Nachruf

„J. K. Hansen: Brückenbauer für das Land und für die deutsche Minderheit“

J. K. Hansen: Brückenbauer für das Land und für die deutsche Minderheit

Brückenbauer für das Land und für die deutsche Minderheit

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Nordschleswig
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J. K. Hansen (r.) hier mit auch mit Hans Heinrich Hansen (l.) und Siegfried Matlok Foto: Archiv

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Mit dem Tode von J. K. Hansen verliert die deutsche Minderheit einen guten Freund, der hinter den Kulissen zur Errichtung des deutschen Sekretariats Kopenhagen beitrug – und der mit einer Meldung im „Nordschleswiger“ für einen historischen Brückenbau sorgte. Der frühere Sekretariatsleiter und Chefredakteur Siegfried Matlok erinnert an einen auch persönlichen Freund.

Im Alter von 96 Jahren ist der frühere sozialdemokratische Minister Jens Kristian Hansen – nur J. K. genannt – in Sonderburg gestorben; nur zwei Monate nach dem Tode seiner geliebten Ehefrau Dagmar, die ihm stets, vor allem aber in den letzten Jahren auch der körperlichen Mühen, eine unentbehrliche Stütze war. Über fast zwei Jahrzehnte war J. K. eine zentrale Figur seiner Partei auf Christiansborg von 1975-1994, nicht zuletzt hat er sich im wahrsten Sinne des Wortes als Brückenbauer bleibende Verdienste für Dänemark erworben.

Hansen –  ursprünglich ziviler Major an der Sonderburger Kaserne, das Militärische verkörperte er allerdings nicht – gelang 1975 der Sprung ins Folketing, nachdem die Sozialdemokraten bei den Umbruchswahlen 1973 sogar in ihrer Sonderburger Hochburg das stets so sicher geglaubte Mandat von Peter Gorrsen eingebüßt hatten. J. K. machte sich zunächst als unterrichtspolitischer Sprecher auf Christiansborg einen Namen, und die Fraktion wählte ihn vorübergehend in stürmischen Zeiten um Ritt Bjerregaard vertrauensvoll sogar zum Vorsitzenden.

Foto: Archiv

Paarlaufen mit Kaj Ikast

Sein Herz schlug jedoch vor allem für die Verkehrspolitik, und 1981 bekam er seinen Traumjob als Verkehrsminister in der Regierung Anker Jørgensen, doch kaum ein Jahr später trat Anker Jørgensens Kabinett zugunsten von Poul Schlüter zurück.

J. K. blieb jedoch bei seinen Leisten, wurde nun Vorsitzender im einflussreichen Verkehrsausschuss, ein Platz, der nach dem Regierungswechsel eigentlich den Bürgerlichen zustand, doch der nordschleswigsche FRP-Politiker Helge Dohrmann überließ – ganz ungewöhnlich für Christiansborg – diesen Schlüsselposten dem Fachmann J. K. Hansen. Wenn man an die großen Infrastrukturprojekte in Dänemark, also an die Große-Belt-Brücke und an die Öresund-Verbindung denkt, dann muss man von einem erfolgreichen Paarlaufen zweier nordschleswigscher Politiker sprechen, die gemeinsam so manche hohe politische Hürde genommen haben.

Es waren der konservative Verkehrsminister Kaj Ikast aus Gramm (von 1990-1993) und der Sonderburger Hansen, die in verschiedenen Positionen damals die sogenannte „Verkehrs-Mafia“ des Folketings im Griff hatten und so für breite Mehrheiten sorgten. Das gilt für die Große-Belt-Brücke, wo dem Verkehrsminister Ikast sogar das Wasser buchstäblich bis zum Halse stand, und nicht zuletzt für die schwierigen Verhandlungen mit Schweden über die Öresund-Verbindung. Ikast hatte seine liebe Mühe, eine Einigung mit den Schweden zu erreichen, doch dann sprangen ihm die Sozialdemokraten Svend Auken und J. K. Hansen sowie der Gewerkschafts-Vorsitzende Georg Poulsen zur Seite und vermittelten so einen erfolgreichen Abschluss mit ihren schwedischen Genossen; übrigens auch bereits mit einer Vor-Vereinbarung für die jetzt im Bau befindliche Fehmarn-Verbindung.

Die Namen J. K. Hansen und des 2020 verstorbenen Kaj Ikast werden immer mit dem Großen Belt (eingeweiht 1997) und der Öresund-Verbindung  (2000) verbunden bleiben; als historische Brückenbauer für das Land, wobei J. K. selbst bereits 1994 das Folketing verlassen und seinen Posten im Sonderburger Wahlkreis (den er stets sorgsam bürgernah pflegte) an Frode Sørensen übergeben hatte.

