Leitartikel

„Die Identität der Minderheit: Wer sind wir eigentlich? Teil 2“

Die Identität der Minderheit: Wer sind wir eigentlich? Teil 2

Die Identität der Minderheit: Wer sind wir eigentlich II

Nordschleswig
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Die Frage der eigenen Identität und die Identität der deutschen Minderheit beschäftigt viele im Grenzland. Dennoch gibt es nicht die eine Minderheiten-Identität, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Wer sind wir eigentlich? Sind wir dieselben wie unsere Eltern? Waren sie damals mehr Deutsch, und sind wir heute mehr Dänisch? Sind wir Deutsch und Dänisch? Deutsch-Dänisch? Oder vielleicht Deutsch-Sønderjysk?

Diese Fragen haben wir bereits vor einigen Wochen an dieser Stelle im „Nordschleswiger“ gestellt und als Folge dessen in den vergangenen Tagen verschiedene Artikel zum Thema Identität in der Minderheit aufgegriffen. Die Gespräche mit Alteingesessenen, ehemaligen Zugezogenen, Forscherinnen und Forschern sowie verschiedenen Generationen in der Minderheit haben deutlich gezeigt, dass es „die Identität der deutschen Minderheit in Nordschleswig“ so nicht gibt.

Hätten wir auch die gesamte Minderheit befragt: Keine zwei Personen hätten dieselbe Antwort gegeben. Gewiss, an die Bereiche Sprache, Kultur, Gemeinschaft, Zugehörigkeit können die meisten ein Häkchen setzen, dass sie identitätsbildend sind. Aber eben mit unterschiedlicher Gewichtung und jeweils bei eigenem Blickwinkel. Wir bringen alle Unterschiedliches mit in die Minderheit – und nehmen für uns selbst das Unterschiedlichste mit heraus.

Wer in einer Minderheit aufgewachsen – oder dazugestoßen – ist, muss sich unweigerlich mit der eigenen Identität befassen. Sie spielt jeden Tag eine Rolle in unserem Leben, ohne dass wir viel darüber nachdenken. Auch nicht darüber, dass die eigene Identität oft eine zusammengesetzte ist.

Ein Klassiker im deutsch-dänischen Grenzland ist, dass man sich hier in Nordschleswig als Deutsch bezeichnet, wenn man aber über die Grenze nach Deutschland fährt, sich eher Dänisch fühlt.

In der Familie hat man vielleicht eine Identität, auf dem Arbeitsplatz eine andere und unter Freunden möglicherweise eine dritte. Und das ergibt letztlich unsere ganz persönliche Identität, geprägt durch einen reißenden Strom von Einflüssen.

Das war früher vielleicht einfacher, weil die Minderheit homogener war. Heute sind Minderheit und ihre Identität ein komplexes Konstrukt.

Die Identität der Minderheit auf eine gemeinsame Formel zu bringen, ist daher schwierig bis unmöglich, aber vielleicht auch gar nicht nötig, wenn wir lernen, die Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit der Minderheit zu verstehen, zu akzeptieren und zu respektieren.

Um dies zu erreichen, werden wir in der deutschen Minderheit in den kommenden Jahren noch mehr über die eigene Identität reden (müssen). Vor allem darüber, wie wir mit unseren verschiedenen Identitäten umgehen und zu einer gemeinsamen Stärke finden.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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