Deutsch-dänischer Gottesdienst

Im Gedenken vereint in Wilstrup

Im Gedenken vereint in Wilstrup

Im Gedenken vereint in Wilstrup

Karin Friedrichsen
Karin Friedrichsen Journalistin
Hadersleben/Haderslev
Zuletzt aktualisiert um:
Martin Witte, Lars-Peter Melchiorsen und Carsten Leth Schmidt (v.l.) auf dem Weg in die Kirche. Foto: Karin Riggelsen

Am 11. November wurde erstmals ein deutsch-dänischer Gottesdienst in der Kirche der Ortschaft Wilstrup durchgeführt. Die Pastorenkollegen Lars-Peter Melchiorsen und Martin Witte ziehen eine positive Bilanz.

Der Gedenkgottesdienst in der Wilstruper  Kirche  ist am   Sonntag, 11. November, mit Teilnahme vieler Kirchgänger durchgeführt worden.

Es war das erste Mal, dass  ein deutsch-dänischer Gottesdienst in dieser Form   stattfand. 100 Jahre nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes nach dem Ersten Weltkrieg war die Zeit reif für ein gemeinsames Gedenken, so der Pastor des dänischen Teils der Gemeinde, Lars-Peter Melchiorsen.   Gemeinsam mit Pastor Martin Witte von der Nordschleswigschen Gemeinde (NG) und der Vorsitzenden von Vilstrup Sogn, Pernille Reschat, sowie  Britta Schneiders, Kirchenälteste im Pfarrbezirk  Süderwilstrup, wurden  die Vorbereitungen getroffen.

Es wurde wechselweise Deutsch und Dänisch gesungen,   gepredigt und  gesprochen. Ergreifend  waren auch die Briefe  von Zeitgenossen, die vorgelesen wurden. Kurz vor 11 Uhr zogen die Kirchgänger nach draußen, wo man sich am Mahnmal versammelte.  „In Wilstrup  gibt es nur einen  Gedenkstein. Hier wurde keine Aufteilung nach  Gesinnung gemacht“, so Melchiorsen. Nicht nur der Gottesdienst war musikalisch umrahmt mit Orgelmusik und Trompetenklang.  Bei der Kranzniederlegung, die im Anschluss an das Glockenläuten ab 11 Uhr erfolgte, sangen die Mitglieder des Wilstruper Chores „Sag mir, wo die Blumen sind“. Der  dänische Chor, „Glade Kor“, stimmte „Altid frejdig“ an. Silke Schultz begleitete auf ihrer Flöte.

Die drei Pastoren Martin Witte, Kaj Bollmann und Lars-Peter Melchiorsen (v.l.) nach dem Gottesdienst. Foto: Karin Friedrichsen

Familienschicksal

Nach einer kleinen Erfrischung  in der Kirche hielt Pastor Kaj Bollmann, Jyllinge, einen Vortrag über seine dänisch-deutschen Vorfahren. Bollmanns Großvater Heinrich Bollmann fiel im Ersten Weltkrieg.  Der Großvater war,  wie der Pastor, der auf Alsen aufgewachsen ist, es beschreibt,  „Vor allem Mensch,  nicht Däne oder Deutscher“. Ziegeleivorsteher Heinrich Bollmann  war von Deutschland nach Nordschleswig gekommen, wo er mit seiner Frau Hansine  am Katsund lebte. Das Ehepaar hatte vier Kinder, als Heinrich  Bollmann mit dem   I Schützenregiment 86 in den Ersten Weltkrieg zog. Das fünfte   Kind, Kaj Bollmanns Vater Wilhelm Bollmann, wuchs ohne seinen Vater auf.  Gefreiter Bollmanns  Leben  endete im April 1916 in einem Schützengraben in Frankreich. Er wurde auf einem Soldatenfriedhof in Frankreich bestattet. Heinrich Bollmanns Name  ist auf dem deutschen Mahnmal, das auf dem Klosterfriedhof  in Hadersleben errichtet wurde,  aufgeführt.  

„Ob Hansine gefragt wurde, wo ihr Heinrich der Gesinnung nach hingehörte,  bezweifle ich. Ich glaube nicht, dass mein Großvater besonders viel Lust hatte,  sein Leben im Krieg für Kaiser und Vaterland zu opfern. Er hätte zweifelsohne  mehr Lust gehabt sein gutes Dasein mit Frau und Kindern und der Arbeit in der Ziegelei fortzusetzen. Hansine und Heinrich waren in erster Linie Menschen, nicht Dänisch oder Deutsch“, so Bollmann. Kaj Bollmann hat sich Gedanken darüber gemacht, ob es im   hundertsten Jahr nach dem Waffenstillstand  es an der Zeit wäre  das dänische und das deutsche Mahnmal, die beide auf dem Klosterfriedhof  stehen, zu  einem gemeinsamen Monument zusammenzusetzen.

Britta Schneiders legt am Mahnmal einen Kranz nieder und spricht Worte des Gedenkens. Foto: Larsen

Bewegender Gedenkvormittag

„Es war für uns alle ein bewegender Gedenkvormittag.   Wir sind ein wenig mehr zusammengerückt, Dänen wie Deutsche“, fasste Pastor Martin Witte zusammen.  Das gemeinsame Einsingen beider Chöre im Gemeindehaus sei schön gewesen. „Wir haben uns im Vorfeld des Gedenkgottesdienstes das erste Mal getroffen“, freute sich der Pastor, der Leiter des Wilstruper Chores ist.

Der Vorsitzende der Schleswigschen Partei und Stadtratsmitglied in Hadersleben, Carsten Leth Schmidt, Süderballig, war mit Familienmitgliedern in der Kirche.  „100 Jahre nach dem 11. November 1918 wird erstmals ein deutsch-dänischer Gottesdienst  in der Form, wie wir ihn heute feiern,   gestaltet“, sagte  Leth Schmidt. Der Gedenkgottesdienst sei ein gutes Erlebnis gewesen. Aber leider sei es nach 1918  nicht Schluss   gewesen mit den Kriegen.  Wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg kam der Zweite Weltkrieg, so Leth Schmidt, der daran erinnerte, dass   es auch in der Gegenwart in Dänemark Soldaten gibt, die traumatisiert von Einsätzen im Ausland zurückkehren. Zwar habe es zur Zeit des Ersten Weltkrieges den  Begriff PTSD (Posttraumatische Belastungsstörung) noch nicht gegeben. Aber nach dem gemeinsam ertragenen  Leid auf den Schlachtfeldern, sei es für viele   Soldaten bestimmt nicht leicht gewesen, den Alltag zu Hause fortzuführen,  so Leth Schmidt. „So kann es auch in der Gegenwart sein.  Wir haben in Bollmanns Bericht gehört, dass bei seinem  Sohn, der in Afghanistan im Einsatz  war, die Diagnose PTSD gestellt wurde.“

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