Leitartikel

„Was für eine Bombenstimmung“

Was für eine Bombenstimmung

Was für eine Bombenstimmung

Apenrade/Aabenraa
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Die deutsche Sprache ist geprägt von kriegerischen Redewendungen, die wir ganz selbstverständlich nutzen. Warum es spätestens jetzt an der Zeit ist, einige Ausdrücke kritisch ins Visier zu nehmen, verrät Journalistin Kerrin Jens in einem Leitartikel, für den sie sich am Riemen reißen muss.

Es gibt Situationen, da muss man sich beeilen, schnell irgendwo hinzukommen, zum Beispiel weil man verschlafen oder getrödelt hat. Dann gibt es wiederum Situationen, in denen man sich Zeit nehmen kann. Hetz mich nicht, wir sind doch nicht auf der Flucht. Als mir dieser Satz über die Lippen kommt, habe ich angesichts der Bilder von ukrainischen Müttern mit ihren Kindern, die sich hastig von ihren Männern und Vätern verabschieden, bevor sie ihr Land verlassen, sofort ein schlechtes Gewissen.

Dieser Satz, den ich schon seit Kindertagen kenne, macht mich nachdenklich. Wie viel Krieg steckt in der deutschen Sprache? Ich stöbere durch das Online-Archiv des „Nordschleswigers“, und es dauert nicht lange bis ich fündig werde: Allan Pilgaard-Jensen wird am 1. April die Verwirklichung des „Masterplan2029“ in Angriff nehmen. Das Aus nach nur wenigen Tagen bei AGF ist wie eine Bombe eingeschlagen. „Der Nordschleswiger“ steht im Visier des Kabaretts Heimatmuseum. Im Festzelt ist Bombenstimmung. Das Personal an vorderster Front hat Vortritt bei der Impfung.

Und dann gibt es noch unzählige Redewendungen, die auf kriegerische Auseinandersetzungen zurückzuführen sind, die wir ganz selbstverständlich nutzen. In einem Artikel ist die „Deutsche Welle“ einigen Redensarten auf den Grund gegangen: Am Riemen reißen kommt zum Beispiel daher, dass Soldaten beim Appell ordentlich und gepflegt aussehen müssen, der Riemen am Gürtel mittig ausgerichtet – sonst musste der Soldat „am Riemen reißen“, um alles wieder in Ordnung zu bringen.

Auch wenn man sich aus dem Staub macht, ist ursprünglich der Staub gemeint, der beim Gefecht aufgewirbelt wird. Wer versuchte, dem Getümmel zu entkommen und sich aus dem Staub zu machen, war ein Deserteur.

Wer eine Beziehung beendet, gibt jemandem den Laufpass. Auch diese Redensart kommt aus dem Militärwesen: Im 18. Jahrhundert bekamen Soldaten bei ihrer Entlassung einen Laufpass. Mit dem Dokument konnten sie beweisen, dass sie sich nicht etwa „aus dem Staub“ gemacht hatten.

Aber was darf man dann heute überhaupt noch sagen? Es geht nicht darum, jemandem den Mund zu verbieten, sondern darum, ein Gefühl für die eigene Sprache zu entwickeln. Ist es wirklich nötig, dass wir etwas in Angriff nehmen, an vorderster Front stehen oder uns am Riemen reißen? Die deutsche Sprache ist vielfältig, und deshalb können wir genauso gut etwas anpacken, als Erstes an der Reihe sein oder uns zusammenreißen.

Natürlich ist es nicht kriegsentscheidend, ob wir bestimmte Wörter oder Redewendungen vermeiden, aber es ist wichtig, dass wir uns über unser „Kriegsdeutsch“ Gedanken machen.

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