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Hoyers interessante Geschichte und Gegenwart im Blick
Hoyers interessante Geschichte und Gegenwart im Blick
Hoyers interessante Geschichte und Gegenwart im Blick
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Die zweite Tagesfahrt der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) führte in den einstigen Hafenort am Wattenmeer mit seinem aktuellen Projekt zum Erhalt des Bauerbes. Die mittelalterliche Kirche und das Mühlenmuseum wurden besichtigt.
Auf großes Interesse ist die zweite Tagesfahrt 2022 der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) mit dem Ziel Hoyer am Sonnabend gestoßen.
Zum Auftakt Kirchenbesichtigung
Die HAG-Vorsitzende Gisela Jepsen begrüßte über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Beginn der von schönem Wetter begleiteten Veranstaltung. Zum Auftakt der Exkursion mit Mittagsverpflegung im Restaurant „Fruens vilje“ am fast fertig neugestalteten Marktplatz und Kaffee im Café des Museums stand eine Besichtigung der Kirche, deren Baugeschichte ins frühe 12. Jahrhundert reicht, auf dem Programm.
HAG-Vorstandsmitglied und Fachmann für Baugeschichte und Inventar der nordschleswigschen Kirchenlandschaft, Pastor em. Lorenz P. Wree, wies die Teilnehmerschaft auf die erhaltenen romanischen Stilelemente an dem in späteren Jahrhunderten erweiterten und im frühen 15. Jahrhundert mit ihrem 17 Meter hohen Turm ausgestatteten Gotteshaus hin.
Die Kreuzgruppe in der Hoyeraner Kirche ist im romanischen Stil geschaffen, mit einem gekrönten Jesus, dem Erretter der Welt, nicht dem leidenden Christus.
In der Kirche konnte auch das Bild des früheren Pastors in Hoyer, D. Claus Rolfs (1856-1926), betrachtet werden, der das rund 600 Seiten starke Werk „Geschichte des Kirchspiels und Fleckens Hoyer“ auf der Grundlage jahrzehntelanger Forschungen verfasst hat, das bis heute umfassend Einblick in die Vergangenheit von Hoyer und Umgebung liefert. Lorenz Wree erläuterte, dass nach dem Untergang der Kirche Anflod durch Sturmfluten im Bereich des heutigen Dorfes Ruttebüll (Rudbøl) im 14. Jahrhundert die seitdem größere Gemeinde mehr Platz benötigte.
Kreuz aus der Frühzeit der Kirche
Er stellte die romanische Triumphkreuzgruppe und den mittelalterlichen Altar vor, der im 19. Jahrhundert für mehrere Jahrzehnte im Turm abgestellt worden war und auf Initiative des schleswig-holsteinischen Provinzialkonservators Haupt während der Amtszeit von Pastor Rolfs restauriert und wieder in der Kirche aufgestellt wurde. Wree nannte zahlreiche Besonderheiten am Altar, der vermutlich aus einer Lübecker Werkstatt stammt. Erwähnung fand die Figur des gekreuzigten Petrus im Altar, dem die Kirche geweiht ist.
Rundgänge in zwei Gruppen
Nach dem Aufenthalt in der Kirche, die bis zum Bau des ersten Deiches zwischen Hoyer und Ruttebüll bei Sturmflut am Geestrand liegend den anbrandenden Wellen ausgesetzt war, wurde die Gruppe aufgeteilt. Die HAG-Vorstandmitglieder Claus Pørksen und Volker Heesch unternahmen Rundgänge durch die teilweise noch im Zuge des Ortserneuerungsprojekts nicht wieder mit Straßenpflaster und Fußsteigen versehenen Gassen und Straßen.
Claus Pørksen erläuterte anhand einiger Grabstätten an der Kirche das Wirken bedeutender Familien in Hoyer, die während der Schleswigschen Kriege im 19. Jahrhundert größtenteils die Unabhängigkeit Schleswig-Holsteins von Dänemark unterstützt hatten.
Berichtet wurde über die wichtige Rolle nicht nur der Landwirtschaft und der fruchtbaren Marschen für zeitweisen Wohlstand Hoyers. Thema war auch die bedeutende Rolle der Seefahrt für den Ort, der nach der Eindeichung mehrerer Köge entlang der Wiedau auch Tondern (Tønder) als Hafenort ablöste und handelsmäßig der Stadt Konkurrenz machte.

Es bestanden Handelsverbindungen in die Niederlande und in die deutschen Hansestädte bis nach Norwegen.
Auf dem Marktplatz wurde über Hoyer als Hauptort der Hoyerharde, Sitz der Gerichtsbarkeit und Ausgangspunkt der Schiffsverbindung zur Insel Sylt (Sild) bis zum Bau des Eisenbahndamms auf das Eiland im Jahre 1927 berichtet. Auf dem Rundgang wurde der Hof Hoyergaard betrachtet, zu dem Dokumente existieren, die darauf hinweisen, dass dieser zur Zeit des dänischen Königs Waldemar II. (1170-1241) mit Abgaben dessen Kasse füllte. Waldemar war zunächst Herzog von Schleswig, ab 1202 König von Dänemark. Dem Herzogtum Schleswig wurden Gelder gezahlt, bis zur Einverleibung des Gottorfer Staates durch den dänischen König im 18. Jahrhundert.
