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Was gut ist am dänischen Schulsystem – und was nicht

Was gut ist am dänischen Schulsystem – und was nicht

Was gut ist am dänischen Schulsystem – und was nicht

Flensburg
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Jens Mittag, Rektor am DGN in Apenrade, stellte das dänische Schulsystem vor. Foto: Helge Möller

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Macht Dänemark alles besser in den Schulen? Eine Podiumsdiskussion in Flensburg zeigte, dass nicht alles besser ist – aber einiges. Gut oder schlecht ist aber auch Ansichtssache.

Die Grenze ist nicht weit entfernt von der Grundschule Medelby, wo Susann Schrader als Sonderschulpädagogin seit etwa einem Jahr arbeitet. Das Land Dänemark kennt sie, hat bereits aus eigenem Interesse Sprachkurse absolviert und Freunde im Königreich. Aber was unterscheidet deutsche und dänische Schulen, und was könnte sie lernen von Dänemark? Susann Schrader ist neugierig auf das System im Norden und hat Gutes von ihm gehört. 

Antworten auf die Frage suchte sie im Dialogforum des ADS, was nun „An Deiner Seite“ heißt und früher die Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig war, eine Veranstaltung, an der mehr als 30 Menschen teilnahmen. Lehrerinnen und Lehrer, Personen aus Politik und Verwaltung und ADS-Mitglieder folgten den Worten der Vortragenden. Dabei kam nicht nur das Fachpersonal zu Wort, auch zwei Schülerbotschafterinnen schilderten, wie sie ihren Alltag in der Duborg-Skole in Flensburg und im Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) in Apenrade erleben und was ihren Job als Botschafterinnen ausmacht.

Was anders ist in Dänemark

Jens Mittag, Rektor des DGN, führte ins dänische Schulsystem ein und stellte klar, ein Vergleich Deutschland-Dänemark ist nicht möglich bei der föderalen Gestaltung der deutschen Bildungslandschaft. Aber ein Vergleich Schleswig-Holstein zu Dänemark, der sei möglich.

Eltern müssen in Dänemark nicht nach der vierten Klasse entscheiden, auf welche Art Schule das Kind gehen soll, in Dänemark werden Kinder bis in die 9. Klasse gemeinsam unterrichtet. Die Nachschule stellte er als ein echtes Plus des dänischen Schulsystems vor. Sie sei eine gute Idee für die Zeit der Pubertät.

Jens Mittag machte die Zuhörenden dann mit der digitalen Schulaufsicht vertraut. „Für Lehrerinnen und Lehrer an schleswig-holsteinischen Schulen bestimmt interessant“, war sich Mittag sicher.

Dänische Datenfülle

Die freie Verfügbarkeit von Zensuren und Kennzahlen wären, so die Einschätzung Mittags, mit deutschem Datenschutz vermutlich nicht zu vereinbaren. So fließe auch der finanzielle Hintergrund in die Benotung der Schülerinnen und Schüler ein. Auch sehe die Schulaufsicht auf das Wohlbefinden der Mädchen und Jungen, auch dieses werde benotet und die Schule daran gemessen.

Eine in Schleswig-Holstein geltende Pflicht von 25,5 Wochenstunden halte er aus dänischer Sicht für unmöglich, da viel zu hoch. „Bei uns werden alle Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer berücksichtigt. So kommen dann weniger Wochenstunden dabei raus." 

Jens Mittag ging auch auf die Autonomie der Schulen ein, die seinen Worten nach in Dänemark weitaus größer ist. Und was es möglich mache, dass jede Schule Schwerpunkte setzen könne und damit selbst entscheidet, wie sie das Geld, das der Staat ihnen pro Schüler gibt, einsetzt.

Die Schülerbotschafterinnen Katharina Eising Schmidt und Linnea Ravnsbjerg Liedtke sprachen sich für die dänische Form des gemeinsamen Unterrichts bis zur 9. Klasse aus. Dies gebe auch den Schülerinnen und Schülern selbst die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Wünsche einzuschätzen. Einen Wechsel in eine andere Schulform nach der 4. Klasse wie in Schleswig-Holstein sehen sie als weniger gut an.

Die Schülerbotschafterinnen des Grenzfriedensbundes, Katharina Eising Schmidt (im HIntergund) und Linnea Ravnsbjerg Liedtke, stellten ihre Arbeit vor und sprachen über ihre Erfahrungen im Schulsystem. Foto: Helge Möller

In der folgenden Diskussion waren sich die Vertreter aus Dänemark einig, der dänische Staat gibt mehr Geld für die Schulbildung aus. Ist somit alles besser in Dänemark, was die Schulbildung anbelangt? Kann nur Deutschland oder Schleswig-Holstein von Dänemark lernen?

Nicht alles besser in Dänemark

Das wohl nicht. Jens Mittag wünscht sich, dass die Jugendlichen in Dänemark mehr Fachlichkeit mitbringen, wenn sie aufs Gymnasium kommen – so wie die Schülerinnen und Schüler aus Schleswig-Holstein es vormachen. Wenn diese zu ihm ans Gymnasium kämen, seien sie oft weiter als die dänischen Klassenkameradinnen und -kameraden.

 Es sei auch wichtig, dass Schule fordern müsse. Das Wohlbefinden der Mädchen und Jungen sei wichtig, aber die Schule gerate in eine Zwickmühle, wenn der Staat sie an dem Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler messe. Die dieses naturgemäß niedriger bewerten, wenn Leistung verlangt wird. „Schule muss fordern können“, so Jens Mittag.

Burkhard Sievers vom dänischen Gymnasielærerforeningen kritisierte die Volksschulreform vor einigen Jahren mit scharfen Worten. Diese habe die Volksschulen zerstört. Lehrer hätten gefrustet die Schulen verlassen, um andere Berufe auszuüben, Freischulen bekämen immer mehr Zulauf. Zwar werde die Reform wieder rückgängig gemacht, große Erfolge macht Sievers aber nicht aus. Schulrätin Susanne Bechler vom Schulamt Flensburg machte darauf aufmerksam, dass ihrer Ansicht nach das Schulsystem in Schleswig-Holstein durchaus durchlässig sei, man darauf Wert lege und darauf achte, sodass die Schülerinnen und Schüler sich entwickeln könnten. „So schlecht ist unser System nicht“, so die Schulrätin.

Gedanken zur Pisa-Studie

Jens Mittag zeigte dazu auch ein Bild, das das Ranking der Pisa-Studie zeigte. Deutschland und Dänemark lagen nicht weit auseinander, beide aber nicht an der Spitze. „Die Deutschen möchten immer gern an die Spitze“, so der Rektor. Doch sei es wirklich gut, an die Spitze zu kommen? Dies würde seiner Ansicht nach deutlich mehr Lerndruck für die Schülerinnen und Schüler bedeuten – mit den entsprechenden Konsequenzen, wenn der Druck zu groß wird. 

Gerret Liebing Schlaber moderierte die Veranstaltung. Foto: Helge Möller
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