Wohnformen im Alter

Grethes Lebensmodell: Alt werden im trauten Heim

Grethes Lebensmodell: Alt werden im trauten Heim

Grethes Lebensmodell: Alt werden im trauten Heim

Hadersleben/Haderslev
Zuletzt aktualisiert um:
Grethe Pedersen verbrachte eine gemütliche halbe Stunde in Gesellschaft der Seniorenministerin (rechts). Im Hintergrund sind Bürgermeister Mads Skau sowie die stellvertretende Vorsitzende des Seniorenausschusses, Lone Ravn (Sozialdemokratie), zu sehen. Foto: Ute Levisen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

„Pflegeheim im eigenen Haus“ – so lautet eines der sozialen Pilotprojekte in der Kommune Hadersleben. Es ist ein Wohnmodell fürs Alter und wendet sich an betagte Menschen, die trotz Pflegebedarfs im trauten Heim wohnen bleiben möchten. Grethe Pedersen ist 96 Jahre. Sie genießt ihr viertes Lebensalter in jenem Haus, das seit 64 Jahren ihr Mittelpunkt ist.

Grethe Pedersen ist überwältigt: In ihrer guten Stube baut sich ein Kameramann vor der 96-Jährigen auf. Schon stehen auch die Gäste auf der Schwelle, wo ihre Tochter Bente Pedersen die Ankömmlinge willkommen heißt.

Hoher Besuch im trauten Heim

Die fast 97-jährige Seniorin sitzt in ihrem Rollstuhl und freut sich über den hohen Besuch: Seniorenministerin Mette Kierkgaard von der Partei der Moderaten gibt sich an diesem Tag die Ehre. Bürgermeister Mads Skau und der Vorsitzende des Ausschusses für Senioren und Gesundheit, Allan Emiliussen (beide Venstre), begleiten die Ministerin.

Kierkgaard ist auf Stippvisite in der Kommune Hadersleben, denn die Domstadtkommune hat gleich drei Pilotprojekte im sozialen Bereich initiiert. Mit dem „Pflegeheim in den eigenen vier Wänden“ stellt sie ein Lebensmodell für das dritte und vierte Lebensalter auf den Prüfstand. Zurzeit wird es in einem kommunalen Pflegedistrikt getestet.
 

Überwältigende Eindrücke: Grethe Pedersen begrüßt die Ministerin und den Bürgermeister, während ein Kameramann die Begegnung filmt. Foto: Ute Levisen

Drei Pilotprojekte in kommunaler Regie

Damit ist Hadersleben ein Pionier auf diesem Gebiet. Die Initiative aber ist aus der Not geboren: Der Pflegesektor lechzt nach Fachkräften.

Der zunehmende Anteil älterer Menschen im Alter von 80+ nimmt in den kommenden Jahren dramatisch zu: Laut einer Prognose des Onlineportals Statista wird der Anteil der über 80-Jährigen an der dänischen Gesamtbevölkerung von etwa fünf Prozent (2020) auf etwa neun Prozent im Jahr 2050 wachsen. Neue Wohn- und Lebensmodelle sind daher gefragt.
 

„Es war unsere Rettung“

„Für uns war dieses Projekt die Rettung“, sagt Bente Pedersen. Nach einer Krankheit sei ihre Mutter zunehmend gebrechlich geworden: „Aber in ein Pflegeheim wollte sie nicht – auf gar keinen Fall.“
Das Projekt „Pflegeheim im eigenen Haus“ kam für Grethe Pedersen und ihre Familie daher wie gerufen. Damit ist es ihr vergönnt, ihren vierten Lebensabschnitt in den eigenen vier Wänden zu verbringen, in jenem Haus, das sie und ihr Mann Ende der 50er-Jahre gemeinsam bauten.
 

Tochter Bente Pedersen (rechts) begrüßt die Gäste. Das Projekt, so sagt sie, sei die Rettung der Familie gewesen. Foto: Ute Levisen

Festes Pflegeteam

Kein Wunder, dass die betagte Dame ihr Heim nicht missen möchte: Das Wohnzimmer ist groß und besteht zur Hälfte aus einem kleinen botanischen Garten, in dem sich exotische Pflanzen an der Decke entlangschlängeln. Ein frischer, blumiger Duft durchströmt die gute Stube. Dort steht auch das Seniorenbett. Ein kleines, festes Team von Pflegekräften sorgt täglich dafür, dass es Grethe Pedersen an nichts fehlt.

Guten Mutes

Die Mitarbeiterinnen der kommunalen Heimpflege, die ihr Fürsorge in den eigenen vier Wänden angedeihen lassen, sind ein Grund dafür, dass Grethe Pedersen, ungeachtet körperlicher Einschränkungen im Hinblick auf ihre Beweglichkeit, guten Mutes ist: Fröhlich erzählt sie ihren Gästen, wie sie ihren Mann kennenlernte, eine Familie stiftete und wie beide das Häuschen bauten, das für viele Jahre zu ihrem gemeinsamen Lebensmittelpunkt wurde.

Grethe Pedersen erzählt den Gästen ihre Lebensgeschichte. Foto: Ute Levisen

Glücklich im eigenen Zuhause

Es sei eine glückliche Zeit gewesen, schwärmt Grethe Pedersen – bis zu jenem Tag, als ihr Mann starb. Er wurde nur 67 Jahre alt: „Aber man kann offenbar nicht alles haben“, seufzt sie.

Ihren Lebensmut hat sie dennoch nicht verloren. Als die Rentnerin krank wurde, zog ihre Tochter, die auf Fünen lebt, wieder bei ihr ein. Sie war wie ihr Bruder in dieser schweren Zeit an der Seite der Mutter: „Sie ist glücklich darüber, dass sie ihren Lebensabend zu Hause verbringen kann.“
 

Lebensmodelle im Alter

„Plejehjem i eget hjem“ (Pflegeheim in den eigenen vier Wänden) und „Tak for kaffe” (Danke für den Kaffee)  sind neben dem E-Distrikt die Pilotprojekte der Kommune Hadersleben im Sozialbereich. Bei Letzterem hat sich die Kommune von dem Buurtzorg-Modell aus den Niederlanden inspirieren lassen. Es zielt auf eine fachübergreifende Heimpflege in kleineren, selbstständigen Teams ab.

„Pflegeheim in den eigenen vier Wänden“ ist ein Projekt, das es älteren Menschen ermöglicht, in der eigenen Wohnung zu bleiben und dennoch die Vorteile eines Pflegeheims in Anspruch zu nehmen. Infrage kommen Menschen, denen ein Heimplatz zugewiesen wurde, die aber dennoch zu Hause wohnen bleiben möchten. Bislang bietet die Kommune diese Möglichkeit in enger Zusammenarbeit mit Angehörigen in einem ihrer Pflegebezirke an.

Mehr lesen