J. K. verhalf zum Durchbruch für Kopenhagener Sekretariat

Mit der deutschen Minderheit kam Hansen durch seine politische Arbeit in Kontakt: Von 1973-1979 gehörte der Chefredakteur des „Nordschleswigers“, Jes Schmidt, als Mitglied der CD-Fraktion dem Folketing an, und die beiden arbeiteten etwa beim deutsch-dänischen Deich und bei dem ersten, etwas schmaleren Teilstück der Nordschleswig-Autobahn zusammen.

Als Jes Schmidt 1979 plötzlich starb und die Zusammenarbeit zwischen der Schleswigschen Partei und der CD unerwartet (und leider unnötig) zerbrach, da wurde von der deutschen Minderheit der Wunsch an die dänischen Parteien nach einem Kopenhagener Sekretariat herangetragen, denn eine Sonderregelung in Sachen Sperrklausel war damals völlig unrealistisch.  

Dass es zu einem Durchbruch kam, ist auch ein Verdienst von J. K. Hansen gewesen, der als Fraktionsvorsitzender den sozialdemokratischen Staatsminister Anker Jørgensen davon überzeugte, eine solche nicht-parlamentarische Lösung für die deutsche Minderheit zu ermöglichen. Gemeinsam mit dem BdN-Hauptvorsitzenden Gerhard Schmidt und Generalsekretär Peter Iver Johannsen nahm ich bei orkanhaftem  Sturm im Versammlungshaus von Haberslund/Hovslund an einem Gespräch mit Regierungschef Jørgensen teil. Hier wurden die Weichen für das Sekretariat gestellt, sodass der konservative Nachfolger von Jørgensen, Poul Schlüter, im September 1983 die Einweihung durchführen konnte.

In der Peder Skramsgade 11 war J. K. Hansen oft ein gern gesehener, geschätzter  Gast, mit dem – ebenso wie mit seinem Norburger Kollegen Svend Taanquist – viele Fragen für die deutsche Volksgruppe geklärt werden konnten.

J. K. und „Der Nordschleswiger“

 

Als Chefredakteur des „Nordschleswigers“ pflegte ich – parallel zu meiner Tätigkeit in Kopenhagen – auch journalistisch einen engen Kontakt zu den nordschleswigschen Abgeordneten, und hier war J. K. nicht nur stets ein wichtiger Gesprächspartner, sondern oft auch insgeheim die Quelle für viele interessante politische Meldungen in unserer  Zeitung; fast jeden Sonntag konnte ich mich bei ihm über die Politik hinter den Kulissen informieren lassen. 

Die Meldung, die wohl die größte Wirkung erzielte, war unsere Titelseite vom 2. Juni 1984, wo   J. K. Hansen den anfänglichen sozialdemokratischen Widerstand gegen die Große-Belt-Verbindung aufgab und erstmalig die Zustimmung seiner Partei zu einer Brücken-Verbindung zwischen Fünen und Seeland signalisierte. Die Meldung – von uns auch über „Ritzaus Bureau“ landesweit verbreitet –  elektrisierte Christiansborg. Zwei Tage nach dieser Meldung wurde ich als Sekretariatsleiter von Staatminister Poul Schlüter im Staatsministerium empfangen, und seine Reaktion habe ich damals in folgender vertraulicher Gesprächs-Notiz festgehalten, die ich nun erstmalig veröffentliche, weil sie Schlüters Dankbarkeit gegenüber J. K. Hansen ausdrückt.

Foto: Archiv

Mein Kontakt zu J. K. Hansen blieb auch nach seiner Laufbahn auf Christiansborg bis zuletzt erhalten, zumal J. K. weiterhin politisch aktiv blieb: vorübergehend sowohl als Vorsitzender des für die Verwaltung der dänischen Staatsmittel in Südschleswig zuständigen sogenannten Fünf-Mann-Ausschusses und auch als Abgeordneter im nordschleswigschen Amtsrat, wo auch seine Kollegen von seiner großen Erfahrung profitierten.

Mit J. K. Hansen ist ein Freund der deutschen Minderheit von uns gegangen, und ich habe selbst einen guten langjährigen Freund verloren. Auch weil wir uns beide an unserem jeweiligen Geburtstag am 5. Juni stets gegenseitig telefonisch gratulierten.

Nicht nur seine Stimme werde ich vermissen!

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