Deutsche Minderheit

Heimatkundliche AG: Neues zur Nordschleswig-Geschichte

Heimatkundliche AG: Neues zur Nordschleswig-Geschichte

Heimatkundliche AG: Neues zur Nordschleswig-Geschichte

Apenrade/Aabenraa
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Die Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) hat im Jahr 2022 nicht nur Exkursionen wie nach Hoyer (auf dem Foto spricht HAG-Vorstandmitglied Lorenz P. Wree zu einer Gruppe) vorgenommen. Rechtzeitig zum Jahresende ist auch die neue Jahresschrift erschienen. Foto: Volker Heesch

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Die HAG hat den Jahrgang 2022 ihrer seit 1960 herausgegebenen Schriften veröffentlicht: Familiengeschichte beleuchtet Tonderns Vergangenheit, kirchlichen Umbruch nach 1920, Spurensuche nach einem Ahnenforscher und die Rückkehr einer Brauttruhe.

In diesen Tagen ist der Jahrgang 2022 der „Schriften der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig“ (HAG) an die Mitglieder versendet worden. Es ist das 97. Heft der seit 1960 herausgegebenen Publikation des Verbandes, der sich mit der Geschichte, der Kultur und der Natur Nordschleswigs in schriftlichen Beiträgen, bei Tagungen, Vorträgen und Exkursionen beschäftigt.

140 Seite Einblick in Geschichte Nordschleswigs

Der neue Jahrgang der HAG-Schriften umfasst 140 Seiten und enthält vier längere Beiträge sowie Jahresberichte und Buchbesprechungen.

 

Ein Foto vom Tonderner Marktplatz mit der Christkirche im Hintergrund ziert den Umschlag des neuen HAG-Heftes. Er hat Bezug zum Beitrag im Heft über die Geschichte einer Familie in der Wiedaustadt. Darin wird auch erklärt, wie die Kirche zu ihrem Namen gekommen ist. Foto: HAG

Den längsten Text hat Jørgen Haase beigesteuert. Der Titel „Die Geschichte der Familie Haase in Tondern“ deutet an, dass es um Familiäres geht.

Doch der Beitrag liefert auch viel interessanten Lesestoff zur Geschichte der Wiedaustadt Tondern (Tønder). Dabei durchstreift der Autor die Frühzeit der einstigen Handelsstadt mit der Verleihung von Stadtrechten bereits im Jahre 1243, liefert lebendige Bilder aus Glanz- und Niedergangszeiten der jahrhundertelang eng mit deutscher Kultur und Handel mit den Nordseeanliegerregionen verbunden gewesen ist.

Verknüpft mit der mitunter etwas komplizierten Familiengeschichte der besonders mit dem Glashandwerk verbundenen Familie Haase, lässt Jørgen Haase das Leben der von Zünften, dem Wirken wechselnder Landesherren und dem wirtschaftlichen Auf und Ab geprägten Einwohnerschaft der Stadt Tondern lebendig werden.

Der Hoyeraner Pastor Claus Rolfs (1856–1926) predigte vor und nach 1920 in deutscher und dänischer Sprache im Kirchspiel Hoyer (Højer). Das Prinzip ungeteilter Gemeinden wurde nach 1920 nach der Abtretung Nordschleswigs durch Deutschland von der dänischen Volkskirche nicht fortgeführt. Das Foto zeigt ein Bild des auch als Historiker bekannten Theologen, das in der Kirche zu Hoyer hängt. Foto: Volker Heesch

Der vom früheren Vorsitzenden der HAG, Lorenz Peter Wree, mit theologischer Sachkenntnis bearbeitete Beitrag Karsten Nissens, „Die Auswirkungen der neuen deutsch-dänischen Grenze von 1920 auf die kirchlichen Verhältnisse in Nordschleswig“ passt ins Jubiläumsjahr der Nordschleswigschen Gemeinde.

Deren Gründung vor bald 100 Jahren war nämlich eine der Folgen des Umbruchs der kirchlichen Verhältnisse im 1920 nach den Volksabstimmungen und Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark und dem durch die Teilung stark veränderten ehemaligen Herzogtum Schleswig.

Die Kirche verfolgte eigene Linie

Der Beitrag Nissens schildert anschaulich den Verlauf der Neugestaltung. Er weist darauf hin, dass in den Jahren nach 1864 während der Herrschaft Preußens, die auf die Unterdrückung der dänischen gesinnten Bevölkerung setzte, in ganz Schleswig die Kirche mit Persönlichkeiten wie dem Generalsuperintendenten Theodor Kaftan eigenständig deutsche und dänische Gottesdienste bewahrte.

