Diese Woche in Kopenhagen

„Perspektiven – oder warum Ultima Thule doch nicht am Ende der Welt liegt“

Perspektiven – oder warum Ultima Thule doch nicht am Ende der Welt liegt

Nicht nur das Ende der Welt ist eine Frage der Perspektive

Kopenhagen
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Die Welt sieht häufig recht unterschiedlich aus, je nachdem, ob man sich auf der einen oder anderen Seite eines Wildschweinzaunes befindet. Die Erfahrung hat Walter Turnowsky in der vergangenen Woche in Kopenhagen und Umgebung in mehrfacher Hinsicht gemacht.

Ultima Thule bezeichnete in der Antike den äußersten nördlichen Rand der Welt. Dort hausten nach damaliger Überzeugung Einhörner und Pygmäen. Das mythische Land wurde etwas nördlich der britischen Inseln vermutet.

Im Laufe der Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte entdeckten die Mitteleuropäerinnen und -europäer weiter nördlich neues Land – für die Menschen, die dort bereits wohnten, war das nicht gerade eine neue Erkenntnis. Fabelwesen fanden sie keine. Ultima Thule wanderte immer weiter nach Norden, bis es irgendwann im nördlichen Grönland landete.

Auch heute noch wird die nördlichste Stadt des Landes von den Europäern „Thule“ genannt. Unter den Menschen, die dort leben, heißt sie „Qaanaaq“, die benachbarte „Thule Air Base“ „Pituffik“. Es kommt eben immer auf die Perspektive an.

Grönland als Zentrum der Welt

In Qaanaaq sind wir nun tatsächlich so ziemlich am nördlichsten Ende der menschlichen Behausungen angekommen, lediglich ein 40-Seelen-Dorf liegt noch weiter nördlich. Wer nun meint, tatsächlich am Rand der Welt zu sein, hat den Globus von der falschen Seite betrachtet. Denn dreht man ihn „richtig“ herum, erkennt man: Grönland ist das Zentrum der Welt und es liegt mitten zwischen den Großmächten USA und Russland.

Der Besuch des deutschen Botschafters Pascal Hector im Land der Grönländerinnen und Grönländer, Kalaallit Nunaat, war der Anlass, mich wieder einmal mit dem autonomen Teil der dänischen Reichsgemeinschaft zu befassen. Wer mich kennt, weiß, dass ich mir eine solche Chance nicht durch die Lappen gehen lasse.

Klima, Bodenschätze und Sicherheit

Nicht nur geopolitisch betrachtet ist Grönland zentral. Auch wenn es um die Folgen des Klimawandels geht, ist das arktische Land von entscheidender Bedeutung. Interessanterweise schlummert auch ein Teil der Lösung im grönländischen Fels. Die seltenen Erden werden gebraucht, um klimafreundliche Technologien zu konstruieren.

Wie das nun wiederum mit der Sicherheitspolitik zusammenhängt, kannst du in der kommenden Woche nachlesen. Denn ich habe noch einen dritten Artikel anlässlich des Botschafter-Besuchs in der Feder, beziehungsweise in den Tasten meines Laptops – jetzt bist du schon einmal gewarnt.

Nationalkonservativ oder rechtsextrem?

Während die Reise nach Kalaallit Nunaat diesmal für mich nur mentaler Art war, – das Interview führte ich in Kopenhagen – habe ich das Grenzland in der vergangenen Woche physisch besucht. Das tat die Dänische Volkspartei (DF) ebenfalls, in Flensburg sollte die Sommerklausur stattfinden. Doch auch DF musste erfahren, dass es auf die Perspektive und Wahrnehmung ankommt – und zwar nicht unbedingt auf die angenehme Weise.

Südlich der Grenze wird die Partei, die in Dänemark gerne als nationalkonservativ bezeichnet wird, von vielen Menschen als rechtspopulistisch bis rechtsextremistisch wahrgenommen – eine Partei á la AfD, mit der die DF übrigens im Europaparlament eine Fraktionsgemeinschaft bildet.

Der Geheimtipp

Proteste gegen die Klausur wurden angekündigt. Die Grünen empfanden den geplanten Besuch als „Provokation“ und für die SPD „endete die Gastfreundschaft“ bei der DF. Als das Flensburger Hotel dann den Besuch absagte, musste die Klausur nach Sonderburg umziehen.

Nördlich der Grenze hat man von der ganzen Aufregung ungefähr so wenig verstanden, wie man es wohl südlich der Grenze von der dänischen Politik tut. Mein Geheimtipp an beide Seiten (aber der muss unter uns bleiben): Vielleicht den Blick ein wenig vom eigenen Bauchnabel abschweifen lassen und einfach mal akzeptieren, dass die politischen Uhren eben auf den jeweiligen Seiten des Wildschweinzauns etwas unterschiedlich ticken.

Interview über Wursthotel

Dass nicht nur die politischen, sondern sonst auch so einige Uhren im Königreich und in der Bundespolitik unterschiedlich ticken, darüber habe ich mich mit dem langjährigen Deutschland-Korrespondenten des „DR“, Michael Reiter unterhalten. Wir sprachen auch darüber, warum das dänische Interesse am Ticken der deutschen Uhren so gering sei, und wie man dennoch die Neugierde wecken könnte. Reiters Antwort lautet: mit Wacken, Wursthotel und Karneval.

Was bei dem Interview herausgekommen ist, kannst du am Wochenende im „Nordschleswiger“ nachlesen. Dieses wirst du hoffentlich auf genau deine Art genießen, ganz gleich, ob du die Welt nun von Flensburg, Sonderburg, Berlin, Kopenhagen oder gar dem Nordpol aus betrachtest.

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