Alter Hof heute Schullandheim
Das seit den 1950er Jahren von der Nordschleswigschen Gemeinde als Pastorat genutzte Gebäude wird seit einigen Jahren als Schullandheim mit Kursen für Kochen und gesunde Ernährung genutzt.
Dafür und auch als Unterkunft für Veranstaltungen mit Bezug zum Wattenmeer wird ebenfalls die 1906 erbaute Sönnichsen-Villa in Nachbarschaft zu dem auch als Hoyer-Hof bezeichnete früheren Bauernhof genutzt.
Das im Heimatschutzstil nach Plänen des berühmten nordschleswigschen Architekten Jürgen Bachmann erbaute Haus ist mit Unterstützung der Stiftung Realdania grundlegend renoviert worden.
Thema während des Besuchs in Hoyer waren auch soziale Verhältnisse in Hoyer mit einer örtlichen Armenversorgung im 19. Jahrhundert, besonders wichtig in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs nach 1814 und mehreren Missernten. Auch die Entwicklung des Verkehrswesens mit Postkutschenverkehr bis zur Eröffnung der Eisenbahn von Tondern nach Hoyer 1892 fanden Erwähnung.
Schnellzugverbindung nach Hamburg
Die Blütezeit Hoyers mit Schnellzugverbindung nach Hamburg dauerte an bis zur Einstellung der Verbindung nach Sylt 1927. Nach 1920 blieben Träume unerfüllt, dass der Hafen Hoyerschleuse eine Rolle als Im- und Exporthafen und als Ort zur Anlandung von Frischfisch übernehmen könnte.
Nach der Mittagspause wurden unter anderem der bekannte Kier-Hof aufgesucht, der lange der Grafschaft Schackenburg unterstand und deshalb wie einige weitere Häuser in Hoyer bis 1864 verwaltungsmäßig und gerichtlich inmitten des herzoglichen Besitzes Teil des Königreiches Dänemark war. Betrachtet wurde auch das Austernlager am Hof, in dem im Wattenmeer gefischte Austern zwischengelagert wurden, bevor sie als Speise für Reiche und Adlige zeitweise sogar bis an den Zarenhof in St. Petersburg auf die Reise geschickt wurden.
Bis 1946 deutscher Bürgermeister
Thematisiert wurden auch die neuere Entwicklung Hoyers, das bei der Volksabstimmung 1920 gut 72 Prozent Stimmen für Deutschland aufwies und bis 1946 von einem deutschen Bürgermeister geleitet wurde. Es gab Informationen über Aufschwung durch Industriebetriebe wie die einstige Teppichfabrik, aber auch Einwohnerschwund nach der neuen Grenzziehung, vor allem aber im Zuge des allgemeinen Strukturwandels in den jüngsten Jahrzehnten, der in Hoyer viele Geschäfte und kleinere Unternehmen verschwinden ließ.
Als Teil der Kommune Tondern seit 2007 hat Hoyer im Zuge des Projektes Tonderner Marsch viele neue Impulse bekommen. Trotz des Verlustes eines Teils der historischen Bausubstanz werden in Hoyer Pläne geschmiedet, im Zuge der laufenden Ortserneuerung, mit der Attraktivität als Urlaubsort inmitten der reichen Natur und Kultur im Einfluss von Marschen und Wattenmeer als Standort von Bildungsstätten und Kunsthandwerk, wieder mehr Einwohner zu bekommen.
Zum Abschluss der HAG-Exkursion wurde das zum Museumsverbund Museum Sønderjylland gehörende Mühlen- und Marschenmuseum besucht. Dort werden in modernen Ausstellungen Natur, Eindeichungsgeschichte und der Betrieb der Windmühle vermittelt. Auch der am ehemaligen Müllerhaus erhaltene westschleswigsche Bauerngarten mit seinem ansehnlichen Pflanzensortiment, Blumen und Gemüse fand Interesse.
Ein Teil der Heimatkundlerinnen und Heimatkundler unternahm abschließend eine Tour zur Wiedauschleuse, die 1982 von Königin Margrethe und Bundespräsident Carstens eingeweiht wurde, nachdem im Rahmen eines deutsch-dänischen Küstenschutzprojektes mit einem Deich zwischen Emmerleff Kliff (Emmerlev Klev) und dem Hindenburgdamm mit einem neuen Seedeich mit 7,45 Meter Höhe Hoyer und die gesamte Tonderner Marsch ein sicheres Bollwerk gegen Sturmfluten und steigenden Meeresspiegel erhalten hatten.

Vom neuen Aussichtsturm konnten die Besucherinnen und Besucher interessante Vögel wie Löffler am Strand beobachten.