Filmpremiere

Mathias Harrebye-Brandt über seine Krimikomödie „Der Krug an der Wiedau“

Mathias Harrebye-Brandt über seine Krimikomödie „Der Krug an der Wiedau“

Mathias Harrebye-Brandt über „Der Krug an an der Wiedau“

Antje Walther, SHZ
Flensburg
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Heimatverbunden: Schauspieler Mathias Harrebye-Brandt hier am Set mit seiner Kollegin Mahara Jacobsen. Foto: Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN)

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Seit zehn Jahren lebt der Schauspieler in Berlin. Doch seiner Heimat bleibt er verbunden und freut sich umso mehr, wenn er mal wieder in der Grenzregion drehen darf. So wie für seinen neuen Film „Der Krug an der Wiedau“.

Kurz vor der ersten Filmpremiere am 30. November in Niebüll ist Mathias Harrebye-Brandt noch zu Hause in Berlin. Fürs Interview wählt der 47-Jährige das klassische Telefongespräch statt Zoom oder Skype...

Wie lange wohnen Sie schon in Berlin?
In Berlin wohne ich inzwischen seit zehn Jahren. Meine Frau und Kind leben in Karlsruhe. Der Beruf gibt es auch her, dass man ständig unterwegs ist. Ich habe einen großen Freundeskreis auf deutscher und dänischer Seite, und die Kontakte in Flensburg haben nie aufgehört. Eine Weile habe ich versucht, aus Flensburg alles beruflich zu bewerkstelligen, was organisatorisch aber schwierig ist. Da muss man viel fahren. Deshalb braucht man so einen Ort wie Berlin, aber es hört nicht auf, dass man in der Heimat genauso zu Hause ist.

Inga Ross und Mathias Harrebye-Brandt spielen in der Krimikomödie "Der Krug an der Wiedau". Foto: BDN
Wenn Sie Heimat geographisch umreißen müssten – von wo bis wo würde die reichen?
Heimat für mich ist das deutsch-dänische Grenzland. Meine Mutter kommt aus Hadersleben, mein Vater ist aus Flensburg. Ich bin in Hadersleben geboren. Ich umreiße gern als Heimat, das, was in dem Film so schön beschrieben ist: Diese Region, die zwar durch eine Nationalgrenze getrennt ist, aber von der Mentalität sehr viel Eigenständiges hat. Dieses ehemalige Herzogtum Schleswig in seiner Gesamtgröße – das ist meine explizite Heimat. Zwei Länder, aber eine Region.
Mathias Harrebye-Brandt, 47 Jahre alt, wird immer wieder gern für Rollen besetzt, die einen skandinavischen Hintergrund haben. Foto: Hannes Casper

Worum geht es in Ihrem neuen Film?
Es ist grob gesagt eine Krimikomödie, wo ein Mord passiert und die Leiche auf diesem leider Gottes neu erschaffenen Wildschweinzaun zwischen Deutschland und Dänemark hängt. Dadurch wird dieses Symbol dänischer Politik so ein bisschen verballhornt, weil der Unmut darüber sehr, sehr groß ist. Es werden ein deutscher Kommissar und eine dänische Kommissarin zu Hilfe gerufen, weil: Die Leiche hängt über dem Wildschweinzaun – der Kopf auf deutscher Seite, der Hintern auf dänischer Seite. Der Film wird untertitelt sein. Jeder spricht das, was er spricht – Deutsch und Dänisch durcheinander, Sønderjysk, Friesisch und Plattdeutsch. Der Kommissar aus Kiel und die Kommissarin aus Aarhus kommen in diesen Grenzkrug nach Rosenkranz – „Der Krug an der Wiedau“. Anhand eines Kriminalfalles wird der ganze Lokalkolorit und auch die Historie der Grenzziehung 1920 aufgearbeitet.

Und welche Rolle übernehmen Sie?
Ich bin der Hauptkommissar Schröder aus Kiel, der in die für ihn totale Walachei geschickt wird, an die deutsch-dänische Grenze und dann noch an der Westküste. Dieser Grenzkrug, den es auch wirklich gibt, liegt direkt auf der Grenze.

Für Sie ist das ja alles andere als Walachei, sondern vertrautes Terrain: Wie spielt man das, wenn man so tun muss, als würde einem das alles komisch vorkommen?
Das ist der Beruf, das ist ganz normal. Die Gelegenheit hat man ganz selten, in der Heimat etwas zu machen. Die Atmosphäre war auch speziell, wir waren direkt vor Ort untergebracht, weil es alles Echt-Kulissen sind. Wenn man da Ende Oktober und im November an der Westküste morgens um halb sechs loslegt, dann ist da auch diese raue und fast unheimliche Atmosphäre, die zugleich so schön ist – die motiviert nochmal enorm.

Dreh unter Echtwetterbedingungen - das ist das, was Mathias Harrebye-Brandt liebt, hier mit seinem Schauspielkollegen Dirk Andresen. Foto: BDN

Wohnten Sie mit der Crew und den Kollegen im Hotel oder einer Pension oder hatten Sie eine Basis bei Ihrer Familie?
Wir haben alle vor Ort gewohnt. Es kommen auch viele der Darsteller aus der Region, darunter Angehörige der friesischen Minderheit, aus den umliegenden Regionaltheatern und Lokalschauspieler. Alle, die nicht ansässig waren, haben in den Gästehäusern vom Krug gewohnt. Das ist sehr, sehr gemütlich.

Das vergisst man wahrscheinlich auch nicht so schnell...
Nein. Es ist ein Independent Film, und die finanziellen Möglichkeiten waren nicht ausufernd. Man muss auch zusammenrücken. Und abends die Dispos vorzubereiten, das Catering – das hatte so ursprünglichen Aufbruchscharakter.

