Kommentar

„Vipstert“ und „Stahoi“: Lieblingswörter auf Europaletten

„Vipstert“ und „Stahoi“: Lieblingswörter auf Europaletten

„Vipstert“ und „Stahoi“: Lieblingswörter auf Europaletten

Flensburg/Sonderburg
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Grenzwörter
Die ersten zwei von in Zukunft insgesamt 10 bis 14 Lieblingswörtern, die in der Grenzregion aufgestellt werden sollen. Foto: Gerrit Hencke/Sara Eskildsen

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Der Charme von Europaletten weht durchs Grenzland. Aus Kostengründen. Gerätselt wird auch – und zwar über die Schreibweisen der ersten Wörter. Doch beim Wettbewerb zu den Lieblingsworten der Menschen in der Grenzregion sollten die Leute über die Aufmachung hinwegsehen und die verschiedenen Sprachen hochleben lassen, meint Journalist Gerrit Hencke.

„Vipstert“? „Stahoi“? Große Holzbuchstaben auf Europaletten stehen seit vergangener Woche an den Häfen in Flensburg und Sonderburg – und sorgen für Rätselraten. Die Suche nach den Lieblingswörtern der Grenzregion hat in den beiden Begriffen ihren Auftakt gefunden. Es sind die ersten beiden Wörter, denen nach einem Wort-Wettbewerb sieben weitere folgen sollen.

Noch bis zum 31. März können Wortfüchsinnen und Sprachakrobaten ihr Lieblingswort auf Dänisch. Deutsch, Sønderjysk, Friesisch oder Plattdeutsch einreichen. Aus den Vorschlägen sollen dann 10 bis 14 weitere Wörter von einer Jury aus Sprachexpertinnen und -experten ausgewählt und anschließend im deutsch-dänischen Grenzland als große Buchstaben-Installationen aufgestellt werden. So möchte die Region Sønderjylland-Schleswig die Sprachenvielfalt im Grenzland sichtbar machen. Eine klasse Aktion, die großes Potenzial hat und definitiv für Aufmerksamkeit sorgt.

Vipstert
Die Bachstelze hat auf Platt, Dänisch und Sønderjysk unterschiedliche Schreibweisen. Foto: Gerrit Hencke

Denn schon die ersten beiden Worte haben durchaus für Verwirrungen gesorgt – oder vielmehr ihre Schreibweise. Mit „Vipstert“ ist Motacilla alba gemeint, die Bachstelze. Der kleine Singvogel fällt durch sein schwarz-weiß-graues Gefieder auf und ist in Europa weit verbreitet. In der Redaktion des „Nordschleswigers“ sorgte die Schreibweise für eine kleine Diskussion. Heißt der Vogel im Dänischen doch „vipstjert“ oder inoffiziell „vipstjært“. Auf Plattdeutsch sagt man „wippsteert“, was aber nicht nur ein Vogel, sondern auch eine quirlige Person sein kann. Eine plattdeutsche Band aus dem Osnabrücker Land heißt ebenfalls so. 

Rätselraten über Schreibweisen

Auch die Schreibweise von „stahoi“ ist in Sonderburg auf viele Fragezeichen gestoßen. Steht das Wort für aufgeregtes, verwirrtes, heftiges oder lärmendes Verhalten – meist ohne ausreichenden Grund. Geschrieben wird es im Dänischen eigentlich „ståhej“. Wie sind die Schreibweisen also zustande gekommen?

Stahoi
Ein Grenzland-Wort am Sonderburger Hafen. Foto: Sara Eskildsen

Anne-Mette Olsen von der Region Sønderjylland-Schleswig kann auf Nachfrage aufklären. „Stahoi“ ist hier Friesisch. „Es ist ein Beispiel für ein Wort, das in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich buchstabiert wird“, schreibt sie. 

„Vipstert“ wird ebenfalls unterschiedlich geschrieben. Das Wort gibt es im Dänischen, auf Plattdeutsch und Sønderjysk. Ihre Kollegin Annika Carstensen ergänzt: „Bei vipstert ist es eine Mischung aus der plattdeutschen und der dänischen Schreibweise.“ Tatsächlich hätten schon viele Leute gefragt, was es mit den Schreibweisen auf sich hat. 

