Lobby-Arbeit des BDN

Was macht eigentlich das Sekretariat der deutschen Minderheit in Kopenhagen?

Was macht eigentlich das Sekretariat der deutschen Minderheit in Kopenhagen?

Was macht das Sekretariat der deutschen Minderheit?

Kopenhagen/Nordschleswig
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Harro Hallmann bleibt Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit, deren Interessen er in Kopenhagen vertritt. Foto: Marle Liebelt

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Die deutsche Minderheit ist seit 1979 nicht mehr im dänischen Parlament vertreten. Dafür gibt es seit 1983 das Sekretariat. Das macht den BDN zum einzigen staatlich finanzierten Lobby-Verband. Aber was genau macht Sekretariatsleiter Harro Hallmann eigentlich?

„Moin, ich bin Birte.“; „Hallo, – Serpil.“; „Thomas, Moin.“ 

Wir befinden uns in Kopenhagen und bei Thomas, Serpil und Birte handelt es sich um Thomas Losse-Müller, Serpil Midyatli und Birte Pauls. Gemeinsam mit ihren Parteikolleginnen und -kollegen der SPD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein sind sie an diesem Donnerstag zu Besuch bei Harro Hallmann im Sekretariat der deutschen Minderheit. 

Gruppenfotos - wenn Harro Hallmann Besuch im Sekretariat bekommt, steht meistens auch ein Gruppenfoto auf dem Programm. Foto: Marle Liebelt

Harro Hallmann ist in seinem Element. „Über solche Besuche freue ich mich wirklich besonders“, verrät der Sekretariatsleiter, nachdem die Abgeordneten weitergezogen sind. Diese Gespräche mit Politikerinnen und Politikern gehören zu seinem Job als Sekretariatsleiter und Kommunikationschef des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN).

Er ist die Lobby der Minderheit. Wer Hallmann beim Reden über die Bedeutung des Sekretariats zuhört, merkt, dass er voll dahintersteht. „Das Sekretariat ist unsere Stimme in Dänemarks Politik.“ 

Knapp 40 Jahre Sekretariat

1979 verlor die Minderheit ihre parlamentarische Stimme im Folketing (Chefredakteur Jes Schmidt hatte bis dahin über ein Huckepack-Verfahren mit den Zentrum-Demokraten die Minderheit im Folketing vertreten) und musste eine neue Lösung finden, um ihr gesetzlich verankertes Recht auf eine Vertretung der eigenen Interessen in der dänischen Politik wahrnehmen zu können. 

1983 konnte sich die Minderheit gemeinsam mit der damaligen Regierung um Staatsminister Poul Schlüter darauf einigen, dass die Volksgruppe ein eigenes Sekretariat bekommt. Das macht den BDN übrigens zum einzigen staatlich finanzierten Lobby-Verband. 

Dass wir das Sekretariat haben, ist gut. Aber es kommt nicht an einen Platz im Parlament heran.

Harro Hallmann, Sekretariatsleiter

Nicht in allen Ländern genießen die Minderheiten diese Privilegien und Schutz der eigenen Interessen – dessen ist Hallmann sich bewusst. Er sagt aber auch:

„Dass wir das Sekretariat haben, ist gut. Aber es kommt nicht an einen Platz im Parlament heran.“ Eine parlamentarische Vertretung der Minderheit im Folketing ist derzeit jedoch nicht in Sicht. 

Netzwerk beidseitig der Grenze

Als „Der Nordschleswiger“ an diesem Donnerstag zu Besuch ist, um Hallmann bei seiner Arbeit zu begleiten, hat er jedoch gleich zwei Termine mit Personen, die überhaupt nichts in Kopenhagen entscheiden – mit der SPD am Vormittag, und am Nachmittag kommen zwei Schulgruppen der Deutschen Privatschule Apenrade (DPA). 

 

Wir sprechen mit jedem. Wer demokratisch gewählt werden kann, ist für uns ein Gesprächspartner.

Harro Hallmann, Sekretariatsleiter

„Ja, das war ein bisschen Zufall. Aber das gehört eben auch zu meinen Aufgaben dazu.“

Als Sekretariatsleiter und Kommunikationschef des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), dem Dachverband der deutschen Minderheit in Nordschleswig, pflegt er die Kontakte beiderseits der Grenze und ist für diese ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner. 

An diesem Donnerstag hatten die SPD-Politikerinnen und -Politiker viele Fragen zur anstehenden Folketingswahl und waren dankbar für Hallmanns Einordnungen. 

Harro Hallmann beantwortet die Fragen des SPD-Fraktionsvorsitzenden von Schleswig-Holstein, Thomas Losse-Müller. Foto: Marle Liebelt

Formelle und informelle Treffen

Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Losse-Müller ist es „selbstverständlich, dass wir auch hier bei Harro vorbeischauen, wenn wir schon mal in Kopenhagen sind“. 

Kontaktpflege. Das ist mal formell, mal informell. „Tatsächlich ist beides sehr wichtig“, erzählt Hallmann. Dabei gilt: „Wir sprechen mit jedem.“

Als Privatmann Harro Hallmann geht auch er am 1. November zur Wahl und setzt sein Kreuz bei einer Partei. „Als Sekretariatsleiter darf das keine Rolle spielen, der BDN ist neutral.“ 

Das bedeutet: Hallmann trifft sich mit Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien. Gerade erst hatte er ein Treffen mit der Rechtspopulistin Pernille Vermund von den Neuen Bürgerlichen.

