Deutsche Minderheit

Das Ende einer dreijährigen Forschungsreise: Jon Thulstrup erhält seine Doktorwürde

Ende einer dreijährigen Forschungsreise: Jon Thulstrup erhält seine Doktorwürde

Dreijährige Forschungsreise: Thulstrup erhält Doktorwürde

Sonderburg/Sønderborg
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Ausgelassene Stimmung, nach der erfolgreichen Verteidigung der Doktorarbeit. Foto: dodo

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Jon Thulstrup darf sich künftig berechtigterweise ein „Doktor“ auf seine Visitenkarten und ins Facebookprofil schreiben. Der Minderheitenforscher hat erfolgreich seine Dissertation im Alsion verteidigt.

Vereinzelte kleine Schweißperlen sammeln sich auf der Stirn, die Augenlider fangen immer wieder an zu flattern, der Blick ist unruhig: Jon Thulstrup ist an diesem Freitagmittag sehr aufgeregt. Das ist nicht zu übersehen.

In wenigen Minuten sollen für ihn im Hörsaal U101 im Sonderburger Alsion drei Jahre Forschung mit der Verleihung der Doktorwürde ihren Höhepunkt finden. Dafür muss er heute nur noch seine Dissertation erfolgreich verteidigen.

Mit rund 50 Personen ist der Hörsaal gut gefüllt. Familie, Freunde und andere Interessierte wollen sehen, wie Thulstrup sich schlägt.

Viele waren ins Alsion gekommen, um Jon die Daumen zu drücken. Foto: dodo

Um Punkt 13 Uhr geht es los. Alexandra Holsting, stellvertretende Leiterin des Instituts für Sprache, Kultur, Geschichte und Kommunikation der Süddänischen Universität erklärt den Ablauf der Disputation.

Jon Thulstrup hat 30 Minuten Zeit, seine Doktorarbeit noch einmal vorzustellen, ehe er sich den Fragen der Prüfungskommission stellen muss.

Diese besteht aus Karen Gram-Skjoldager vom Institut für Kultur und Gesellschaft der Universität Aarhus, Professor Jørgen Kühl vom Institut für Friesisch und Minderheitenforschung der Europa-Universität Flensburg und Michael Bregnsbo vom Institut für Sprache, Kultur, Geschichte und Kommunikation der Süddänischen Universität.

Der Promovend beginnt

Thulstrup beginnt mit der Präsentation seiner Arbeit. „Die Minderheit aus Sicht von drei Generationen“ ist das Thema. Er erläutert die drei Generationen, Eltern-, Kriegs- und Enkelgeneration, die er in seiner Arbeit untersucht hat, welche Quellen dafür zur Verfügung standen und ausgewertet werden konnten, was er über die Tingleff-Population herausgefunden hat und den Stellenwert des Knivsberges als Ort der eigenen Geschichtsaufarbeitung der Minderheit.

Die anfängliche Nervosität ist schnell verflogen. Sicher und fließend trägt er seine Forschungsergebnisse vor. Auch bei den Fragen der Prüfungskommission wirkt er sehr souverän, kann stets ohne lange nachzudenken antworten und versteht es, seine Argumentation zusätzlich mit Gestik und Mimik zu untermauern.

Jon Thulstrup präsentierte zunächst seine Dissertation. Foto: dodo

So hinterfragt Karen Gram-Skjoldager unter anderem die Methodik, auf der die Arbeit fußt und wie diese bei den drei Generationsbegriffen, die Thulstrup in seiner Arbeit verwendet, umgesetzt wurde. Jørgen Kühl stellt Fragen zur Sozialisierung der verschiedenen Generationen und zur Vergangenheitsbewältigung der deutschen Minderheit in Dänemark im Vergleich zu anderen deutschen Minderheiten.

Sowohl methodische als auch inhaltliche Fragen kann Thulstrup ohne Zögern beantworten.

Die schwere letzte Hürde

Selbst vom letzten Prüfer, Michael Brengsbro, der mit seinen peniblen Fragen zu einzelnen Textstellen der Dissertation für Schmunzler im Publikum sorgt, lässt sich der Promovend nicht aus der Ruhe bringen.

Alle drei Prüferinnen und Prüfer sprechen Thulstrup in ihrer zusammenfassenden Anmerkung ein großes Lob für seine Arbeit aus. Jørgen Kühl sagt unter anderem, dass Thulstrup einen wichtigen Beitrag zur Forschung der neueren Zeitgeschichte der deutschen Minderheit in Nordschleswig geleistet habe und spricht von einer Pionierarbeit. „Die Arbeit verdient es, für ein breites Publikum publiziert zu werden“, so Kühl, der sich vorher allerdings noch einige zusätzliche Kapitel unter anderem zur Zeit von 1920 bis 1945 wünscht.

Um 15.40 Uhr ist es geschafft. Alexandra Holsting bittet alle Anwesenden ins Foyer vor dem Hörsaal, damit sich die Prüfungskommission beraten kann.

Prüfer Michael Bengsbro wollte es ganz genau wissen. Foto: dodo

Thulstrup verlässt sichtlich erleichtert den Raum. „Ich bin einfach nur froh, dass es vorbei ist. Es gibt sicherlich immer Dinge, die besser laufen können, aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden.“

Von der Mama gibt es eine kräftige Umarmung. „Ich bin sehr stolz auf meinen Sohn. Er hat sich unglaublich gut geschlagen. Ich war sehr beeindruckt, wie gut und schnell er jedes Mal auf die Fragen eine Antwort hatte“, so Maike Thulstrup.

Hinrich Jürgensen zog bereits in der Pause seinen imaginären Hut vor Jons Leistung. „Er macht das wirklich toll. Ich bin froh, dass wir ihn für diese Sache gewinnen konnten“, so der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), der die Doktorandenstelle mitfinanziert hat. „Das war sehr gut angelegtes Geld. Seine Forschungen bringen uns als gesamte Minderheit weiter.“

Forschungen noch nicht am Ende

Und die Forschungen sind noch lange nicht am Ende. Vor wenigen Tagen hat der BDN eine Stelle für die Leitung der historischen Forschung der deutschen Minderheit ausgeschrieben. „Die Person soll unter anderem dabei helfen, den Knivsberg zu einem historischen Lernort zu machen“, sagt Uwe Jessen, Generalsekretär des BDN, der ebenfalls im Publikum sitzt. Die Frage, ob er glaube, dass Jon sich für die Stelle bewerben werde, beantwortete er kurz und knapp: „Das hoffe ich doch sehr.“

Knapp zehn Minuten dauert es, bis die Prüfungskommission ihre Beratungen abgeschlossen hat. Das Ergebnis: Man sei einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, Jon Thulstrup den Doktorgrad zu verleihen, so Prüfer Michael Brengsbro.

Die Sektgläser klirren und ein strahlender Doktor Jon Thulstrup nimmt viele Glückwünsche entgegen. Und wie geht es nun weiter? Wird er sich für die Forschungsstelle bewerben? „Das weiß ich jetzt noch nicht, ich bin erst einmal froh, dass es geschafft ist. Wie es jetzt weitergeht, werden wir sehen“, so Thulstrup.

 

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