Geschichte

Ein lokalhistorischer Spürhund mit ausgefahrenen Antennen

Ein lokalhistorischer Spürhund mit ausgefahrenen Antennen

Ein lokalhistorischer Spürhund mit ausgefahrenen Antennen

Solderup
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Horst Fries befasst sich seit vielen Jahren mit der Lokal- und Familiengeschichte. Foto: Monika Thomsen

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Die Vorträge von Horst Fries stoßen in den Dörfern auf großes Interesse. Im Gespräch berichtet er über seine Faszination an der Detektivarbeit.

Zu einem Renner haben sich lokalgeschichtliche Vorträge von Horst Fries aus Solderup entwickelt. Die Einladung, in die Vergangenheit verschiedener Dörfer einzutauchen, spricht nicht nur in die Jahre gekommene Menschen an.

„Fast wie Ehemaligentreffen“

„Es kommen auch junge Menschen. Das Lustige ist, dass Leute, die eine Verbindung zu dem jeweiligen Dorf haben, auch von weither kommen. Es ist fast wie ein Ehemaligentreffen“, berichtet Horst Fries an einem Spätsommertag am Gartentisch in Solderup bei Tee und selbst gebackenem Gebäck.

Den Anstoß zu den Vorträgen gab Ruth Christensen vom Museum in Renz (Rens), wie Horst Fries berichtet.

90 Interessierte

Dort fanden sich bis zu 90 Interessierte ein. „Dann kam die Frage auf, worüber sollen wir beim nächsten Mal hören, und Stemmilt wurde vorgeschlagen. Mittlerweile hat es sich dort so eingebürgert, dass ich im Frühjahr und im Herbst einen Vortrag halte.“

Als Nächstes ist der Ort Bülderup-Bau (Bylderup-Bov) an der Reihe.

Die erste Veranstaltung dieser Art liegt mittlerweile vier bis fünf Jahre zurück.
 

In der Regel habe ich 400 Bilder mit, mehr können die Leute nicht verkraften.

Horst Fries, lokalhistorischer Referent

Fries konzentriert sich auf die drei Kirchengemeinden Buhrkall (Burkal), Hostrup und Uberg (Ubjerg). „Ich bin zwar gefragt worden, es wird aber zu viel, wenn ich mich auch mit anderen Orten befassen soll.“ 

400 Bilder pro Veranstaltung

Mittlerweile hat er auch beim Buchcafé in Jeising (Jejsing), wo es Platz für 50 Teilnehmende gibt, mehrere Vorträge gehalten. Allein für Rohrkarr (Rørkær) gab es insgesamt 200 Interessenten. Wegen der Fülle an Material hat er das Dorf in Süd und Nord aufgeteilt.

„In der Regel habe ich 400 Bilder mit, mehr können die Leute nicht verkraften“, so seine Erfahrung. Und zum Ablauf gehört eine Kaffeepause. Von Stemmilt zum Beispiel hat Fries 1.200 Aufnahmen. Insgesamt hat er aus den drei Gemeinden um die 80.000 Fotos.

Aha-Erlebnis programmiert

„Ich fange immer mit einem wiedererkennbaren Motiv an, um ein Aha-Erlebnis auszulösen“, so Horst Fries. Dann rollt er die Vergangenheit rückwärts auf und landet beim ältesten Bild.

Am Treppenaufgang zum ersten Stock hat die Ahnengalerie von Dorte und Horst Fries ihren Platz. Foto: Monika Thomsen

Alte Fotos aus der Landwirtschaft

Während sich Motive von Handwerkern, Schneidern und Schmieden nur schwer finden lassen, sieht es mit der Landwirtschaft besser aus. Da gibt es Bilder vom Ernten oder vom Strohfahren.

„Kinderbilder zeige ich nicht. Die ähneln sich alle“, lacht der Lokalhistoriker. Für seine PowerPoint-Präsentation nimmt er am liebsten professionelle Porträt-Fotos und Aufnahmen von verschiedenen Situationen. Bei den Häusern konzentriert er sich auf Gebäude, die 60 Jahre oder älter sind.

Der Startschuss für das Sammeln von Bildmaterial erfolgte in seiner Zeit als Bankmitarbeiter in Bülderup-Bau.

„Ich begann damit eigentlich aus Spaß an der Freud. Dort kamen viele Menschen aus dem Dorf Lund herein, und ich fing an, sie nach alten Bildern zu fragen“, so Horst Fries. 

Ahnenforschung fing in der Jugend an

Sein Interesse an Familienzusammenhängen liegt jedoch viel weiter zurück. Das wurde in Horst Fries, der unlängst seinen 70. Geburtstag feierte, in ganz jungen Jahren geweckt.