„Wer demokratisch gewählt werden kann, ist für uns ein Gesprächspartner.“

In den Gesprächen geht es für Hallmann nicht nur darum, Informationen über die Minderheiteninteressen weiterzugeben. 

Hallmann versucht, Verständnis zu erzeugen 

Nicht jede und jeder weiß, was die Minderheit ist und warum es sie gibt. Es ist Hallmanns Aufgabe, das zu vermitteln und Verständnis für die Forderungen der Minderheit zu erzeugen.

„So etwas funktioniert am besten im persönlichen Gespräch, in dem man aufeinander eingehen kann.“ 

Immerhin gehe es auch um öffentliche Gelder, die bereitgestellt werden, damit die Minderheit das Sekretariat mit der halben Stelle des Sekretariatleiters bezahlen kann.

Denn so viel ist klar: Die Minderheit ist darauf angewiesen, dass es ein breites Verständnis und Einigkeit darüber gibt, dass sie schützenswert ist.

Wenn Harro Hallmann keine persönlichen Termine hat, steht Büroarbeit auf dem Programm. Foto: Marle Liebelt

Jedoch sind nicht nur Spitzenpolitikerinnen und -politiker wichtig. „Unsere wichtigsten Ansprechpartner sitzen im Kontaktausschuss.“

Dieser ist das Bindeglied zwischen dem BDN und dem Folketing sowie der Regierung. Aktuell ist er im Kulturministerium beheimatet. 

Der BDN braucht TikTok

Hallmann setzt seine Energie meist in ein großes Projekt zur Zeit. Die Kommunikationsmittel sind ein jüngstes Beispiel, mit deren Verhandlungen Hallmann sich sehr intensiv auseinandergesetzt hat.

Der Minderheit wurde einst zugesagt, dass sie ein Anrecht auf einen Radio- bzw. TV-Sender hat. „Aber was sollen wir damit? Wir sind keine große Volksgruppe.“

 

Die Vernetzung wächst mit der Zeit und spielt für meine Arbeit im Sekretariat natürlich eine große Rolle.

Harro Hallmann, Sekretariatsleiter

Dahinter steckt die Idee des Informationsrechtes, und das sei laut Hallmann grundsätzlich wichtig. Und so konnte die Minderheit unter anderem dank Hallmann jüngst erreichen, dass ihr jährlich ein fester Betrag für Kommunikationsmittel bereitgestellt wird.

„Wir bekommen 2,4 Millionen Kronen im Jahr. Sicher ist das bis 2026, also für vier Jahre.“ Er ist zuversichtlich, dass die Laufzeit verlängert wird. Ob für Informationskampagnen, Social-Media-Arbeit, eine neue Internetseite – das Geld kann der BDN frei einsetzen. 

Schülerinnen der Deutschen Privatschule Apenrade (DPA) finden, der BDN braucht TikTok. Diese Anregung hat Hallmann von seinem Nachmittagstermin am Donnerstag mitgenommen, als die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse zu Besuch kamen und sich sozusagen mit der SPD die Klinke in die Hand gaben. 

Wenn Jugendliche vorbeischauen ... 

Anders als bei Besuchen aus der Politik fühlt sich Hallmann bei Besuchen von Schülerinnen und Schülern nicht in seinem Element.

„Ich glaube, jüngere Leute haben einen besseren Draht zu den Jugendlichen als ich. Aber ich freue mich trotzdem sehr über diese Besuche und hoffe, dass der ein oder andere etwas mitnehmen kann.“

In diesem Punkt scheint Hallmann sich unterschätzt zu haben. Spätestens als die Klasse die Bonbons auf den Tischen auspacken konnte, hatte er sie. Und einige neugierige Fragen darüber, ob er „aufgeregt ist, wenn er mit den Politikern redet“ und ob Däninnen und Dänen auch bei der Minderheit mitmachen können, konnte Hallmann beantworten.

„Klar, dafür sitzen hier unter euch doch bestimmt ein paar Beispiele“, antwortet der Sekretariatsleiter.  

Wie geht's weiter?

Hallmann macht diesen Job seit 2020 und scheint mehr und mehr in seine Rolle hineinzuwachsen. „Die Vernetzung wächst mit der Zeit und spielt für meine Arbeit im Sekretariat natürlich eine große Rolle.“

Vor ihm gab es nur zwei andere Minderheitenangehörige in seiner Position: der ehemalige Chefredakteur des „Nordschleswigers“, Siegfried Matlok (1983 bis 2007), und Jan Diedrichsen (2007 bis 2019).

Es dauert noch etwas, bis die nächste Wahl eines Sekretariatsleiters oder einer Sekretariatsleiterin ansteht – der BDN-Vorstand wählt diesen alle vier Jahre. Aber Harro Hallmann ist sich sicher: „Es würde mich sehr freuen, wenn ich diese Arbeit weitermachen darf.“ 

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