Deutsche Bücherei

Buchtipp des Monats: Viel Geschichte auf wenigen Seiten

Buchtipp des Monats: Viel Geschichte auf wenigen Seiten

Buchtipp des Monats: Viel Geschichte auf wenigen Seiten

Nordschleswig/Apenrade
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In diesem Monat empfiehlt Ingela Wieking nicht nur ein Buch eines Autors. Foto: Karin Riggelsen

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In unserem neuen Format „Buchtipp des Monats“ widmen wir uns jeweils einem Werk, das die Expertinnen der deutschen Büchereien vorstellen. Der Februar-Buchtipp kommt von Ingela Wieking. Sie möchte allen Lesebegeisterten gleich drei Romane von einem österreichischen Autor ans Herz legen.

„Was ich an Robert Seethaler besonders mag, ist seine sehr komprimierte und eindringliche Sprache“, sagt Ingela Wieking, leitende Bibliothekarin in Apenrade, über den Autor, dessen Werke sie weiterempfehlen möchte. „Wohl auch daher sind seine Bücher meistens relativ kurz – er versteht es, die Handlung zu verdichten.“ 

Wenig Seiten – viel Inhalt

Robert Seethaler ist ein österreichischer Autor und auf den deutschen Bestsellerlisten zu Hause, wo er oft wochen- oder monatelang mit seinen Werken zu finden ist. Einige seiner Romane sind bereits verfilmt und von Theatern inszeniert worden.

 „Ich finde, man fühlt sich nach dem Lesen beschenkt, weil man auf angenehme Art und Weise ins Nachdenken kommt.“

Ingela Wieking

„Ich bin immer wieder erstaunt, wie er es schafft, auf so wenig Seiten ein ganzes Leben abzubilden, ohne sich in Nebenschauplätzen zu verlieren. Immerhin vermag er es, ,Ein ganzes Leben´ auf nur 154 Seiten zu erzählen“, erzählt Ingela Wieking.

Große Themen im Kontext der Zeitgeschichte 
 

Drei Bücher stechen aus seinem Werk besonders hervor, findet die Bibliothekarin. „Der Trafikant“, „Ein ganzes Leben“ und das neueste Buch „Café ohne Namen“ haben alle eine zeitgeschichtliche Komponente. In dieser vermag es Seethaler jeweils, die großen Lebensthemen wie Liebe, Tod, Arbeit, Glück oder Abschied zu behandeln sowie Lebensweisheiten und Werte zu vermitteln. 

„Das Café ohne Namen" von Robert Seethaler Foto: Anna-Lena Holm

Ebendies aber tue er auf eine angenehme, nicht belehrende Weise. „Es geschieht ganz nebenbei – in dieser ihm eigenen konkreten, ganz schnörkellosen Sprache“, beschreibt die Literaturliebhaberin den Stil des Autors.

„Dadurch wirkt das, was er schreibt, nicht so moralisierend“, findet sie. Die Botschaft dieser Romane sei immer die Antwort, die der jeweilige Protagonist auf die Fragen „Wie findet man seinen Platz im Leben? Und wie kann man da, wo man gelandet ist, auch Gutes bewirken und diesen Platz sinnvoll ausfüllen?“ findet.

„Der Trafikant“, Freud und der Antisemitismus
 

„Der Trafikant“ spielt vor dem Hintergrund des aufkommenden Antisemitismus in Österreich. Die Lesenden begleitet einen jungen Mann, der Sigmund Freud in Wien kennenlernt. Ganz nebenbei wird geschildert, wie sich die Lebenswirklichkeit Schritt für Schritt verändert. Der junge Mann, der in einem Trafik, einem Tabakgeschäft, in Wien arbeitet, erlebt das ganze Geschehen am Rande mit. „Seethaler bettet die Geschichte ganz kunstvoll in das Zeitgeschehen ein“, sagt Ingela Wieking.
 

„Der Trafikant" und „Ein ganzes Leben" von Robert Seethaler Foto: Karin Riggelsen

Das Café der Begegnung 
 

In seinem neuesten Buch, „Café ohne Namen“, wird, wie auch schon in „Ein ganzes Leben“, die Biografie eines jungen Mannes erzählt. 

Dazu sagt Ingela Wieking anerkennend: „Ich finde, es ist wirklich eine Kunst, wie der Autor es vermag, einen großen Lebensbogen so verdichtet zu spannen.“

Dieser Roman spielt im Wien der 1960er-Jahre. Im Fokus steht besagter junger Mann, der in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist. Zunächst führt er das Leben eines Handlangers, der sich mit Hilfsarbeiten über Wasser hält. Unverhofft eröffnet sich ihm die Gelegenheit, ein Café zu pachten. Und eben dort entsteht dann mit der Zeit ein Ort der Begegnung, wo man sich trifft, um am Leben teilzunehmen.

Dabei ist der Name des Cafés symbolisch für die Bescheidenheit und Unaufgeregtheit, mit welcher der Protagonist im Buch agiert. So empfindet es Ingela Wieking.

Seethaler sei geschickt darin, Charaktere zu zeichnen und Beziehungsdynamiken zwischen Personen zu komponieren.

In „Café ohne Namen“ sei es die Beziehung zu einer Kriegswitwe, bei welcher der junge Mann lebt und die mit der Zeit zu einer Art Mutterersatz für ihn wird.

Ingela Wieking erinnert sich an ihre eigenen Seethaler-Leseerlebnisse und sagt: „Ich finde, man fühlt sich nach dem Lesen beschenkt, weil man auf angenehme Art und Weise ins Nachdenken kommt.“ Auch die originellen und fantasievollen Schilderungen haben für das von ihr empfundene Lesevergnügen gesorgt.

Die drei Bücher sind unabhängig voneinander lesbar und in der Bücherei als Buch oder Hörbuch erhältlich.
 

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