Kulturkommentar

„Mach doch mal was ganz Krasses“

Mach doch mal was ganz Krasses

Mach doch mal was ganz Krasses

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Um aus der Masse herauszustechen, reicht es manchmal schon, in der Öffentlichkeit ein Buch zu lesen. Welche Vorteile das bietet, erklärt Büchereidirektorin Claudia Knauer in ihrem Kulturkommentar.

Claudia Knauer ist Jahrgang 1961, lebt mit ihrem Mann in Apenrade (Aabenraa) und ist Direktorin der Büchereien der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Sie war unter anderem stellvertretende Chefredakteurin beim „Nordschleswiger“ und schreibt seit Jahren weiterhin Gastbeiträge.

Es gibt gerade bei jungen Menschen zwei gegensätzliche, gerne auch wechselnde Gemütsrichtungen: in der Masse aufgehen, sein wie alle oder unbedingt anders sein und auffallen. Manche versuchen es mit blauen Haaren, sehr viel Metall im Mund, zerrissenen Jeans (kann aber sein, dass ich hier nicht auf dem Laufenden bin und das modisch und teuer ist) oder auch sehr wenig Textil am Körper.

Es gibt aber noch eine andere Variante, und die ist wirklich krass (das Wort weist mich jetzt vermutlich sicher als Boomer aus): Lies ein Buch. Ein Buch aus Papier. Lies es in der Öffentlichkeit. Das fällt auf.

Ich bin in den vergangenen Tagen viel Bahn gefahren und habe, recht unfreiwillig, viel Zeit auf Bahnsteigen und an anderen unwirtlichen Stellen zugebracht. Rund um mich herum herrschte Ruhe – kein Wunder, denn alle hatten kleine weiße, den Aufsätzen für elektrische Zahnbürsten ähnliche Stecker im Ohr oder riesengroße Kopfhörer obendrauf. Alle starrten auf die kleinen Schirme.

Und dann geschah es: Im Zug nach Rothenkrug setzte sich ein recht junger Mann neben mich und arbeitete mit einem Stift in einem Heft – Französischübungen, wie ich, neugierig wie ich bin, erspähen konnte. Danach nahm er ein dickes Buch aus dem Rucksack und las „Die Brüder Karamasow“ von Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

Das ist schwerer Stoff. Hut ab. Er war, neben mir, ich gebe es zu, der Einzige, soweit ich es überblicken konnte, der ein Buch las. Das sollte stilbildend sein (Untersuchungen zeigen übrigens auch, dass Buchlesen attraktiv macht – nur mal so, als kleiner Hinweis). Denn Lesen (zur Not auch digital) regt die Fantasie an und legt Kräfte frei, von denen man nicht ahnt, dass man sie hat. „Bücher sind ein Tor in die Welt“, hat gerade auf dem bibliothekspolitischen Gipfel in Odense Kulturminister Jakob Engel-Schmidt (Moderate) gesagt. Recht hat er.

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

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