Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew/New York
Zuletzt aktualisiert um:
Ein russischer Soldat steht auf dem Gelände des Kernkraftwerks Saporischschja. Foto: Uncredited/AP/dpa

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In Europas größtem Kernkraftwerk in der Ukraine sitzen russische Soldaten, immer wieder schlagen in der Nähe Granaten ein. Die UN wollen sich unabhängig ein Bild von der Lage machen. Die Entwicklungen.

Die bedrohliche Lage im russisch besetzten Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine hat am Donnerstag den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York beschäftigt. Zwar stelle das mehrfach beschossene größte Kernkraftwerk Europas derzeit kein Sicherheitsrisiko dar, berichtete der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi. «Dies kann sich jedoch jederzeit ändern.» Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja lehnte bei der Dringlichkeitssitzung die Forderung nach einem Abzug der Truppen ab. Er sagte aber russische Unterstützung für den Besuch einer internationalen Expertenkommission in dem AKW zu.

In Kiew forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen sofortigen Abzug der russischen Truppen aus dem Werk und warf Moskau «nukleare Erpressung» vor. «Niemand sonst hat ein Atomkraftwerk so offensichtlich benutzt, um die ganze Welt zu bedrohen und Bedingungen zu stellen», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Über der gesamten Ukraine wurde am Donnerstagabend zweimal Luftalarm ausgelöst. Für die Ukraine ist am Freitag der 170. Tag des Kampfes gegen die russische Invasion.

London: Explosionen haben Schwarzmeerflotte geschwächt

Die Explosionen auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim haben nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten die Marineflieger der russischen Schwarzmeerflotte deutlich geschwächt. Mindestens acht Flugzeuge auf dem Militärflugplatz Saki seien dabei zerstört oder beschädigt worden, hieß es in dem Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Freitag. Das sei zwar nur ein kleiner Teil der Russland für die Invasion in die Ukraine zur Verfügung stehenden Luftstreitkräfte, aber der Flugplatz sei vor allem zur Unterstützung der Flotte genutzt worden.

Die Ursache für die Explosionen vom Dienstag sei weiterhin unklar, so die Experten weiter. Bei den pilzförmigen Rauchsäulen, die auf Augenzeugenvideos zu sehen waren, habe es sich aber höchstwahrscheinlich um bis zu vier Bereiche gehandelt, in denen Munition ungeschützt gelagert wurde.

Russische Armee rückt im Donbass weiter vor

Das russische Militär hat nach ukrainischen Angaben bei schweren Angriffen in der Ostukraine Fortschritte erzielt. «Beim Vorstoß in Richtung Horliwka - Sajzewe hatte der Feind teilweise Erfolg», teilte der ukrainische Generalstab am Freitag in seinem Lagebericht mit. Die Großstadt Horliwka nördlich von Donezk wird bereits seit 2014 von den prorussischen Separatisten kontrolliert. Nun wurden offenbar die stark befestigten ukrainischen Stellungen nördlich der Stadt im Donbass gestürmt.

Wann können internationale Experten ins AKW Saporischschja?

Nur wenige Stunden vor der von Russland beantragten Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums war Europas größtes Atomkraftwerk erneut unter Beschuss geraten. Nach Angaben der Besatzungsbehörde wurde aus Orten unter ukrainischer Kontrolle geschossen. Der ukrainische Konzern Enerhoatom berichtete von zehn Einschlägen in der Nähe. Überprüfbar waren die Angaben nicht. Zuvor hatte die Ukraine Russland beschuldigt, das AKW ins Visier zu nehmen.

Grossi forderte Moskau und Kiew vor dem Sicherheitsrat auf, einen Besuch internationaler Experten schnell zu ermöglichen. «Ich persönlich bin bereit, eine solche Mission zu leiten.» Ohne physische Präsenz von Vertretern der IAEA könnten wichtige Fakten nicht zusammengetragen werden. Auch die USA drängten auf eine Reise von Experten: «Dieser Besuch kann nicht länger warten», sagte die Unterstaatssekretärin für Rüstungskontrolle, Bonnie Jenkins.