Wörter sorgen für Gesprächsstoff

Das Rätselraten hat aber auch einen Vorteil. In Flensburg wäre ein Wort auf Petuh logisch gewesen. „Sünde“ zum Beispiel. Oder „Aggewars“. Ebenfalls beliebt ist der plattdeutsche Begriff für Hummel: „Plüschmors“. Für Sonderburg hätte die „brø’tort“ sich ausgezeichnet am Hafen gemacht oder auch „lumduch“. Zwei synnejyske Worte. Die meisten Menschen vor Ort hätten sicher gleich assoziieren können, worum es sich bei den Wörtern handelt.

So sorgt die Verwirrung um die Schreibweise für einen anderen Effekt. Die Leute kommen ins Gespräch oder müssen Suchmaschinen nutzen, um die Bedeutung herauszufiltern. Ob gewollter Schachzug oder Zufall: So rücken die Sprachen im Grenzland und der Wettbewerb in den Alltag der Menschen.

Neben der Schreibweise stößt die Präsentation der Grenzland-Wörter ins Auge. „Man kennt das ja von Nizza, vom Strand oder so, wo auch riesige Wörter stehen. So wird das eben auch bei uns sein“, wird die Marketingbeauftragte Carolin Nenzel in der Pressemitteilung zum Auftakt zitiert.

 

 

Ich liebe Nizza! Qualitativ geht da noch was bei der Präsentation der Grenzland-Wörter. Foto: Chris Curry/Unsplash

Vielleicht liegt es ja nur am tristen, grauen Winterwetter, aber so richtig nach Nizza sieht es weder in Flensburg noch in Sonderburg aus. Denn während in Nizza der als Fotomotiv gern gesehene Schriftzug „I love Nice“ mit Hashtag sehr elegant daherkommt, setzt man hier im Grenzland auf pragmatische Lösungen: Holzbuchstaben auf Europaletten. 

Gerne optisch ansprechender

Für so einen Wettbewerb hätte es hier im Grenzland gern etwas hochwertiger sein dürfen. Die Hoffnung, dass die weiteren ausgewählten Begriffe später nicht auch auf Holzpaletten in Tondern (Tønder), Pattburg (Padborg) oder Leck (Læk) stehen werden, stirbt auf Nachfrage umgehend. „Es ist tatsächlich eine Kostenfrage“, sagt Annika Carstensen. Die Wörter im Sommer werden also auch auf Holzpaletten stehen. 

 

Vipstert steht in großen Lettern am Flensburger Hafen. Etwas billig anmutend auf Europaletten. Foto: Gerrit Hencke

Sie werden dem Grenzland trotzdem lange erhalten bleiben. Der Schriftzug „Cote de Genner“ trotzt seit der Tour de France im Sommer 2022 den Witterungsbedingungen. Er besteht vollständig aus Europaletten und ist trotzdem ein beliebtes Fotomotiv. So ist zu hoffen, dass die Leute über die Aufmachung hinwegsehen und die Kulturworte zu einem ähnlich beliebten Fotomotiv werden.

Anlässlich der Tour de France in Dänemark aufgestellt: Der Schriftzug „Cote de Genner“. Foto: Gerrit Hencke

Doch wie wir alle wissen, ist Optik in den sozialen Medien ein entscheidender Faktor. Noch finden sich unter dem Hashtag #kulturwort auf Instagram nur ein paar Beiträge. Da ist also noch Luft nach oben. 

So wirkt es, trotz der schönen Idee, etwas lieblos. Das ist, wie erwähnt, dem Budget für Kulturaktionen geschuldet, das meist knapp bemessen ist. Den Organisatorinnen und Organisatoren ist daher kein Vorwurf zu machen. „So ein Schietkram!“, sagt da der Norddeutsche. Wobei „Schietkram“ fürs Grenzland vermutlich kein passendes Wort ist. Obwohl, der Erfolg als Fotomotiv könnte hingegen durchaus passabel sein.

Egal welche Wörter am Ende gewählt werden, die Menschen im Grenzland sollten über die Aufmachung hinwegsehen und die Sprachen der Region hochleben lassen. 

Wer ein Lieblingswort einsenden möchte, der findet die Teilnahmebedingungen und weitere Informationen unter https://kultur-wort.de/ oder https://kultur-ord.dk/.

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