Mich persönlich macht gerade so eine Wetterlage, etwas rauer, grau in grau, dann noch mit Regen, nicht depressiv, mich macht das glücklich.

Mathias Harrebye-Brandt, Schauspieler aus der Grenzregion

Die Pressemitteilung zum Filmstart hebt auf Wetter und Wind ab. Warum?
Weil wir Szenen gedreht haben, die unter normalen Umständen nicht gemacht worden wären. Es gab eine Szene zum Beispiel, wo die gesamte Krug-Gesellschaft aus dem Watt kommt. Die ist gedreht worden, kurz bevor das Wasser wiederkam, und es war Bedingung, dass ein Kamerateam im Watt stand, dass der Ton mit im Watt stand. Wir haben das so durchgezogen bei Echtwetter, bei Echtlicht. Das hatte eine ganz starke Magie, als diese 24 Leute aus dem Watt gewandert kamen. Wir haben manchmal auch einen ganzen Tag im Regen gedreht. Mich persönlich macht gerade so eine Wetterlage – etwas rauer, grau in grau, dann noch mit Regen – nicht depressiv, mich macht das glücklich. Da merkt man halt, wo man herkommt.

Mathias Harrebye-Brandt

Wandelbares Sprachtalent

Mathias Harrebye-Brandt wuchs als Teil der deutschen Minderheit in Dänemark auf. Abitur machte er 1995 an der Goethe-Schule in Flensburg. In der Theater-AG seiner Schule sammelte er Schauspiel-Erfahrungen, weitere dann als Student in Kiel. Harrebye-Brandt bekam Engagements und gehört dem 2017 neu begründeten Kabarett-Ensemble „Die Wühlmäuse“ an. Doch: Der „Deutsch-Däne“ wurde (s)ein Markenzeichen in der deutschen und internationalen Film- & Fernsehlandschaft: Ob Finnisch, Norwegisch, Dänisch, Hamburgisch oder Platt – wenn ein nordischer Dialekt ins Spiel kommt, ist Harrebye-Brandt nicht weit. Der 47-Jährige wechselt zwischen den verschiedenen Genres und Formaten wie zwischen den Sprachen – von Simon Verhoevens Kino-Hit „Willkommen bei den Hartmanns“ über die Amazon Prime-Serie „Der Lack ist ab“ neben Kai Wiesinger, und dem ZDF-Herzkino Katie Fjorde oder Rosamunde Pilcher, der Satire Kroymann oder der Comedy „Nicht tot zu kriegen“.

Ich mag es auch wahnsinnig gern, wenn man in Flensburg an der Hafenspitze steht und es ist alles grau in grau. So soll für mich Herbst sein.

Können Sie die fünf Sprachen, die in Ihrem neuen Film eine Rolle spielen, alle selbst?
Deutsch, Dänisch und Sønderjysk, also Plattdänisch, kann ich. Plattdeutsch müsste ich mich reinfuchsen, und Friesisch kann ich nicht. Man kann es verstehen, wenn man sich reinhört. Solche Mundarten, das gilt nicht nur bei uns, laufen vielerorts Gefahr, auszusterben.

Es gibt hier Institutionen, die versuchen, solche Sprachen zu erhalten...
... Es ist ja auch ein Reichtum. Gerade die Geschichte dieses Landstriches hat starke Einschnitte bekommen durch die aufstrebenden Nationalstaaten im 19. Jahrhundert. Vorher war nie eine Frage, dass diese fünf Sprachvarianten oder Identitäten eine war mit verschiedenen Facetten und alle gleichberechtigt waren. Das hat sich erst durch die Nationalstaaten verändert und durch die Grenzteilung 1920. Deshalb finde ich wichtig, dass man heute diese regionalen Unterschiedlichkeiten als Vorteil, als absoluten Reichtum sieht.

Da ist deutlich herauszuhören, dass Sie sich intensiv mit der Grenzlandgeschichte beschäftigt haben. Schon als Kind oder aus Anlässen wie für diesen Film?
Ich gehöre ja zur deutschen Minderheit in Dänemark. Wie es den Südschleswigschen Wählerverband auf deutscher Seite gibt, haben wir auf dänischer Seite die SP (Schleswigsche Partei; Anm. d. Red.). Da kommt es automatisch mit der Prägung, wenn man in einer Minderheit groß wird, dass man sich auch mit der Geschichte beschäftigt. Und ich bin auf die Goethe-Schule aufs Gymnasium gegangen: Da war ganz klar, dass lokale Heimatgeschichte auch vermittelt wurde. Weil die deutsch-dänische Geschichte auch Europa beeinflusst hat.

Noch eine Frage zum Film: Könnte ein Bayer oder ein Sachse etwas damit anfangen?
Ein Bayer sowieso. Unabhängig davon, dass ich Bayern sehr gern mag und das ein Land ist, das in seiner Filmwelt sehr viel mit Sprachkolorit arbeitet (MHB beginnt auf einmal, bayerisch zu reden...)... Und auch ein Sachse kann das verstehen. Für den Humor werden viele vielleicht sagen: Oh Gott, die Norddeutschen...

Gibt es ein Wunschprojekt, das Sie vom Inhalt her, den Personen oder dem Landstrich besonders reizen würde?
Vom Inhalt her: Es soll immer Spaß machen, da kann man sich in viele Themen einarbeiten. Aber ich hätte schon Lust, eine 90-minütige Reihe in der Heimat zu machen. Das wäre ein beruflicher Traum.

Premiere von „Der Krug an der Wiedau“ ist am 30. November in Niebüll und am 1. Dezember in Tondern.

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