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Schweißtreibende Rekonstruktion eines alten Sommerhauses

Schweißtreibende Rekonstruktion eines alten Sommerhauses

Schweißtreibende Rekonstruktion eines alten Sommerhauses

Lakolk
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Martin Christensen baut selbst das Sommerhaus. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Foto: Brigitta Lassen

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Martin Christensen aus Emmerleff und seine Freundin kauften im Mai 2020 ein baufälliges, aber geschichtsträchtiges Feriendomizil in Lakolk auf Röm. Jetzt entsteht eine genaue Kopie des Hauses.

Inmitten moderner Sommerhäuser liegen zwei Baustellen in Lakolk auf Röm. Auf dem einen wird kräftig gehämmert und gesägt, auf dem anderen herrscht Stille. Martin Christensen aus Emmerleff (Emmerlev) ist der Einzige, der sich an diesem verregneten Tag auf „seiner“ Baustelle ins Zeug legt.

Eine klare Sache, denn der 31-Jährige baut hier ein schmuckes Sommerhäuschen für sich und seine kleine Familie. Auf seiner Baustelle stand einst ein Ferienhäuschen, das eine besondere Rolle in der Geschichte der Insel Röm gespielt hat. Das 120 Jahre alte Haus stammt aus der Zeit, als es in Lakolk noch ein Nordseebad gab.

Der Bau ist schon gut fortgeschritten. Foto: Brigitta Lassen

Gründer war der umtriebige Pastor Christian Johannes Jacobsen aus Scherrebek (Skærbæk), siehe Infokasten unten, der reich an Initiativen war, aber auch sehr leichtsinnig, eitel und herrschsüchtig war. Seine Bemühungen in Scherrebek und auf Röm endeten in einem Konkurs.

 

 

Die zum Kurbad errichteten Holzhäuser waren im charakteristischen Schweizerstil und nordischen Drachenstil gebaut und zeugen mit ihrem Aussehen vom ambitiösen Badetourismusprojekt von Pastor Jacobsen.  Von diesen sind viele abgerissen beziehungsweise so umgebaut worden, dass sie als Nordseebad-Domizil nicht mehr erkennbar sind. Oder sie sind baufällig. Letzteres traf auf Christensens Haus zu, aber der Baustil war bis auf die kleine Veranda original.

Liebe auf den ersten Blick

Doch seine Freundin Sarah Hansen und er verliebten sich in das heruntergekommene Haus. Die Kommune Tondern erlaubte den frischgebackenen Sommerhausbesitzern nur den Abriss bei Einhaltung zweier Auflagen. Der Neubau musste originalgetreu sein. Und Christensen musste bei der Rekonstruktion so viel wie möglich des alten Baumaterials wiederverwerten. Das Haus ist als bewahrungswürdig eingestuft. Das heißt: Die Besitzer haben innen freie Hand, draußen muss das Haus dem alten Modell gleichen.

Eine kombinierte Stube und Küche, zwei Zimmer und ein kleines Badezimmer können eingerichtet werden. Foto: Brigitta Lassen

 

Guter Preis

Doch diese Auflagen der Kommune schreckten Martin und Sarah trotzdem nicht ab. Sie kauften es einer Familie aus Kopenhagen, die das Haus nicht mehr nutzte, im Mai 2020 für 800.000 Kronen ab. „Das war ein guter Preis, der unter dem Grundstückspreis für Lakolk liegt, denn Sommerhausgrundstücke sind attraktiv und teuer“, erzählt der gelernte Tischler, der in Eigenarbeit und mit großer Akkuratesse ans Werk geht.

Ein solches Fenster ist keine „Stangenware“, sondern eine Spezialanfertigung. Martin Christensen hat es nicht selbst gebaut. Foto: Brigitta Lassen

Genau die Feinheiten, die die alten Kurbad-Blockhäuser auszeichnen, muss Christensen mit viel Arbeit berücksichtigen. Beispielsweise Drachenköpfe aus der nordischen Mythologie sind zu entdecken, und der Schweizer Stil ist an den Holzverzierungen unverkennbar.

