Dänischer Kolonialismus
Sklaverei: Ausstellung zeigt Schattenseite des Rumhandels
Sklaverei: Ausstellung zeigt Schattenseite des Rumhandels
Sklaverei: Ausstellung zeigt Schattenseite des Rumhandels
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Der Handel mit Waren aus den dänischen Kolonien ließ die Wirtschaft im ehemaligen Herzogtum Schleswig florieren. Um das koloniale Erbe aufzuarbeiten, geht das Flensburger Schifffahrtsmuseum zukunftsorientierte Wege.
Vom 9. bis 12. Mai fand in Flensburg die 43. Rumregatta statt. Ein Aspekt der Veranstaltung ist der Handel mit Rum und Zucker, durch den sich die Stadt zu einem bedeutenden Hafen- und Handelsstandort entwickeln konnte. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer feiern in diesem Rahmen jährlich die maritime Geschichte Flensburgs.
Doch der Aufstieg erfolgte auf Kosten Versklavter in den dänischen Kolonien: Ab 1755 importierten Städte des ehemaligen Herzogtums Schleswig Zucker und Rum aus dem karibischen Dänisch-Westindien. Unter dänischer Krone wurden Menschen aus Afrika dort zur Arbeit auf den Plantagen versklavt.
Einer der wenigen Orte, an denen der dänisch-deutsche Sklavenhandel aufgearbeitet wird, ist das Flensburger Schifffahrtsmuseum. Im Rahmen der Dauerausstellung „Zucker – Rum – Sklaverei” demonstriert das Museum die Bedeutung des sogenannten Westindienhandels für das Herzogtum Schleswig. Verschiedene Exponate, darunter Gemälde, Skulpturen und natürlich Rum, zeigen, wie Kaufleute aus Flensburg durch Versklavte in den Kolonien ihr Vermögen erwirtschafteten.
Handel mit Rum und Menschen
Museumsleiterin Susanne Grigull erlebte die Platzierung des Themas hautnah: „Anfangs wurde Westindien in der Ausstellung vor allem als exotisches Fahrtengebiet für Flensburger Kapitäne wahrgenommen. Nach und nach legten wir den Fokus stärker auf den Kolonialismus.“ Die eigene Dauerausstellung wird dem Thema seit der Erweiterung des Schifffahrtsmuseums 2012 gewidmet. Heute ist es die gefragteste Abteilung.
Anfangs habe das Konzept jedoch nicht nur Zuspruch erfahren. Vor allem dänische Kolleginnen und Kollegen hätten kritisiert, dass sich das deutsche Museum mit der Kolonialgeschichte Dänemarks befasst.
„Schleswigsche Kaufleute waren klare Profiteure des Handels mit Dänisch-Westindien. Noch heute wird das im Stadtbild von Flensburg sichtbar“, begründet Grigull die Präsenz des Themas. Es sei nicht zu leugnen, dass die Arbeit der versklavten Menschen den Reichtum der Städte in Schleswig begünstigt hat.
Sie spielt damit auf eine gängige Denkweise im ehemaligen Herzogtum an, nach der man „von nichts gewusst“ habe. Etliche Belege würden das Gegenteil beweisen.
Wir sehen es als unsere Aufgabe an, den Nachkommen in der Karibik einen Raum zu schaffen, um sich selbst zum Thema zu äußern.
Susanne Grigull
„Schulddebatte löst keine Probleme“
Mit der Ausstellung im Schifffahrtsmuseum wolle man jedoch kein moralisches Urteil fällen. Vielmehr sollten Besucherinnen und Besucher dazu animiert werden, sich mit dem dänisch-deutschen Kolonialismus bewusst auseinanderzusetzen. „Geschichtliche Ereignisse lassen sich grundsätzlich nur schwer mit heutigen moralischen Maßstäben beurteilen. Wichtig ist allerdings, das vorhandene Wissen klar zu benennen“, sagt Grigull.
Sie persönlich verfolge einen zukunftsorientierten Ansatz in der Aufarbeitung des kolonialen Erbes. In dem Führen einer Schulddebatte allein sehe sie kein zielführendes Mittel, um das Thema zeitgemäß aufzuarbeiten.
Stattdessen könnte eine diplomatische Zusammenarbeit europäischer Staaten mit den von ihnen kolonialisierten Ländern vor Ort einen realen Mehrwert leisten. Diese Erkenntnis gewann Grigull auf einer vierwöchigen Reise durch das ehemalige Dänisch-Westindien: „Mir wurde klar, dass die Geschichte noch nicht vorbei ist. Die Nachkommen der Versklavten sind noch immer auf den Inseln. Und sie sind dankbar, wenn sie gesehen und gehört werden.“
Dies spiegele sich auch in der Ausstellung wider. Ursprünglich endete sie in einem echten Kolonialwarenladen. Nun befindet sich am Ende der Ausstellung eine Bildergalerie von Einwohnerinnen und Einwohnern der ehemaligen dänischen Kolonien. Diese kommen auf einem Bildschirm auch selbst zu Wort. „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, den Nachkommen in der Karibik einen Raum zu schaffen, um sich selbst zum Thema zu äußern“, sagt Grigull.
„Rumstadt“ Flensburg?
Kritik an der Rumregatta wolle Grigull nicht üben. Zu komplex sei das Thema, um die Tradition pauschal zu verurteilen. Sie nennt hierzu zwei Schlüsselerlebnisse aus den vergangenen Jahren: „Zur Rumregatta 2015 und 2017 waren Vertreterinnen und Vertreter aus den ehemaligen dänischen Kolonien bei uns zu Gast. Diese hatten sehr unterschiedliche Meinungen zu der Veranstaltung.“
Manche Gäste hätten sich empört gezeigt über die Feierlichkeiten. Andere äußerten sich wiederum begeistert. Auf den Inseln gebe es nicht viele identitätsstiftende Merkmale. Die Würdigung „ihres“ Rums habe die Menschen mit Stolz erfüllt.
Die Unterschiedlichkeit dieser Äußerungen habe Grigull gezeigt, dass eine Wertung des kolonialen Erbes allein in Europa nicht möglich ist. In ihren Augen sei das Flensburger Schifffahrtsmuseum mit seinem Ansatz, die Menschen selbst zu Wort kommen zu lassen, auf dem richtigen Weg.
Flensburg heute noch als „Rumstadt“ zu glorifizieren, sei dennoch nicht mehr zeitgemäß. Durch die Debatte um die dänisch-deutsche Kolonialzeit erfahre der Rum einen Bedeutungswandel. Dieser müsse in jedem Fall berücksichtigt werden.