrelevante Beteiligung ergeben, hieß es später.

Hatte Osterburg laut Staatsanwaltschaft während der dreijährigen Ermittlungen zu den Vorwürfen geschwiegen, legte er nun zum Prozessauftakt ein Teilgeständnis ab: Bei vielen Dutzend Bewirtungsbelegen, die sich laut Anklage allein auf über 6000 Euro summierten, habe er falsche Angaben gemacht, hieß es in einer von seinem Anwalt Nils Fock verlesenen Erklärung.

Zwar hätten die Bewirtungen stattgefunden, häufig beim Italiener um die Ecke nahe der Wohnung des Paares, allerdings nicht mit den in der Abrechnung angegebenen Personen. Die Anlässe und Identitäten der tatsächlich Bewirteten wollte sein Mandant aber nicht preisgeben, da diese «Probleme bekommen hätten, wenn ihre Namen aufgetaucht wären - Stichwort: Tippgeber», sagte der Anwalt vieldeutig.

Auch eine von Osterburg über die Fraktion abgerechnete Malta-Reise sei privater Natur gewesen - obwohl politische Gespräche stattgefunden hätten, räumte er ein. Die Reise hatte vor allem wegen eines Hummeressens auf der Mittelmeerinsel Schlagzeilen gemacht, an dem auch Gallina teilgenommen hatte. In der Anklage ist eine Rechnung über 230 Euro aus dem Restaurant «Electro Lobster Project» genannt. Als Anlass der Bewirtung habe Osterburg «Flüchtlingsrettung im Mittelmeer» angegeben.

Staatsanwältin Britta Klintworth hielt dem Angeklagten vor, zu unrecht mehr als 9200 Euro für Kinderbetreuung abgerechnet zu haben, «obwohl tatsächlich die Mutter der Kinder, die Zeugin Gallina, die Kosten für die Betreuung der Kinder trug» - Gallina hat drei Kinder, eine Tochter zusammen mit Osterburg. Insgesamt habe der Angeklagte versucht, sich aus der Fraktionskasse «eine nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen», sagte Klintworth.

Die Betreuungskosten seien ihm tatsächlich entstanden, erklärte hingegen Osterburg. Allerdings sei das Geld nicht immer an die in seinen Abrechnungen genannte Betreuerin gegangen. Zudem seien Anschaffungen von Computern und anderen Gebrauchsgegenständen im Wert von mehr als 10.000 Euro sowie Abbuchungen vom Fraktionskonto für Anschaffungen beziehungsweise Ausgaben bestimmt gewesen, die für die Fraktion getätigt worden oder mit ihr abgestimmt gewesen seien.

Für fast alle Anschaffungen nannte Osterburg einen Grund mit Fraktionsbezug. So seien Stirnlampen angeschafft worden, um Plakatwände bei Dunkelheit zu reparieren. Auch Akkubohrschrauber sollen diesem Zweck gedient haben. Bei anderen Dingen wie den beiden Kinderfahrradhelmen in pink und blau und dem Senioren-Telefon, «schnurrgebunden mit großen Tasten», könne es hingegen passiert sein, dass sie versehentlich über den Fraktions- und nicht über seinen privaten Account bei einem großen Online-Versandhändler bestellt wurden.

Osterburg bedauerte in der Erklärung, dass er Ausgaben zum Teil falsch abgerechnet habe und dadurch «ein negatives Bild über Politiker entstanden ist». Er habe sich stets für die Partei der Grünen und die Interessen der Stadt Hamburg eingesetzt. Im Nachhinein sei er zu der Erkenntnis gelangt, dass es besser gewesen wäre, wenn er sich mehr ums Privatleben und die Familie gekümmert hätte - Gallina und er sind seit 2019 getrennt. Auch sei er bereit, die entstandenen Schäden zu ersetzen, sagte sein Anwalt.

Für Osterburg steht einiges auf dem Spiel. In einem Verständigungsgespräch im Vorfeld der Hauptverhandlung habe er Anwalt Fock deutlich gemacht, dass für ihn eine Geldstrafe im vorliegenden Fall nur «schwer darstellbar» erscheine, sagte der Vorsitzende Richter André Hienzsch. Eine Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren komme hingegen für ihn in Betracht - allerdings nur, wenn der Angeklagte ein vollumfängliches Geständnis im Sinne der Anklage ablege.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann sollen Vertreter der Grünen-Bezirksfraktion gehört werden. Sie hatten den Stein ins Rollen gebracht, als sie nach der Bezirkswahl 2019 Unregelmäßigkeiten in der Kasse festgestellt und den früheren Fraktionsvorsitzenden schließlich angezeigt hatten. Osterburg hatte sich nach den Wahlen aus der Politik zurückgezogen. Auch aus der Partei ist er nach Angaben des Grünen-Landesvorstands ausgetreten.

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