Kulturkommentar

„Digga für Best Ager“

Digga für Best Ager

Digga für Best Ager

Apenrade/Aabenraa
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Sport, Sprache und Jugendkultur treffen auf einen Best Ager, der das, was das in seinem Kopf macht, in einem Kulturkommentar zu Papier bringt.

Dieser Kulturkommentar beginnt mit einem Geständnis. Ja, ich gehe ins Fitnessstudio. Der Grund meiner Mitgliedschaft betrübte dort zuletzt eines der Kraftpakete. Kaum der Jugend entwachsen, beeindruckte dieser mit enormer Schulterbreite. Das sah nach Expertise aus. Ein wirklich freundlicher, hilfsbereiter, junger Mann.

Begeistert erklärte er das Gerät und schwärmte, wie der Autor dieser Zeilen dort Muskeln aufbauen könne. Dieser entgegnete, in seinem Alter gehe es nicht um Muskelaufbau, sondern lediglich um die Verlangsamung des Verfalls. Entsetzen und Verständnislosigkeit auf der anderen Seite. Die Blickwinkel sind im Altersabstand von mehr als 30 Jahren entsetzlich ungleich.

Aber dies nur mal vorweg. Wer regelmäßig eine derartige Institution mit gemischtem Publikum aufsucht, wird sich geradezu zwangsläufig mit der Jugendsprache auseinandersetzen (müssen).

Seit jeher versuchen Heranwachsende, sich von den Älteren abzusetzen – durch die Wahl der Lokale, der Kleidung und auch der Sprache. Und sie hassen es, wenn Ältere all das kopieren, in die gleichen Läden gehen, lässig Klamotten tragen und zu allem Übel noch ihre Worte benutzen. Schrecklich! (für Jugendliche). Wie peinlich war es doch, als damals die Eltern  voller Begeisterung „Das ist ja geil!“ riefen.

Obwohl eigentlich schon selbst recht betagt, ist Digger oder Digga offenbar weiterhin hoch im Kurs. Kein Satz ohne Digga – zumindest im Fitnessstudio. Am Anfang, in der Mitte, am Ende des Satzes, überall muss Digga rein. Medienberichten zufolge stammt der Ausdruck aus dem Hamburg der 90er-Jahre, wo die Jugend sich offenbar des Kosewortes „Dicker“ annahm, die Kanten abschliff und es zu Digga destillierte.

Üblicherweise wird in einen kurzen Frage- oder Hauptsatz Digga in Mengen eingebaut. Damit nicht genug: Der Rezipient hält die Digga-Frequenz und fügt noch das Wort Bro hinzu. Bro für das englische Brother.

Man will als Unbeteiligter nicht, aber man muss doch zuhören, gerade in den Übungspausen. Zuerst amüsiert, ist man nach einiger Zeit bereit, die Langhantel zu Boden fallen lassen, um den Bros und Diggas Mut zu machen. Es gibt doch noch so viele schöne andere Wörter! Nutzt doch die Artenvielfalt. Das würde wohl nur zu Kopfschütteln führen. Wer will sich schon sprachlich maßregeln lassen –  zumal als Kraftpaket.

Mein nahezu gleichaltriger Sportsfreund – oder neudeutsch „Gymbro“ – und ich, wir haben einen perfiden Plan. Wir kopieren und begrüßen uns mit Digga und Bro. Denn die Jugend verließ Facebook, als die Älteren die Plattform kaperten. Vielleicht lassen die Jungen von Digga und Bro ab, wenn die Alten die Begriffe klauen. Vielleicht machen mein Gymbro und ich uns auch einfach nur lächerlich. Man gut, wir sagen nur dezent Bro und Digga. Aber mit einem Grinsen.

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