Als 14-Jähriger stieß er in der deutschen Bücherei in Tondern (Tønder) auf ein kleines Taschenbuch zum Thema „Ahnenforschung, wie greife ich es an“. Damit wurde der Spürhund für Familienbande in ihm wach.

„Ich fing mit meinen Großeltern an, die in Uk lebten und die ihre Großeltern erinnern konnten“, sagt Fries, mittlerweile selbst mehrfacher Opa.

Manchmal hilft der Zufall weiter

Der Zufall spiele in vielen Zusammenhängen eine Rolle. „Ich habe immer die Antennen herausgefahren“, so Horst Fries.

Als er im jungen Alter nach den Wurzeln seiner Ahnen suchte, sprang seine Mutter als Privatchauffeurin ein, wenn er ins Landesarchiv sollte.

„Sie las dann auch immer die Beiträge in gotischer Schrift für mich“, so Fries. Inzwischen hängt nicht nur die visuelle Ausgabe seiner Ahnen im Treppenaufgang, sondern auch die seiner Frau Dorte.

Anno 2022 hat ein Archiv-Besuch Seltenheitswert und seine Nachforschungen erfolgen am Computer.

Horst Fries hat seine Familiengeschichte in Buchform zu Papier gebracht. Foto: Monika Thomsen

Orts-Wanderungen laufen gut

Fries führt außerdem für den Lokalhistorischen Verein in Tondern, wo er im Vorstand mitarbeitet, lokalhistorische Wanderungen durch. Auch diese sind eingehend vorbereitet, und die Teilnehmenden werden außer in mündlicher Form auch schriftlich mit bebilderten Informationen ausgestattet.

Bereits 1991 schrieb Horst Fries zwei Bücher über Solderup, die im Original im lokalhistorischen Archiv stehen.

Es war der erste Ort, den er sich vorknöpfte – durch die lokalgeschichtliche Brille gesehen. Im kommenden Jahr hat der gebürtige Sether dort seit fünf Jahrzehnten seinen Lebensmittelpunkt. 

Die spannenden Seiten des „Jobs“

„Das ist mein treuer Mitarbeiter Kolumbus“, sagt er, als ein Geräusch zu hören ist. Kolumbus hat aber weder bei der Ahnenforschung noch bei der Lokalgeschichte die Finger im Spiel, sondern er mäht ganz automatisch den Rasen.

Fries berichtet, dass sich etwa ab 1850 herum gewöhnliche Leute, die etwas Geld hatten, auch ablichten ließen.

„Das Spannende ist es, zu Leuten herauszukommen und in alten Alben zu stöbern. Wenn wir dann in einem ganz alten dicken Pappe-Album blättern und Bilder herausziehen, werde ich wie elektrisiert“, erzählt er, und seine Faszination ist zu spüren.

Als Erstes hat Horst Fries Solderup genauer unter die Lupe genommen und darüber geschrieben. Foto: Monika Thomsen

Ertragreiche Besuche

Horst Fries ist im Winterhalbjahr in lokalhistorischer Mission sehr viel auf Achse.

„Es bringt am meisten, wenn ich die Leute besuche. Manchmal heißt es, sie haben ein paar alte Bilder und etwas an der Wand hängen. In der Regel finde ich dann noch weitere Dinge, und manchmal geht es ins Schlafzimmer, wo ein Familienbild hängt“, erzählt Horst Fries.

Leider seien auch Sachen weggeworfen worden.

In einigen Fällen entwickelt sich ein längerer Dialog. Und es kommt auch vor, dass Fries sich bei einer Familie für das zur Verfügung gestellte Material mit einer Ahnentafel revanchiert.

Im Sommerhalbjahr ruhen die Nachforschungen zur Lokalgeschichte. Foto: Monika Thomsen

Eine zeitaufwendige Mission

In seinem Computer wohnt jedes beschriebene Haus in einem eigenen Ordner, und dann gibt es auch noch Unter-Mappen.

„Die Detektivarbeit ist spannend, aber zeitaufwendig. Ich suche auch in den Volkszählungen Informationen“, so der  70-Jährige, der mit Leidenschaft in der Vergangenheit herumstöbert.

Zurück zur Gegenwart: Kolumbus dreht seine Runden auf dem Rasen, und in der Küche auf dem Herd köcheln Tomaten aus dem Gewächshaus für Püree. Sie werden in 40 bis 50 Gläsern in der Speisekammer landen und den 56 Gläsern mit Rote Bete Gesellschaft leisten.

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