Deutsche Minderheit

Frauenschicksale: Ein Thema mit großer Anziehungskraft

Frauenschicksale: Ein Thema mit großer Anziehungskraft

Frauenschicksale: Ein Thema mit großer Anziehungskraft

Tondern/Tønder
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Der Vortrag von Ilse Friis (r.) stieß in Tondern auf großes Interesse. Foto: Monika Thomsen

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Mit 80 Leuten waren die Plätze im Schützenhaus in Tondern beim Vortrag von Ilse Friis voll ausgebucht. Die beiden einzigen weiblichen Namen auf den Gedenktafeln auf dem Knivsberg erinnern an Nordschleswigerinnen aus Arrild und Norderlügum. Die jungen Frauen kamen im Alter von 20 Jahren in Flensburg und Bad Bramstedt ums Leben.

Mit ihrem Vortrag über Frauen aus der Minderheit während des Nationalsozialismus stieß Ilse Friis kürzlich im Schützenhaus in Tondern auf ein komplett volles Haus.

Die 80-köpfige Teilnehmerschar lauschte gebannt den Ausführungen der früheren Leiterin des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa), die auch Vorsitzende des Deutschen Museums in Sonderburg (Sønderborg) ist. Dort hat die ehrenamtliche Historikerin die Lebensläufe in sieben verschiedene Kategorien eingeordnet.

Die Kategorien
• Die Humanitären
• Die Überzeugten
• Die Lehrerinnen
• Die „Führerinnen“
• Die Frauen im Dibbernhaus
• Die Dahinterstehenden
• Die Gegnerinnen

Neutrale und objektive Schilderung

„2023 steht es uns gar nicht zu, die Taten oder die Aktivitäten der Frauen von damals zu bewerten“, so Ilse Friis einleitend. Daher habe sie versucht, die Schicksale der Frauen auf neutrale und objektive Art darzustellen.

Aus dem Raum Tondern erwähnte Ilse Friis unter anderem die Mutter der 1996 verstorbenen Gemeindeschwester Adeline Hauschildt aus Jeising (Jejsing), die zu den Frauen gehörte, die wegen ihrer Rolle im Nationalsozialismus ins Gefängnis kamen.

Sie wurde beschuldigt, der Gestapo ihre Wohnung zur Verfügung gestellt zu haben, damit sie den gegenüberliegenden Tabakladen eines vermeintlichen Widerstandskämpfers überwachen konnte. „Sie wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt“, erzählte Ilse Friis.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer waren bei den Ausführungen ganz Ohr. Foto: Monika Thomsen

Die zwei Mädchennamen in der Gedenkstätte

In ihren interessanten Ausführungen berichtete die Referentin auch über das Schicksal der zwei jungen Frauen aus der jetzigen Kommune Tondern, deren Namen die einzigen weiblichen auf den sieben Tafeln in der Gedenkstätte auf dem Knivsberg (Knivsbjerg) sind.

Dabei handelt es sich um die in Norderlügum (Nørre Løgum) bei Lügumkloster (Løgumkloster) geborene Helga Christiansen, die sehr früh verwaiste. Ihr Vater starb, und ein älterer Bruder kam im Krieg ums Leben.

Ilse Friis erzählte im Gespräch, dass Helga Christiansen und zwei jüngere Geschwister zu Pflegeeltern kamen, da die Mutter psychisch nicht mit dem Tod ihres Mannes fertigwurde. Sie kam erst zu einer Pflegemutter mit einem Sohn.

Als die Umstände ihren weiteren Verbleib dort unmöglich machten, nahm eine Frau Kjær sich ihrer an.

Pflegemutter vermisste die junge Helga

Die Pflegemutter sei es auch gewesen, die die im Landdienst arbeitende Helga Christiansen Mitte April 1945 als vermisst meldete.

„Die Mädchen meldeten sich freiwillig, um in der Landwirtschaft, auf dem Hof oder im Haushalt zu arbeiten. Während es in Deutschland ein Pflichtjahr war, wurde es hier in Nordschleswig gerne gesehen“, erläuterte Ilse Friis.

Bei ihren Nachforschungen erhielt sie in diesem Fall Unterstützung von Lokalhistoriker Bent Beim aus Arrild. Er stieß in seinem lokalgeschichtlichen Facebook-Netzwerk auf die Nachricht vom Tod von Helga Christiansen.

Die Teilnehmenden hatten sich aus verschiedenen Orten nach Tondern aufgemacht. Foto: Monika Thomsen

Im Arbeitslager ging das Leben zu Ende

„Sie kam nach dem 8. Mai 1945 durch die Engländer in ein Arbeitslager in Bad-Bramstedt. Dort ist sie am 16. Dezember 1945, 14 Tage nach ihrem 20. Geburtstag gestorben“, berichtet Ilse Friis.

Die Familie von Helga Christiansen hatte die Benachrichtigung von ihrem Tod bekommen.

Beim Bombenangriff gestorben

Lokalhistoriker Horst Fries aus Solderup hatte bei der Suche nach Informationen zu Hertha Simonsen aus Westergaard bei Arrild einen Finger mit im Spiel.

„Sie hat zu Hause in der Landwirtschaft gearbeitet, bevor sie nach Flensburg ging. Dort wurde sie in der Fischkonservenfabrik in der Batteriestraße beschäftigt und kam 1943, als die Engländer die Nordstadt von Flensburg gebombt haben, ums Leben.“

„Ich denke, es ging ihnen sicher eher um die dort liegende Werft und die Stadtwerke als um die Konservenfabrik“, sagt Ilse Friis. Hertha Louise Simonsen starb am 19. Mai 1943, sechs Tage nach ihrem 20. Geburtstag. Sie wurde am 25. Mai beerdigt.

In der „Nordschleswigschen Zeitung“ gedachten damals Kameradinnen  der jungen Hertha Simonsen.

Das Schild wurde an das Museum in Sonderburg übertragen. Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Das Schweigen in der Familie

Ilse Friis zeigte während ihres Vortrags auch ein Bild von einem Holzschild mit dem Schriftzug: „Nie davon sprechen immer daran denken“.

Ein im Faarhus-Lager inhaftierter Mann hatte das Schild geschnitzt, das von einem Stacheldraht-Muster umrandet wurde. Er hielt sich auch nach seiner Entlassung an diese These. Es wurde in der Familie in Tondern nie über die Kriegsereignisse gesprochen. Mittlerweile ist das Schild in den Museumsbestand in Sonderburg gewechselt.  

Zum Abschluss der gemeinsamen Veranstaltung des Sozialdienstes Tondern, des BDN Tondern (Bund Deutscher Nordschleswiger), der Kirchengemeinde, der deutschen Bücherei und des deutschen Museums war für alle genug Suppe da.

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