Kulturkommentar

„Einfach mal sein lassen“

Einfach mal sein lassen

Einfach mal sein lassen

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Ein Kulturkommentar von Büchereidirektorin Claudia Knauer.

Claudia Knauer ist Jahrgang 1961, lebt mit ihrem Mann in Apenrade (Aabenraa) und ist Direktorin der Büchereien der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Sie war unter anderem stellvertretende Chefredakteurin beim „Nordschleswiger“ und schreibt seit Jahren weiterhin Gastbeiträge.

Diese Zeilen des Goetheschen Osterspaziergangs dürften zumindest den älteren Lesern und Leserinnen vertraut sein:

Zufrieden jauchzet groß und klein;
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!

Es geht, wie bekannt, um das Entfliehen der Enge, die Freude am Da- und Miteinandersein, um Öffnung und Weite. Das muss sich nicht unbedingt auf die Häuser, enge Straßenschluchten oder muffige Katen beziehen, sondern darf auch auf den Geist angewandt werden. Wer möchte nicht einfach mal sein dürfen?, wie es Katja Hinz in ihrem Bücherei-Instagram-Live-Interview mit Leonie Krauskopf formulierte, als es um Geschlechterrollen und die Festlegung, ob man Mann oder Frau oder beides lieben kann, ging.

Die junge Frau engagiert sich dafür, darüber aufzuklären, was es bedeutet, so nicht festgelegt zu sein, aber manchmal ist es auch anstrengend, immer erklären zu müssen. Das ist nachvollziehbar. Aufklärung, Wissensvermehrung, Anstoß zum eigenen Denken – das alles ist wichtig und im Übrigen eine zentrale Aufgabe der Bibliotheken in dieser Welt.

Aber es darf und muss auch eine Zeit geben, in der diese wichtigen Ziele etwas in den Hintergrund rücken. Das bedeutet, dass die Mitmenschen Dinge auch einmal einfach hinnehmen. Wenn ein Mann einen Mann liebt, muss er sich dafür nicht erklären oder, schlimmer noch, rechtfertigen müssen.

Es gibt eine Zeit, Dinge, Haltungen, Verhaltensweisen zu diskutieren, ihnen auf den Grund zu gehen, eigene Denkmuster zu hinterfragen. Es gibt aber auch die Zeit des Annehmens, Akzeptierens und So-Sein-Lassens. Das gilt selbstverständlich nicht, wenn es um sexistisches, rassistisches, antisemitisches oder anderweitig herabsetzendes Verhalten geht.

Da muss immer Einspruch erhoben werden. Aber wenn es darum geht, dem Mitmenschen sein Leben so zu gönnen, wie er oder sie es möchte – dann bitte auch mal Zurückhaltung üben. Ein Frühaufsteher ist kein besserer Mensch, ein Spätaufsteher kein potenzieller Verbrecher – jede/r, soll aufstehen, wie es am besten passt.

Wer querbeet liebt, erweitert enorm seinen oder ihren Kreis. Wer lieber am Freitagabend zu Hause bleibt, muss nicht zum Partylöwen umfunktioniert werden. Wer seinen Geburtstag lieber unter den Tisch fallen lässt, darf das tun, während andere auf krachende Feste setzen. Lass(t) einfach sein.

 

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

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