Leitartikel

„Flying Home For Christmas“

Flying Home For Christmas

Flying Home For Christmas

Apenrade/Aabenraa
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Über’s Ziel hinausgeschossen? Das befürchtet zumindest Nils Baum, denn der Regulierungsversuch, nur mit gültigem Corona-Pass im InterCity über die Weihnachtstage nach Hause fahren zu dürfen, führt im besten Fall zu Kopfschütteln – und im schlimmsten zu einem Rückgang in der Akzeptanz all der anderen sinnvollen Corona-Maßnahmen.

Am Sonnabend tickerte die Pressemitteilung aus dem Transportministerium über den Schirm: Ab Sonntag, 19. Dezember um 8 Uhr gilt neben der Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und für eine Platzreservierung zu sorgen, wenn man mit dem InterCity oder dem noch schnelleren InterCityLyn über die Weihnachtstage nach Hause oder zu Verwandten oder Freunden fahren will, auch einen negativen Corona-Pass vorweisen zu können. Das gleiche gilt für Reisen mit dem Fernbus. Ohne Corona-Pass droht ein Bußgeld über 750 Kronen.

Die Begründung von Transportminister Benny Engelbrecht lautete, dass die Infektionszahlen derzeit in besonders kurzen Abständen in die Höhe schnellten und der Weihnachtsverkehr in Gefahr sei, wenn nicht gegengesteuert würde. Es ginge ihm deshalb nicht darum, dem öffentlichen Verkehr neue Beschränkungen aufzuerlegen, sondern die weitere Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Eigentlich doch eine gute Absicht, oder?

Das große „Aber“ liegt jedoch in der Frage, wie die Menschen gestellt sind, die die sich vor kurzem mit dem Coronavirus infiziert haben und dies am 11. Dezember oder danach über ein positives Testergebnis festgestellt oder bestätigt bekamen, aber dann in der Zwischenzeit bereits wieder genesen oder symptomfrei sind. Sie dürfen nämlich trotzdem nicht mit dem InterCity fahren, verschwindet der Corona-Pass doch für 14 Tage, sobald eine Infektion festgestellt wurde. Ob man in der Zwischenzeit bereits wieder genesen oder symptomfrei ist, spielt dabei keine Rolle.

Oder doch?

Das dachte sich zumindest der Minister, denn er hatte bereits Vorsorge für all diejenigen getroffen, bei denen vor weniger als 14 Tagen eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde, und die deshalb vorübergehend ohne Corona-Pass dastehen, jedoch auf die Fahrt mit dem InterCity angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen. Die Lösung: Sie bekommen zunächst auch das Bußgeld aufgebrummt, können sich dies dann jedoch nach einer Bestätigung der Notwendigkeit des InterCity-Transports durch ihren Arbeitgeber wieder erstatten lassen. Dazu müssen sie sich lediglich an das DSB-Kundencenter wenden.

Aber hat der Minister das auch zu Ende gedacht?

Denn dann kam der Montag, und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten verwundert die Augen rieben. Zwar hatte der Minister am Sonntag auch noch bekanntgegeben, dass die Erstattungsantragslösung im Laufe des Januars auch auf Personen, die zu ihrem Ausbildungsort mit dem InterCity fahren, ausgeweitet wird. Doch zu spät! Denn was ist mit allen, die in dieser Woche mit dem InterCity zum Weihnachtsfest nach Hause, zu Verwandten oder zu Freunden reisen wollen, und die nach einer Corona-Infektion bereits wieder genesen und symptomfrei sind, jedoch aufgrund der 14-Tagesfrist ihren Corona-Pass noch nicht wieder zurückhaben?

Eine Antwort könnte lauten: Die fahren einfach mit dem Nahverkehrszug und steigen dann eben ein paar Mal mehr um und schauen etwas länger aus dem Zugfenster. Oder sie suchen sich eine Mitfahrgelegenheit und quetschen sich mit drei oder vier weiteren (fremden) Personen in ein Auto. Für manche dürfte auch das Flugzeug eine Alternative sein, denn hier reicht bei einem Inlandsflug ein Mund-Nasen-Schutz aus – im Flugzeug scheint das Infektionsrisiko geringer als im InterCity zu sein (dies, es sei mir als Randbemerkung gestattet, vielleicht ein Hinweis darauf, dass die DSB ihre InterCity-Züge dringend mit einer Klimaanlage vergleichbar mit der in Flugzeugen austauschen sollte).

Bei den Radikalen will man nun Gesundheitsminister Heunicke zur Rede stellen, und auch bei der Dänischen Volkspartei will man Änderungen, sodass die Menschen über Weihnachten in jedem Falle mit dem InterCity reisen können.

Was soll all das Geschrei, mag sich hier mancher fragen?

Schließlich ist nur ein vergleichsweise geringer Teil der Bevölkerung betroffen. Und der muss dann eben einfach mal zu Hause bleiben, denn Maßnahmen, die zum Schutz der Ausbreitung des Coronavirus beitragen, sind nun einmal notwendig.

Ja, nur sollten sie gerne nachvollziehbar sein. Aus Engelbrechts Begründung, dass der Weihnachtsverkehr in Gefahr sei, könnte sonst die Befürchtung erwachsen, dass irgendwann die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen insgesamt in Gefahr ist. Und damit wäre nun wirklich niemandem gedient.

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