„Der Verkauf war davon abhängig, dass unser Bauvorhaben von der Kommune genehmigt wurde“, berichtet der 31-jährige Handwerker, der in Thyborøn geboren wurde, aber in Hoyer (Højer) aufwuchs. Seine Eltern besitzen ein Sommerhaus auf Fanø, seine Schwiegereltern eins auf Röm. „Wir wollten auch lieber dorthin, da man bei Fanø immer auf die Fähre angewiesen ist.“

Einige der Blockhäuser des mondänen Kurbads Lakolk. Sie trugen Namen aus der nordischen Mythologie wie zum Beispiel Gefion oder Hamenaburg. Foto: lokalhistorisches Archiv
Ein Aufenthalt im Kurbad war nur etwas für betuchte Leute, im Restaurant Kaiserhalle oder im Hotel Drachenburg (Foto). Diese stattlichen Gebäude gibt es nicht mehr. Mit einem Salondampfer wurden die Gäste von Ballum bis nach Kongsmark auf Röm gebracht. Von dort ging es weiter im Pferdewagen und später auf der Spurbahn. Foto: Lokalhistorisches Archiv

 

Beim Zerlegen des Hauses wurde immer deutlich, dass es hier nicht mehr viel zu retten gab. Ein paar Balken konnten noch wiederverwertet werden. Denn das Haus war wie das auch abgerissene Holzhäuschen in unmittelbarer Nachbarschaft, das ebenfalls aus der Kurbadzeit stammte, heruntergekommen. Das Holz war morsch und das Haus entsprechend feucht.

 

Das Haus von Martin und Sarah ähnelt diesem schwarzen Feriendomizil, das auch in Lakolk liegt. Foto: Brigitta Lassen

Nur bei schweren Bauteilen und beim Abriss haben Freunde des Paares mit angepackt. Für das Pappdach wurde ein Fachmann geholt. Martin Christensen unterstreicht, dass er nicht rund um die Uhr auf der Baustelle sei. Schließlich wolle er auch mit seiner Familie zusammen sein.

„Ich wusste, dass hier ganz schön viel Arbeit auf mich zukam. Natürlich wäre es einfacher gewesen, ein fertiges Haus zu kaufen oder ein neues zu bauen. Aber es musste dieses sein, und wir träumten von einem eigenen Sommerhaus.“

Das Bauvorhaben schreitet voran. Foto: Brigitta Lassen

Die Vorbesitzer mussten beim Toilettenbesuch in einen kleinen Schuppen ins Freie gehen. Im Garten wurde mit kaltem Wasser geduscht. „Die Kommune hat uns Gott sei Dank erlaubt, etwas größer zu bauen, sodass wir ein Badezimmer drinnen bauen können“, berichtet der Vater von zwei Kindern im Alter von zwei Jahren und fünf Monaten.

Martin Christensen verkauft heute Betonelemente für Bauvorhaben in Esbjerg. Seine kaputten Schultern zwangen ihn, umzusatteln. Für die Wochenend- und Ferienarbeit in Lakolk reiche es aber noch gerade.

Zu Ostern stand das Skelett des Hauses. Im Sommer folgten Tage, an denen es unerträglich heiß war, im Freien zu arbeiten. Bei mehr als 30 Grad Hitze und Windstille und ohne Dach als schattenspendenden Schutz hatte Christensen ordentlich geschwitzt.

Der Seepavillon Schwanhildsruh des Kurbad. Foto: lokalhistorisches Archiv

Fast jedes Wochenende ist Martin auf Röm und hat auch seine Ferien und seinen Vaterschaftsurlaub in das Projekt investiert. Sein normaler Arbeitstag erstreckt sich von 6 bis 17 Uhr. „Nach zehnwöchiger handwerklicher Arbeit kann ich aber schon merken, dass mir mein Bürostuhl jetzt fehlt.“

Im Sommer 2022 will er fertig sein. Dann kann er sich vermutlich in einem Liegestuhl vor seinem schmucken Ferienhäuschen von den Strapazen ausruhen, wie vor 120 Jahren die Gäste des Kurbads Lakolk.

 

 

 

 

 

 Johannes Jacobsen

Christian Johannes Jacobsen stammte aus Hadersleben und wirkte von 1884 bis 1904 als deutscher Pastor in Scherrebek. 1890 war er Mitbegründer des deutschen Vereins für Nordschleswig und der Creditbank in Scherrebek. Mit ihren Krediten sollte sie das von Jacobsen geplante Imperium finanzieren. Dazu zählte unter anderem das 1898 in Gebrauch genomme Kurbad auf Röm.  Er hatte große politische Ziele, kandidierte mehrfach für den Reichstag und Landtag, ohne jemals gewählt zu werden. Keiner sollte sich im Zweifel sein, dass er im dänischen Scherrebek das Deutschtum vorantreiben wollte. Das deutsche Kaiserreich sollte mehr Einfluss in Nordschleswig haben, meinte er. Doch im Jahr 1903 brach sein ganzes wirtschaftliches Kartenhaus zusammen. Das Nordseebad ging genauso Konkurs wie die anderen von Jacobsen angeschobenen Projekte. Er flüchtete nach Südtirol, wo er von 1907 bis 1915 Pastor in Arco am Gardasee war. Beim Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg flüchtete er nach Deutschland und verbrachte seine letzten Lebensjahre in Bielefeld.

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