Leitartikel

„Überlebenskampf“

Überlebenskampf

Überlebenskampf

Nordschleswig/Apenrade
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Die Krise in der Partei Venstre ist nach dem Abgang von Inger Støjberg und dem Abschied von Lars Løkke Rasmussen zu einem Überlebenskampf geworden, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

„Venstre kämpft 2020 nicht nur mit dem Coronavirus, sondern auch mit sich selbst". So lautete der Schlusssatz in unserem Leitartikel vom 29. Dezember. Wie man sich doch irren kann: Venstre kämpft nicht nur gegen sich selbst – die Partei befindet sich in einem wahren Überlebenskampf.

Am 29. Dezember war Inger Støjberg morgens immer noch die zweite Vorsitzende der Partei, doch am selben Abend forderte der Parteivorsitzende Jacob Ellemann-Jensen sie zum Rücktritt auf. Støjberg sei illoyal gewesen und er habe kein Vertrauen mehr in seine Stellvertreterin – ein dramatischer Höhepunkt in der langwierigen Venstre-Krise.

Als viele dachten, es ginge nicht schlimmer, zündete der frühere Vorsitzende und Ex-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen am 1. Januar eine verspätete Silvester-Bombe: Løkke verlässt nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft „seine“ Partei und stürzte damit Venstre noch tiefer in die Krise.

Man mag gar nicht schreiben, dass dies der Tiefpunkt ist, denn im Augenblick scheint alles im Spiel zu sein. Dabei ist Løkkes Abschied keine Konsequenz der Venstre-Politik, sondern eher, dass sich Løkke in seiner Partei nicht unterordnen kann oder will. Er sitzt vorn – oder gar nicht. Mit der Rolle als Hinterbänkler ohne Aussicht auf Einfluss auf „seine“ Partei gab es für Løkke keinen anderen Weg als den eigenen.

Venstre wird die schlimmste Krise in der Geschichte der Partei sicherlich überleben – aber wird sie dermaßen an Bedeutung verlieren, dass sie für Jahre keinen – oder nur einen geringen – Einfluss auf die Politik im Lande haben wird?

In ihrer Selbsteinschätzung ist Venstre eben keine Partei, die im Folketing „unter ferner liefen“ rangiert, doch genau das kann die Konsequenz sein, wenn Inger Støjberg auch noch die Partei verlassen sollte.

Løkke und Støjberg holten bei der Folketingswahl 2019 die meisten persönlichen Stimmen für ihre Partei. Venstre wird in der seit dem Sommer 2019 andauernden Krise noch mehr Wähler verlieren – und das bei Umfragewerten die jetzt schon miserabel und für die Partei eigentlich inakzeptabel sind.

Daher lautet der korrekte Schlusssatz: „Venstre kämpft 2021 nicht nur mit dem Coronavirus, sondern auch mit sich selbst – und ums Überleben.

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