Leitartikel

„Keine Angst vorm Fehmarnbelt-Tunnel“

Keine Angst vorm Fehmarnbelt-Tunnel

Keine Angst vorm Fehmarnbelt-Tunnel

Apenrade/Aabenraa
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Das Verkehrsprojekt hat bisher vor allem Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark aufgezeigt. Doch es hat Potenzial, auch aus klimapolitischer Sicht, mein Cornelius von Tiedemann.

Für die Gegnerinnen und Gegner der festen Fehmarnbelt-Querung hat es am Donnerstag erneut eine juristische Schlappe gegeben – Klagen der Fährbetreiber Stena Line und Scandlines sollen abgewiesen werden.

Es ist aus wirtschaftlicher Sicht nur allzu verständlich, dass sich die Fährbetreiber die Konkurrenz durch den Tunnel so lange wie möglich vom Hals halten wollen und dafür alles tun. Und manch einer mag ihnen auch recht geben, wenn sie es unfair finden, wie der Tunnel staatlich subventioniert wird.

Dennoch ist es ein einerseits aussichtsloser – und andererseits auch gesamtgesellschaftlich betrachtet nicht hilfreicher Kampf, der da geführt wird. Im Gegensatz zu den Naturschützern in Dänemark, die den massiven Eingriff in die Natur als unabwendbar akzeptiert und sich mit beachtlichen Umwelt-Ausgleichsprojekten und dem Verzicht auf eine Brücke zufriedengeben, kämpft die Allianz aus Umweltschützern auf deutscher Seite und Fährbetreibern ihren aussichtslosen Kampf aber wohl weiter, auch nach der jüngsten Mitteilung aus Luxemburg.
 
Bisher hat das Tunnel-Projekt also vor allem dafür gesorgt, Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark aufzuzeigen. Im Planungsrecht und in der Art und Weise, in der Gesellschaft gedacht wird. Zum Beispiel, wo sich Dänemark und Deutschland auf einer Skala zwischen den Extremen Konsensdemokratie auf der einen und Konfliktdemokratie auf der anderen Seite einordnen lassen würden.

Doch kulturelle Unterschiede gehören zum Projekt Europa ebenso wie der Tunnel als Teil der Nord-Süd-Achse zwischen Finnland und Sizilien. Er bringt also nicht nur Ostholstein und Lolland-Falster näher aneinander, sondern ganz Skandinavien näher nach Europa – und umgekehrt.

Lächerlich, mögen manche sagen, mit dem Flugzeug ist man doch heute schon in Windeseile überall. Das stimmt. Aber es geht bei dem Tunnel-Projekt einerseits nicht nur um den Personenverkehr, sondern auch um den möglichst reibungsfreien Gütertransport – und andererseits bietet er all jenen, die für umwelt- und klimafreundlichere Reisen am Boden werben, positive Argumente.

In Zeiten, in denen Alternativen zum Fliegen hermüssen und die Flugscham um sich greift, wäre es doch angebracht, auch zu würdigen, dass mit dem Tunnel zeit- und ressourcensparende Alternativen auf Schiene und Straße ermöglicht werden.

Natürlich wird der Tunnel keinen plötzlichen Wirtschaftsboom auslösen. Kopenhagen und Hamburg werden nicht urplötzlich zu unzertrennlichen Schwesterstädten verschmelzen. Und im Alltag in Ostholstein wird Dänemark erst mal möglicherweise keine viel größere Rolle spielen als bisher. Einiges der Wirkmacht, die der Fehmarnbelt-Querung in Sonntagsreden zugesprochen wird, ist auch Wunschdenken. Doch: Wo (und was) wären wir Menschen ohne das?

Und wo bleiben wir Nordschleswiger nun mit der Fehmarnbelt-Querung? Wieder mal außen vor?

Nein. Zwar führt der Verkehr an Nordschleswig vorbei – aber das tut er auf der Strecke doch heute auch schon, nur eben langsamer. Auch der Jütland-Korridor ist doch Teil der EU-Nord-Süd-Achse.

Und, wie gesagt, eine schnellere Tansport-Verbindung wird nicht automatisch zu mehr Annäherung führen –  dazu braucht es noch immer die kulturelle Komponente. Und die bieten wir in Nord- und Südschleswig.

Also, auch wenn sie am Belt einen Verkehrs-Tunnel bekommen, die viel bemühten menschlichen Brücken zwischen Dänemark und Deutschland, die werden auch weiterhin hier bei uns gebaut.

 

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