Zur Enttäuschung der nordschleswigschen Kirchenlandschaft war die in Nordschleswig ab 1920 neu zuständige dänische Kirche nicht bereit, das Prinzip ungeteilter Kirchspiele umzusetzen und die „Zweiströmigkeit“ Nordschleswigs zu respektieren, wie der langjährige Pastor in Hoyer (Højer), Jürgen Braren, in den 1920er-Jahren die besondere Situation definiert hatte.

Thema im Beitrag ist auch die Bedeutung des Umgangs der Kirchenführungen mit den Minderheiten zu beiden Seiten der Grenze. Von dem Entgegenkommen auf der einen Seite gegenüber der einen Minderheit, profitierte im kirchlichen Leben jeweils auch die Minderheit auf der anderen Seite.

Nachlass im Archiv

HAG-Vorstandsmitglied Claus Pørksen und die Leiterin des Archivs Nordschleswig, Nina Jebsen, haben sich auf die Suche nach Spuren des Journalisten und Ahnenforschers Max Rasch (1897–1981), geboren in Hostrup bei Tondern,  gemacht. Seine Lebensgeschichte ist eng mit dem Ersten Weltkrieg, den er als Soldat miterlebte, und einem Studium in Kiel und Marburg verbunden. Der Nordschleswiger mit dänischer Staatsbürgerschaft schlug sich anschließend in vielen Bereichen durch.

Dieser Presseausweis zeigt ein Bildnis des promovierten Germanisten und Historikers Max Rasch auf seinem im Deutschen Archiv Nordschleswig verwahrten Presseausweis der „Deutschen Wochenschau“. Foto: HAG

Als Höhepunkt werden eine Tätigkeit als Auslandskorrespondent in Kopenhagen und eine Lehrtätigkeit an der Universität Königsberg erwähnt. Geheimnisvoll bleibt bis heute seine Tätigkeit als Leiter des „Amtes für Sippenforschung“ in Apenrade ab 1944, weil die Akten der eng mit der NS-Minderheiten-Führung verknüpften Einrichtung offenbar 1945 vernichtet worden sind. Claus Pørksen und Nina Jebsen weisen auf die Tätigkeit von Rasch als Lokalredakteur des „Nordschleswigers“ in Tondern während der 1960er-Jahren hin.

Nach 1945 für deutsche Minderheit tätig

Nach seiner Inhaftierung 1945 durch die dänische Justiz hat er nach seiner Freilassung innerhalb der deutschen Minderheit unter anderem den „Volkskalender“ als Redakteur betreut und intensiv Familienforschung betrieben. Der Nachlass von Rasch wird im Deutschen Archiv Nordschleswig verwahrt, wo in jüngster Zeit vermehrt „Geheimnisse“ aus der Geschichte der deutschen Nordschleswiger beleuchtet werden.

Von Broacker nach Holnis und zurück

Der letzte Beitrag, „Rückkehr einer Brauttruhe“, stammt von Lorenz Peter Wree. Er ist eng mit der Heimat des Autors, dem Fährhaus Holnis am Südufer der Flensburger Förde, verknüpft. Wree hat die Geschichte einer Brauttruhe nachgezeichnet, die eine junge Frau vom Broackerland (Broagerland), Ingeburg Christensen, 1852 mit ihrer Aussteuer in die Ehe mit Matthias Andresen gebracht hat. Nach dem frühen Tod der jungen Frau übernahm Andresen den Holniser Fährkrug, was die Truhe nach Angeln brachte.

Die Brauttruhe aus dem Jahre 1852 Foto: HAG

Wree berichtet über die weitere Familiengeschichte, die sich unter anderem in einem Gemälde des Malers Otto H. Engel bewahrt hat. Holnis als Ort künstlerischen Schaffens findet Erwähnung, ebenso die Rückkehr der Brauttruhe in ihrer Heimat auf der Nordseite der Förde, wo sie sich im Lokalhistorischen Archiv Broackers befindet.  

Bestellung der Jahresschrift möglich

Wer die Beiträge lesen möchte, kann dies als Mitglied der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig oder per Kontaktaufnahme mit der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft tun, die im Gebäude des Deutschen Museums ihren Sitz hat, Rønhaveplads 12, DK 6400 Sønderborg. Auch per Mail unter archiv@bdn.dk, können Exemplare des 97. Heftes bestellt werden. 

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