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„Niemals vergessen: Das Gedenken an den Genozid von Srebrenica“

Niemals vergessen: Das Gedenken an den Genozid von Srebrenica

Das Gedenken an den Genozid von Srebrenica

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade/Aabenraa
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Der Genozid von Srebrenica jährt sich in diesem Jahr zum 28. Mal. Warum der Völkermord niemals vergessen oder relativiert werden darf und weshalb es so wichtig ist, an ihn zu denken, schreibt Jan Diedrichsen in seiner Kolumne.

Zur Person: Jan Diedrichsen

Jan Diedrichsen (Jahrgang 1975), wohnhaft in Berlin und Brüssel, leitet die Vertretung des Schleswig-Holsteinischen Landtages in Brüssel, hat sein Volontariat beim „Nordschleswiger“ absolviert und war als Journalist tätig. 13 Jahre lang leitete er das Sekretariat der deutschen Minderheit in Kopenhagen und war Direktor der FUEN in Flensburg. Ehrenamtlich engagiert er sich bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) – davon bis 2021 vier Jahre als Bundesvorsitzender. Seit Juni 2021 betreibt er gemeinsam mit Wolfgang Mayr, Tjan Zaotschnaja und Claus Biegert ehrenamtlich den Blog VOICES.

Am 11. Juli 1995, vor 28 Jahren, ereignete sich eines der schrecklichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Geschichte Europas: der Genozid von Srebrenica.

An diesem Wochenende versammelten sich Hunderte Menschen, um der Opfer zu gedenken. Sie versammelten sich um einen Konvoi von 30 Särgen, die durch die Stadt gefahren wurden, um begraben zu werden. Teilweise waren es nur wenige Knochen, die zur Identifizierung der Leichen ausreichen mussten, nachdem diese Anfang dieses Jahres in einem Massengrab gefunden worden waren.

Gedenken von entscheidender Bedeutung

Der Genozid von Srebrenica steht für das Versagen der internationalen Gemeinschaft. Das Gedenken an die Opfer ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass ihre Geschichten erzählt werden.

In Bosnien wurden zwischen 1992 und 1995 fast 100.000 Menschen getötet, über 2 Millionen wurden gewaltsam vertrieben und zwischen 20.000 und 50.000 Frauen wurden im Rahmen der systematischen Kampagne des Völkermords und der ethnischen Säuberung durch die serbischen Streitkräfte vergewaltigt. Für die Familien der Opfer ist Gerechtigkeit eine ferne Hoffnung. Alles, worum sie jetzt bitten, ist, endlich ein Grab zu haben, an dem sie trauern können.

In Massengräbern verscharrt

Der Name Srebrenica ist zum Synonym für jene dunklen Tage im Juli 1995 geworden, als mehr als 8.000 Männer und Jungen (und Dutzende von Frauen) systematisch ermordet und in Massengräbern verscharrt wurden. Die Opfer – allesamt Muslime vom Säugling im Alter von wenigen Stunden bis zur 94-jährigen Frau. Dies war die schlimmste Gräueltat auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg.

Ratko Mladić, der am 11. Juli 1995 mit seiner mörderischen Truppe in Srebrenica einmarschierte, sagte: „Hier sind wir im serbischen Srebrenica. Am Vorabend eines weiteren großen serbischen Feiertags schenken wir diese Stadt dem serbischen Volk. Endlich ist die Zeit gekommen, sich an den Muslimen in dieser Region zu rächen.“

Kein Widerstand und keine Hilfe

Es sei daran erinnert, dass der UN-Sicherheitsrat die Stadt Srebrenica zu einem „sicheren Gebiet, das frei von bewaffneten Angriffen oder feindlichen Handlungen sein sollte“, erklärt hatte. Obwohl die UN-Flagge über der Enklave wehte, stieß der Angriff der bosnischen Serben im Juli 1995 auf keinen Widerstand.

Als Mladić und seine Mörder vordrangen, suchten 20.000 Menschen vergeblich Zuflucht in nahe gelegenen Fabriken und Feldern. Mit Einbruch der Nacht verließen die UN-Truppen ihre Stellungen, und den Menschen wurde klar, dass keine Hilfe kommen würde. Um Mitternacht machten sich 15.000 bosniakische Männer auf den gefährlichen Weg von Srebrenica in das freie Gebiet von Tuzla. Als sich die Männer in einer Kolonne auf einem Hügel versammelten, begannen die serbischen Streitkräfte mit schwerem Geschützfeuer.

500 serbische Soldaten verurteilt

Bosnisch-serbische Soldaten schlachteten allein in Srebrenica 8.372 Männer brutal ab. Um ihre Verbrechen zu vertuschen, wurden die sterblichen Überreste der Opfer in Massengräber gebracht.

Am Ende der Balkankriege wurden schätzungsweise 40.000 Menschen vermisst. Seit 1995 wurden über 750 Massengräber freigelegt. Allein in Srebrenica wurden bisher 91 Massengräber entdeckt, die 6.877 Identifizierungen von als vermisst gemeldeten Personen ergaben. Von den schätzungsweise 20.000 serbischen Soldaten, die Kriegsverbrechen begangen haben, wurden bisher 500 vor Gericht gestellt und verurteilt.

Serbische Führer leugnen Völkermord

Im mehrheitlich serbischen Gebiet bleiben die Hinrichtungsstätten unmarkiert. Verurteilte und angeklagte Kriegsverbrecher werden in serbischen Gebieten jedoch als stolze und patriotische Serben gefeiert. Viele serbische Führer leugnen den Völkermord von Srebrenica und andere Kriegsverbrechen.

Einer dieser Völkermordleugner ist Milorad Dodik, der derzeitige Präsident Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina, der im Jahr 2021 erklärte, der Genozid von Srebrenica sei kein Völkermord. Es sei ein „Mythos“ und eine „Täuschung“.

Die Leugnung des Genozids von Srebrenica ist nicht nur inakzeptabel, sondern auch eine Verhöhnung der Opfer und Überlebenden. Der Völkermord darf niemals vergessen oder relativiert werden. Das zumindest schulden wir den Opfern und ihren Hinterbliebenen.

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