Kulturkommentar

„Der Charme des handgeschriebenen Zettels“

Der Charme des handgeschriebenen Zettels

Der Charme des handgeschriebenen Zettels

Claudia Knauer, Büchereidirektorin
Apenrade/Aabenraa
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Die hohe Kunst des Schreibens mit der Hand sollte unbedingt gepflegt werden, meint Claudia Knauer in ihrem Kulturkommentar.

Wer schreibt heute noch mit der Hand? Lernt man das überhaupt noch in der Schule? Aber wer diese avancierte Kulturtechnik beherrscht, der kann auch dann überleben, wenn die Technik in die Knie geht. In der Tingleffer deutschen Bücherei zum Beispiel versagte in den Sommerferien der Selbstverbucher seinen Dienst. Wer Bücher entleihen oder zurückgeben wollte, konnte sie nicht elektronisch verbuchen. Stattdessen haben die findigen Bücherfüchse die entsprechenden Buchungscodes, die zum Glück auf der Rückseite der Medien stehen, auf Zettel geschrieben, die von den fleißigen Büchereimitarbeiterinnen dann später in den Computer eingegeben wurden. Eine Heidenarbeit, die da geleistet wurde, aber das Ausleihgeschäft ging weiter, und wer lesen wollte, konnte seine/ihre Bücher mit nach Hause nehmen. Schon schön, wenn man das Schreiben mit der Hand beherrscht.

Wer etwas mit der Hand aufschreibt, verankert das Geschriebene übrigens auch besser im Gehirn. Nicht wenige Schüler/innen und Studierende schreiben sich das, was sie in der Prüfung brauchen, mit der Hand auf, um sich besser erinnern zu können. Die Forschung bestätigt diesen Zusammenhang eindeutig. Aus diesem Grund haben auch manche Lehrer/innen gar nicht so viel gegen das Schreiben von Spickzetteln – wenn sie denn in der Prüfung nicht benutzt werden. Aber wer mit der Hand schreibt, ist besser vorbereitet.

Im Übrigen ist ein handgeschriebener Brief auch ein besonderer Gunstbeweis. Man macht sich die Mühe, Papier und Schreibgerät zu finden und schenkt der Empfängerin oder dem Empfänger nicht nur den Inhalt, sondern auch die Zeit. Und wer mit der Hand schreibt, denkt ein bisschen länger nach. Copy – paste funktioniert hier nicht, und Tintenkiller gibt es kaum noch.

Die hohe Kunst des Schreibens mit der Hand sollte unbedingt gepflegt werden. Wer sie beherrscht, ist auch bei Stromausfall oder Verlust des Handys noch in der Lage zu kommunizieren. Auf die elegante Art und Weise. Auf Technik kann man sich nicht immer verlassen. Deshalb ist es auch eine gute Idee, eine bestimmte Summe Bargeld im Hause zu haben. Denn wenn weder Dankort noch MobilePay funktionieren, bleibt der Kühlschrank leer. Der Einkauf kann schlicht nicht bezahlt werden. Und der Einkaufszettel im Smartphone ist ohne Strom auch nicht lesbar – der handgeschriebene aber schon.

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