Kultur

Eindringlicher Leseabend mit Steffen Siegmund

Eindringlicher Leseabend mit Steffen Siegmund

Eindringlicher Leseabend mit Steffen Siegmund

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Der Schauspieler Steffen Siegmund brachte den virtuell zugeschalteten Zuhörern und Zuschauern am Donnerstagabend die Kurzgeschichte „Der Tunnel“ von Friedrich Dürrenmatt nahe. Foto: Verband Deutscher Büchereien Nordschleswig

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Am Donnerstag hatte der Verband Deutscher Büchereien in Nordschleswig eine virtuelle Lesung mit Steffen Siegmund vom Thalia-Theater in Hamburg veranstaltet. Über den Videodienst Zoom las er den Autor Friedrich Dürrenmatt und sorgte somit für einen ganz besonderen kulturellen Höhepunkt.

Als Friedrich Dürrenmatt seine Kurzgeschichte „Der Tunnel“ 1952 schrieb, lagen Pest und Spanische Grippe weit hinter den Menschen. Computer gab es noch nicht, und Geschriebenes entstand auf der Schreibmaschine oder wurde von Hand aufs Papier gebracht. Hundert Jahre nach seiner Geburt sind Veranstaltungen im Internet, Teilnahme via Zoom und Applaus via Icons wegen der Corona-Pandemie fast schon Alltag.

Aber es gibt solche und solche Veranstaltungen und die Lesung mit Steffen Siegmund vom Thalia-Theater in Hamburg war ein ganz besonderer Höhepunkt des kulturellen Angebots des Verbandes Deutscher Büchereien in Nordschleswig.

Gut 35 Menschen – von Hoyer (Højer) über Hamburg, von Hadersleben (Haderslev) bis nach Leipzig und Frankfurt – hatten sich Donnerstagabend vor ihren Schirmen versammelt und wurden vom Boy-Gobert-Preisträger Siegmund in den Sog des Tunnels gerissen. Eine Zuschauerin drückte es in ihrem Kommentar so aus: „Man hatte das Gefühl, Steffen könnte durch den Bildschirm greifen, um einen eine Bristol anzubieten.“ In der Geschichte raucht die Hauptfigur diese Art Zigarre.

Steffen Siegmund berührte die Menschen und verlieh dem jahrzehntealten Stück eine Aktualität, die den Gästen Gänsehautschauer über den Rücken jagte. Der Zug rast auf dem Weg nach Zürich durch einen Tunnel, den es dort noch nie gab. Es bleibt dunkel, und es geht immer weiter in die Tiefe, Lokführer und Packpersonal sind schon frühzeitig abgesprungen. Jetzt bleibt nur noch der Fall.

Gerade in diesen Zeiten sind solche Lesungen wichtig, betonte ein anderer Zuhörer: „Doch gerade ein solcher Abend wie gestern weckt ganz andere Gedanken und Gefühle, was einfach grandios war. Zwar ist in der Corona-Pandemie noch kein Licht am Ende des Tunnels zu erblicken, doch verbunden mit dem Märchen vom Glück packen wir es dann doch vielleicht, optimistischer an das Ganze heranzugehen!“

Nach Dürrenmatt las Siegmund von Erich Kästner „Das Glück ist keine Dauerwurst“ – zum sehr großen Vergnügen der Gäste. Daran schloss sich eine lebhafte Debatte an, welches Märchen der Ursprung dieser Geschichte war und wo die Erzählung von den drei Ringen zuerst auftauchte oder seinen Widerhall fand – im Nathan von Lessing? Oder doch eher im Decamerone von Boccaccio? Kultur macht auch via Zoom Spaß, wenn so begnadete Schauspieler wie Steffen Siegmund sie nahebringen, waren sich die Zuhörer und -schauer an diesem Abend einig.

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