Nebensja sagte Kooperation zu. Er zog aber die Kiewer Bereitschaft in Zweifel, eine solche Mission zuzulassen. Der Botschafter lehnte auch die Forderung nach einer Demilitarisierung des Kraftwerks ab, wie sie unter anderem UN-Generalsekretär António Guterres erhoben hatte. Das mache das AKW anfällig für Provokationen und Terrorakte, sagte Nebensja.

Ukraines Ex-Präsident schickt Honig mit Nationalisten-Logo

Der ukrainische Ex-Präsident Viktor Juschtschenko will den Kampfgeist ukrainischer Soldaten mit Honigriegeln und nationalistischen Logos stärken. «Das ist der von allen geliebte Honig, der aus den Bienenstöcken der Heimat großer Ukrainer stammt», schrieb der 68-Jährige bei Facebook. In einer ersten Lieferung sollen 25.000 Packungen mit den Bildnissen des Nationaldichters Taras Schewtschenko und des umstrittenen ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera an die Front gehen.

Der Honig stamme aus den Geburtsorten von Schewtschenko und Bandera in dem zentralukrainischen Gebiet Tscherkassy und dem westukrainischen Iwano-Frankiwsk. «Es gibt keine gemeinsame Sprache mit den Moskowitern. Und beim Honig ebenso», heißt es auf der mit Bandera verzierten Packung.

Heftiges Artilleriefeuer über dem Donbass

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs versuchten die russischen Truppen im Donbass weiter, im Schutz schweren Artilleriefeuers vorzurücken. Auch Kampfflugzeuge seien eingesetzt worden. Die Angriffe richteten sich vor allem gegen die Städte Bachmut und Awdijiwka. Ukrainische Truppen hätten die Attacken aber abgewehrt, hieß es in dem Lagebericht. Die Militärangaben waren nicht unmittelbar überprüfbar. Zwei Mal wurde am Donnerstagabend über der ganzen Ukraine Luftalarm ausgelöst, ohne dass zunächst von Einschlägen russischer Bomben berichtet wurde.

Präsident Selenskyj forderte in seiner Ansprache alle Behördenvertreter zu Verschwiegenheit auf. Sie sollten sich mit Kommentaren zur militärischen Lage zurückhalten, um Operationen nicht zu gefährden. Er dankte für die Militärhilfen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, die bei einer Konferenz von Unterstützerländern in Kopenhagen zugesagt wurden. Das Geld soll in Waffen und in die Ausbildung ukrainischer Soldaten fließen.

Moskauer Führung spricht mit ostukrainischen Separatisten

Die Spitzen des Moskauer Sicherheitsapparates berieten am Donnerstag mit den prorussischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine über eine weitere Annäherung. Das Treffen im Auftrag von Präsident Wladimir Putin fand in Luhansk statt, wie der Vize-Sekretär des Sicherheitsrates und frühere Präsident Dmitri Medwedew mitteilte. Aus Moskau nahmen unter anderem Innenminister Wladimir Kolokolzew, Geheimdienstchef Alexander Bortnikow und der Vizechef des Präsidialamts, Sergej Kirijenko, teil. Es sei über die Angleichung von Gesetzen der Volksrepubliken Donezk und Luhansk an die russische Gesetzgebung beraten worden, schrieb Medwedew. Auch um den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur sei es gegangen.

Hausarrest für russische Kriegsgegnerin Owsjannikowa

Wegen ihrer Kritik am Krieg gegen die Ukraine muss die frühere russische TV-Journalistin Marina Owsjannikowa vorerst in Hausarrest bis zum 9. Oktober. Das entschied ein Gericht in Moskau am Donnerstag. Der Arrest ist Teil eines Strafverfahrens, in dem Owsjannikowa (44) wegen der angeblichen Verbreitung von Falschinformationen über die russischen Streitkräfte angeklagt ist. Dabei drohen ihr der Agentur Interfax zufolge zwischen fünf und zehn Jahren Haft. Owsjannikowa war am Mittwoch festgenommen worden.

Die bis dahin als linientreu geltende Journalistin im russischen Staatsfernsehen hatte Mitte März in einer Live-Nachrichtensendung ein Anti-Kriegs-Plakat in die Kamera gehalten. Mitte Juli protestierte sie in Sichtweite des Kremls erneut gegen den Krieg.

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